Dokumentarfilmfestival untersucht das Thema Angst
In Bukarest hat One World Romania, das Internationale Festival für Dokumentarfilme zum Thema Menschenrechte, in diesem Jahr schon die 10. Auflage erreicht.
Corina Sabău, 01.04.2017, 17:18
Ein Normaler Autistischer Film“ — die Dokumentation des tschechischen Regisseurs Miroslav Janek, die diesen seltsamen Titel trägt, gewann den Preis des Festivals. Die aus Gymnasiasten gebildete Jury sagte in ihrer Begründung, dass der Film nicht nur die Welt autistischer Kinder anspricht, sondern die Gesellschaft insgesamt. Die Normalität sieht für jeden von uns anders aus, es gibt keine allein wahre Realität, sondern nur mehrere Interpretationen, formulierte es die Jury spitzfindig. Miroslav Janek konnte nur zum Auftakt des Festivals in Bukarest dabei sein und richtete seine Dankesbotschaft an das Publikum per Video.
Zentrales Thema der diesjährigen Auflage von One World Romania war die Angst. Wir leben in einer globalen Welt und wollen trotzdem zurück in die Vergangenheit, wir wünschen uns neue Grenzen und wollen uns einmauern. Korrupte Politiker profitieren von unseren Schwächen und Ängsten, um an die Macht zu kommen — doch einige entschlossene Menschen leisten Widerstand und opfern alles auf, was sie haben, sagt Alexandru Solomon, Direktor von One World Romania. Die Filme erforschen die Ursprünge dieser Ängste und wie sie überwunden werden können: Die Angst stand klar im Mittelpunkt aller Themen, die mit der Politik und den Zeichen der Zeit zu tun hatten, die sich überall verschlechtert haben. Populistische, nationalistische, homophobe Bewegungen instrumentalisieren Angst. Aber es geht auch um punktuellere Dinge, wie die Defizite des Gesundheitssystems in Rumänien und in anderen Ländern — und das schafft wiederum andere Ängste“, sagt Alexandru Solomon, seinerseits Regisseur im beruflichen Alltag.
Auch diesmal waren die Publikumsdiskussionen extrem lebhaft und interessant und es zeigt sich, dass das Festival sich gemeinsam mit der Zivilgesellschaft entwickelt — je mehr die Bürger sich mit Rechtsstaat, Korruptionsbekämpfung und Meinungsfreiheit beschäftigen, desto höher das Interesse für One World Romania, sagt Alexandru Solomon: Das Festival hat über die Jahre diese Form angenommen. Vereine und Verbände können sich jeweils einen Dokumentarfilm aneignen, der zu ihrem Auftrag passt, der also zu den Problemen etwas aussagt, mit denen sie sich beschäftigen. Das Dokumentationsfestival kann als Marktplatz der Ideen betrachtet werden, wo Filmschaffende und die Zivilgesellschaft einander treffen.“
Die Rolle des Dokumentarfilms ist andererseits nicht, Probleme zu lösen, meint der Regisseur. Im Vergleich zu den Mainstream-Medien liefert er tiefere Einsichten aus einer empathischeren Perspektive. Dokumentarfilmer verbringen viel mehr Zeit als Journalisten mit den Menschen, über die sie erzählen; sie setzen sich eingehender mit den Themen auseinander. Und sie stehen weniger unter Zeit und Leistungsdruck. Bei One World Romania gelang es, einen Dialog zu beginnen, und es ist mit offenen Augen sichtbar, dass mit der Zeit auch das Publikum diskussionsbereiter wurde, stellt Alexandru Solomon fest.
Sechs rumänische Produktionen wurden in diesem Jahr gezeigt. Eindrucksvoll war auch eine Vorschau auf den Dokumentarfilm Das Verfahren“, in dem Claudiu Mitcu und Ileana Bîrsan dem Fall von Mihai Moldoveanu nachspüren — dem ehemaligen Armeeoffizier wird ein Verbrechen vorgeworfen, doch er sagt, er sei unschuldig. Wir wollten sehen, ob jemand am Thema interessiert ist und wie diese Vorschau beim Publikum ankommt. Wir versuchen, so ausgeglichen wie möglich an den Fall heranzugehen. Wir wollten ein Feedback auch deshalb bekommen, weil der Film eine einzige Figur hat: den Angeklagten. Die anderen, Staatsanwälte oder Richter, wollten einfach nicht mit uns reden“, sagt die Autorin Ileana Bârsan.
Den beiden Filmschaffenden fiel es besonders schwer, diesen Film um diese alleinige Figur herum zu drehen und dabei nicht zu interpretieren. 20 Minuten für die Vorschau zu finden und zu schneiden, war ebenfalls kompliziert, gestehen sie — denn es ging darum, Interesse zu erwecken, aber nicht zu viel zu verraten.
Über 11 Tausend Zuschauer kamen in diesem Jahr zum Festival — und wer es verpasst hat, kann einige der Filme beim Alternativen Vertriebsprogramm KineDok finden.