Erfolg im Ausland: RRI-Redakteurin gewinnt französischen Literaturpreis
Ioana Maria Stăncescu, Redakteurin bei Radio Rumänien International, der französischen Abteilung, ist die Gewinnerin des diesjährigen Festival du Premier Roman in Chambéry (Ende Mai).
Corina Sabău, 25.09.2021, 21:34
Als ich Ioanas Manuskript zum ersten Mal las, spürte ich, wie ihre Geschichte in die Tiefen meines Wesens eindrang. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr gelungen war, eine Stimme in mir zum Vorschein zu bringen, eine Harmonie, die schon immer da war, derer ich mir aber erst nach der Lektüre dieses Romans bewusst wurde, der eigentlich eine Beichte ist. Das war auch bei meiner zweiten Lektüre so. Am besten spricht man von diesem Buch indem man andere überredet, es zu lesen. Das scheinen auch die Leser des Festivals von Chambery so empfunden zu haben, die für Alles was ich meinem Vater versprochen habe“ gestimmt haben. Das bestätigt, dass es ein universelles Buch ist, das Leser aus vielen Ecken der Welt bereits lieb gewonnen haben“, sagt Magdalena Mărculescu, Redaktionsleiterin der Verlagsgruppe Trei.
Das Lesekomitee des Festival Premier Roman in Chambéry, das sich aus Kritikern und Übersetzern zusammensetzte, war von der Stärke der Hauptfigur Ada überzeugt, die beschließt, ganz von vorne anzufangen und ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, entgegen dem gesellschaftlichen Druck. Wir fragten Ioana Maria Stăncescu nach ihren Erfahrungen als Debütautorin beim Festival du Premier Roman in Chambéry.
Ich habe die ganze Erfahrung sehr genossen, ich fühlte mich geehrt, wichtig, wirklich als echte Schriftstellerin. Wegen der Pandemie nahmen die ausländischen Autoren nur online teil. Aber ich wollte mir diese Erfahrung nicht entgehen lassen und bin als einzige ausländische Schriftstellerin nach Chambéry gereist, und zwar dank meiner Tochter, die mich überredet hat, da hinzufahren. Infolge des dreitägigen Festivals, natürlich auch weil ich Französisch spreche, habe ich mich mit den anderen Schriftstellern angefreundet. Es gab auch etablierte Autoren, aber die meisten von uns standen noch am Anfang, und das ermöglichte uns eine offene Beziehung, Freundschaft und Kommunikation über soziale Medien.
Und seither fällt mir immer wieder auf, wie viele Veranstaltungen es in Frankreich für Debütanten gibt. Und damit meine ich nicht nur große Veranstaltungen wie Festivals oder Preisverleihungen. Ich spreche von Signierstunden in Buchhandlungen, von Begegnungen in Gymnasien, von vielen Treffen mit dem jungen Publikum. Auch in Chambéry hatte ich die Gelegenheit, an einer sehr bewegenden Veranstaltung teilzunehmen, die von einem Lehrer mit Schülern der Sekundarstufe organisiert wurde. Es handelte sich um einen Leseworkshop, der von zwei der preisgekrönten Bücher inspiriert war und an dessen Ende die Kinder einen Aufsatz schrieben. Es war eine beeindruckende Erfahrung.
Während des Festivals du Premier Roman in Chambéry nahm Ioana Stăncescu an der Debatte Révolte ou résignation? teil, die von dem Journalisten Yann Nicol moderiert wurde und an der auch die Schriftsteller Adrien Borne und Raphaelle Riol teilnahmen, sowie an der Videokonferenz Atelier de traductions mit Florica Ciodaru Courriol und Jean-Louis Courriol.
Für mich war die Debatte eine Gelegenheit, meinen Roman vorzustellen. Der Journalist, der die Debatte moderierte, war äußerst großzügig und professionell, denn da es sich um ein Buch handelt, das nicht ins Französische übersetzt wurde, sprach er vor der Debatte mit den rumänischen Lesern, um sich über den Inhalt des Buches zu informieren, und stellte mir einige sachkundige und relevante Fragen. Tatsächlich kamen die Anwesenden am Ende der Debatte auf mich zu und sagten, sie bedauerten, dass der Roman nicht ins Französische übersetzt wurde. Die zweite Veranstaltung, der von Florica und Jean-Louis Courriol geleitete Übersetzungsworkshop, fand via Zoom statt, daran nahmen sowohl Franzosen als auch Rumänen teil. Während des Workshops haben wir gemeinsam versucht, das erste Kapitel meines Buches zu übersetzen, und ich habe mich darauf eingelassen, auch wenn man normalerweise nicht davon ausgeht, dass der Autor unbedingt französischsprachig ist. Es war interessant, es sollte eine Stunde dauern, und es dauerte am Ende gute zwei Stunden, ich denke, dass die Teilnehmer eine gute Zeit hatten.
Ich kam aus Chambéry mit dem Gefühl zurück, dass es einfach sein könnte, wenn wir selbst solche Veranstaltungen durchführen wollten. Das Festival du Premier Roman in Chambéry, das bereits seit 34 Jahren stattfindet, wird hauptsächlich von einer Handvoll Freiwilligen organisiert. Natürlich gibt es einige Organisationen, die das unterstützen, aber es hat mich erstaunt, wie einfach es zu organisieren wäre. Um ein Beispiel zu nennen: Normalerweise findet dieses Fest in der ganzen Stadt statt, es gibt mehrere Veranstaltungsorte, und es wird ein Nachahmungseffekt erzielt, indem sich die Stadt für drei Tage in festliche Kleidung kleidet. In diesem Jahr konnte die Veranstaltung aus gesundheitlichen Gründen nicht wie üblich stattfinden, aber dennoch beteiligte sich die gesamte Gemeinde – die Buchhandlungen, Cafés, Restaurants, die Schneiderei in der Hauptstraße – an der Veranstaltung, wobei sogar auf den Schaufenstern mit Kreide Zitate aus den preisgekrönten Büchern geschrieben waren. Es scheint banal zu sein, aber der Schriftsteller, der die Straße entlanggeht und einen Satz davon im Fenster des Schneiders sieht, fühlt sich als Schriftsteller und wichtig.
Das Festival du Premier Roman in Chambéry ist eine Literaturveranstaltung, die seit 1987 europäische und frankophone Debütautoren entdeckt und fördert. Jedes Jahr wählen 3000 Leserinnen und Leser nach Lesungen und Diskussionen 15 französischsprachige Debütautoren und acht weitere Autoren aus, die in italienischer, spanischer, deutscher, rumänischer, englischer und portugiesischer Sprache schreiben, sowie bekannte Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Olivier Adam, Christine Angot, Laurent Binet, Philippe Claudel, Delphine De Vigan, Mathias Enard, David Foenkinos, Laurent Gaudé, Michel Houellebecq, Amélie Nothomb, Boualem Sansal gehören zu den mehr als 300 Autoren, die im Laufe der Jahre beim Festival zu Gast waren.