Gala der jungen Schauspieler 2016: Theaterabsolventen haben unterschiedliche Berufschancen
Die Gala des Jungen Schauspielers HOP 2016 brachte auch unangenehme Fakten ans Licht: Die Theaterhochschulen sind überfordert, nicht alle Absolventen haben die Chance, auf die Bühne zu kommen.
Luana Pleşea, 17.09.2016, 17:35
Der rumänische Theaterverband UNITER organisierte Anfang September im Schwarzmeer-Resort Costineşti die 19. Gala des Jungen Schauspielers HOP 2016. Der Schauspieler und Professor Miklós Bács, Kunstdirektor der Gala, erklärte, der Zweck dieser Gala sei, über die Kunst des Schauspielers zu sinnieren. Die Schauspielerin Dorina Chiriac, Jurymitglied, meint, die jungen Absolventen würden ihre Kunst zwar gut beherrschen, es fehle aber an Identifikation mit dem Beruf und an Selbstsicherheit im Auftritt:
Ich habe gemerkt, dass die jungen Schauspieler für die Bühne unvorbereitet sind. Ich beziehe mich nicht auf ihre Fähigkeiten, auf ihre Begabung, ihr Geschick — da sind sie sogar besser und vielfältiger als zu meiner Zeit. Was schlicht fehlt, ist etwas an der Stellung dem Beruf gegenüber. Ich bin fest überzeugt, dass die Schule schuld daran ist. Ich glaube, es ist ein Generationsmerkmal. Bei den guten frischgebackenen Schauspielern bemerke ich etwas, was nicht Unsicherheit, sondern eine Art Unwissenheit ist. Es hat etwas mit der Unterrichtsart zu tun. Ein Professor muss mit vielen Studenten arbeiten. Die Professoren haben keine Zeit für jeden einzelnen. Die Studienzeit ist heutzutage kürzer. Das Bologna-System ist zurzeit, meiner Meinung nach, für Rumänien gar nicht geeignet. Wir verfügen nicht über das nötige Personal. Wir brauchen Professoren, die speziell dafür ausgebildet sind.“
Für die Gewinner der HOP-Gala 2016 bedeutet das Beherrschen der Kunst des Schauspielens, sich nie zufrieden zu geben mit dem, was man schon erreicht hat, immer besser zu sein wollen, die Phantasie zu gebrauchen. Alexandru Voicu absolvierte die Bukarester Hochschule für Theater- und Filmkunst UNATC im Jahr 2015 und hat den Großen Preis der Gala gewonnen:
Der Mechanismus, den ich immer gebrauche, egal was ich spiele, ist, dass ich immer versuche, von Null anzufangen, so, als ob ich das noch nie getan hätte. Ich versuche neue Sachen, egal ob ich das schon gemacht habe, sie sollen aber in dem Moment neu sein. Ich beherrsche sie technisch, die Fertigkeiten gibt es, aber ich versuche mich zu überlisten, damit ich sie in jenem Moment neu rüberbringe. Ich glaube, das hängt gleichzeitig vom Spiel und Spielen und von der Freude daran ab.“
Alina Rotaru absolvierte die UNATC 2012 und ist die Gewinnerin des Preises für die beste Schauspielerin:
Ich habe im letzten Studienjahr die Idee des Spielens entdeckt. Alles, was dieses Wort bedeutet. Ich habe mir gedacht, wenn ich auf der Bühne spiele, egal, welche Gestalt ich verkörpere, könnte ich größere Chancen haben, bis ans Ende echt zu wirken. Die Kunst eines Schauspielers bedeutet für mich, dass mir der Zuschauer glaubt, dass ich für ihn echt bin und dass er mich versteht. Wichtiger als deine Begabung und dein Charme ist, wie du eine neu Rolle angehst.“
Die Wahrheit auf der Bühne zu sagen, ist für die Schauspielerin Dorina Chiriac sehr bedeutend:
Ich kehre immer zu Grotowski zurück, der behauptet: Ungeachtet des Genres oder Epoche muss der Schauspieler auf der Bühne die Wahrheit sagen. Das war ein Bewertungskriterium der Jury — der Schauspieler, der auf der Bühne steht, muss die Wahrheit sagen. Es gibt danach weitere Differenzierungskriterien wie Kraft, Begabung, Tragweite — alles Fähigkeiten, die angeboren sind, aber auch erworben werden können. Alle haben aber nur dann Sinn, wenn sie dem Ziel dienen, die Wahrheit weiterzugeben. Einige Schauspieler ziehen nur eine Show auf, andere sind tiefgründiger. In diesem Jahr haben wir junge Schauspieler gesehen, die sich mit ihrer Kunst geistig auseinandersetzen; sie haben ein tiefes Universum, sie können bedeutende Texte angehen, mit vielen Nuancen und Tiefsinn, aber ohne das Geheimnisvolle zu zerstören. Absolventen, die diese Qualitäten hatten, haben in diesem Jahr gewonnen.“
Die Schauspielerin Dorina Chiriac erwähnte in unserem Gespräch die große Anzahl von Studenten und die Überforderung der Professoren. Kunstdirektor Miklós Bács meint, es gebe mehrere Ansätze, um dieses Problem zu lösen:
Ich bin der Meinung, dass die Schauspiel-Hochschulen dieses Thema gemeinsam besprechen müssten. Wie sollte der Hochschulunterricht in diesem Bereich sein? Was bedeutet diese große Anzahl von Studenten für eine Kunstuniversität? Wir sind nicht gegen die hohe Anzahl, wir müssen nur Kompromisslösungen finden. Es ist gut, dass es viele Studenten gibt, aber nicht jeder muss ein Diplom erhalten und Theater auf der Bühne spielen. Das sollte eine Spezialisierung sein. Man könnte verschiedene Varianten finden wie Ausbildung in Psychodrama, Psychopädagogik bis hin zur Befähigung zum Unterrichten im Gymnasium. Wir könnten den Jugendlichen Arbeitsplätze sichern. Natürlich wünscht sich jeder, auf die Bühne zu kommen. Jeder hat diesen Traum. Wenn man das Theater liebt, kann man dem Theater auch anderswie dienen, nicht nur aus der Sicht des Schauspielers. Das hängt von der Strategie der Universitäten ab. Es ist einfach nicht möglich, dass eine Gesellschaft den 200 — 300 Absolventen im Jahr einen Arbeitsplatz sichert.“