FILIT: Schriftsteller Mircea Cărtărescu war Ehrengast des renommierten Festivals
In unserer Reihe Kulturchronik“ berichten wir über das Treffen zwischen dem Schriftsteller Mircea Cărtărescu und dem Journalisten Cezar-Paul Bădescu im Rahmen des Internationalen Festivals für Literatur und literarische Übersetzung FILIT in Iaşi.
Corina Sabău, 22.11.2014, 17:56
Literatur gleicht der Lanze des Achilles, die das Übel zufügte und heilte“, sagte Mircea Cărtărescu in seinem Dialog mit dem Schriftsteller und Journalisten Cezar-Paul Bădescu im Rahmen des Internationalen Festivals für Literatur und literarische Übersetzung FILIT in Iaşi. Die Literatur hilft einem, sich selbst zu begegnen, und eine Begegnung mit sich selbst ist das Unheimlichste, was einem passieren kann.“ Am Anfang des Treffens auf der Bühne des Nationaltheaters in Iaşi forderte Cezar-Paul Bădescu den Autor der Bände Nostalgia“, Levante”, und der Trilogie Orbitor“ (Blendwerk“) mit den Bänden Die Wissenden“, Der Körper“ und Die Flügel“ auf, über die Zeit zu sprechen, als er den Literaturzirkel der Bukarester Universität leitete und zusammen mit seinen Studenten mehrere kollektive Prosa- und Gedichtbände veröffentlichte, darunter Familienbild“. Warum hat er es getan? Mircea Cărtărescu antwortet:
Dafür hat es zwei Gründe gegeben. Der erste und einfachste Grund war, dass meine Generation etwas geschenkt bekommen hat, und wenn man etwas geschenkt bekommt, sollte man auch etwas weiterschenken. Die Geschenke erhielten wir von den Literaturkritikern Nicolae Manolescu, Ovid Crohmălniceanu, Eugen Simion, Mircea Martin, Ion Pop, und von unzähligen anderen wunderbaren Menschen, die unsere Existenz geprägt haben. Ohne diese Menschen wären wir nicht das geworden, was wir heute sind. Deshalb scheint es mir vollkommen natürlich, dass wir die Erkenntnisse, die theoretischen und moralischen Geschenke, die wir von ihnen bekommen haben, weiterschenken sollten. Und der zweite Grund, warum ich im Literaturzirkel der Bukarester Uni mitgemacht habe, war, dass ich mich als einer von euch fühlte. Ich fühlte, ich gehöre zu euch, und die sechs, sieben Jahre, als ich diesen Literaturzirkel leitete, waren die schönsten Jahre meines Lebens. Es war mir eine Freude und ein großes Vergnügen, dass ihr mich in eurem Literaturzirkel aufgenommen habt. Ihr habt mich als einen von euch akzeptiert, auch wenn ich 15 Jahre älter war. Ich habe es genossen, an unseren Büchern mitzumachen. Ich bezeichne sie als ‚unsere Bücher‘, weil es sich um Anthologien handelte, für die ich manchmal die Einleitung schrieb.“
Literatur war für mich einfach alles, aber ich kann nicht sagen, dass ich ausschließlich aus Literatur gemacht bin“, antwortete Mircea Cartarescu auf die Frage, was Literatur für ihn bedeute. Und er fügte noch hinzu:
Es wäre als ob man mich fragen würde, was für mich die Luft bedeutet, die mich am Leben hält. In einem Brief schrieb Franz Kafka an seine ewige Verlobte Felice Bauer, er sei nichts Anderes als Literatur. Sehr oft dachte ich, was das bedeuten könnte. Was soll es bedeuten, wenn ein Mensch komplett in Literatur übergeht, wenn er sich in Literatur verwandelt. Was für physische oder chemische Prozesse wären notwendig, damit ein menschlicher Körper, ein menschliches Gehirn zu Literatur wird. Das geschah mit Kafka gegen Ende seines Lebens. Kurz vor seinem Tod war Kafka nicht mehr ein Mensch unter seinen Mitmenschen, sondern eine Figur in seinen Büchern. Er war Literatur geworden. Sicher, die meisten von uns kommen nicht so weit. Um so weit zu kommen, bedeutet, kolossale Opfer zu bringen, es bedeutet, das eigene Leben zu zerstören, um es auf eine ganz andere Weise wieder zu gewinnen. Einmal sagte der Dichter Nichita Stănescu: ‚Wir möchten alle wie Eminescu schreiben, aber wer möchte schon sein Leben führen?‘ Das ist eine sehr gute Frage — wer möchte schon das Leben derer führen, die nichts Anderes als Literatur sind? Wenn man sich entscheidet, Literatur zu werden, wird man irgendwie zum Märtyrer.“
Über das Internationale Festival für Literatur und literarische Übersetzung FILIT in Iaşi sagte Mircea Cărtărescu: Das ist ein Festival von höchstem Niveau. Das Festival FILIT ist nicht nur für das rumänische Kulturleben relevant, es ist auch eines der größten, wenn nicht das größte Literaturfestival in Osteuropa, und es ist in der Tat ein großer Erfolg.“