Dokufilm-Festival „One World Romania“ ausgesetzt
Wann genau das Bukarester Fachfestival für Dokumentarfilme im Kontext der Corona-Krise stattfinden wird, ist ungewiss, der Filmregisseur und Festivalleiter Alexandru Solomon berichtet im Gespräch mit RRI von einer Umorganisierung des Programms.
Corina Sabău, 02.05.2020, 17:45
Die Organisatoren des Filmfestivals One World Romania“, das dieses Jahr im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie abgesagt wurde, appellieren an die Behörden in Bukarest, sie in der Initiative zu unterstützen, die Auswirkungen der aktuellen Krise im unabhängigen Kulturbereich zu bekämpfen. Der Initiative haben sich 600 Organisationen angeschlossen, die soziale und kulturelle Programme entwickeln. Ob dieser Sektor mit der Unterstützung der Behörden rechnen kann und was es bedeutet, das Programm eines derartigen Filmfestivals umzuorganisieren, erfahren wir vom Festivalintendanten, dem Dokumentarfilmregisseur Alexandru Solomon:
Unser Hilferuf ist nicht ohne Antwort geblieben, aber die Maßnahmen, die die Auswirkungen der Corona-Krise im Kulturbereich mildern sollen, richten sich eher an einzelne Personen, die in dieser Branche Projekte entwickeln, und nicht an Organisationen. Zudem wird die Beihilfe an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, so zum Beispiel muss man den Beweis liefern, dass man keine alternative Einkommensquelle hat und in letzter Zeit kein Geld verdient hat. Das Positive daran ist jedoch, dass es eine Art Dialog zwischen uns und den Behörden gab, aber für Institutionen, die in der Branche aktiv sind, haben die Behörden eigentlich nichts getan. Was das Festival »One World Romania« angeht, kann ich sagen, dass wir Glück hatten. Die Festspiele hätten im Monat März stattfinden sollen, besser gesagt eine Woche nachdem der Notstand ausgerufen wurde. Das Budget des Festivals gab es schon und unsere Partner haben glücklicherweise, zumindest bisher, das Projekt nicht fallen lassen. Das Ganze umzuorganisieren, heißt, natürlich mehr zu arbeiten. Unsere Mitarbeiter machen mehr für dieses Projekt und das müssen wir entsprechend vergüten. Ansonsten ist das Festival gleich geblieben und wir versuchen, mit dem Publikum ständig in Kontakt zu bleiben, jetzt natürlich online. Wann genau das Festival stattfinden wird, steht noch unter Fragezeichen. Die Corona-Maßnahmen sollen bekanntlich progressiv gelockert werden, meiner Meinung nach werden jedoch Veranstaltungen mit großem Publikum nicht bald stattfinden.“
Anfangs ein Ableger des tschechischen One World“-Festivals, das der ehemalige Präsident Václav Havel ins Leben gerufen hatte, ist One World Romania bald ein selbständiges Festival geworden, dessen Ziel eine wachsende Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Gestaltung der Zukunft ist. Dementsprechend folgt jedem Film eine Debatte mit Filmemachern, Vertretern von NGO oder den Darstellern der Dokumentationen, wobei sich das Publikum mit den aktuellen Problemen dieser Welt auseinandersetzen kann und auf die Menschenrechtsverletzungen hingewiesen wird. Wie sich die Festspiele in den letzten dreizehn Jahren entwickelt haben, erläutert Alexandru Solomon:
Zur diesjährigen Form des Festivals sind wir natürlich mit der Zeit gekommen. Wir betrachten den Dokumentarfilm als Kommunikationsmittel in der Gesellschaft. Das ist, was uns einen gewissen Platz unter anderen Kulturveranstaltungen in Rumänien sichert. Die rumänische Gesellschaft braucht solche Initiativen, deswegen gibt es auch viele NGO und Menschen, die ein starkes soziales Engagement zeigen und auch Teil unseres Projektes geworden sind. Diese Pandemie ist das Schlimmste, was in diesem Kulturbereich passieren konnte, niemand war darauf vorbereitet. Das brachte uns leider in die Situation, auf etwas zu verzichten, was uns eigentlich definierte. Es handelt sich um den Kontakt mit dem Publikum, wir sind online gegangen, was wir eigentlich nie machen wollten. Ein Festival über Menschen und Menschenrechte bedeutet Kommunikation, vor der Leinwand in einem Kinosaal zusammenzukommen und am Ende der Filmvorführung Gesprächsrunden zwischen dem Publikum und den Filmemachern, Produzenten, Darstellern zu veranstalten.“
Der Debütfilm des Regisseurs Radu Ciornciuc Acasă, Mein Zuhause“ hätte dieses Jahr die Festspiele eröffnen sollen. Die Produktion, die auf dem Sundance-Filmfestival unter den Favoriten des Publikums stand, erzählt die Geschichte einer obdachlosen Familie, die etwa zwanzig Jahre lang im Văcăreşti-Delta am Rande der rumänischen Hauptstadt lebte, einem verwilderten Ort, der zu einem Schutzgebiet und dem ersten städtischen Naturpark Rumäniens erklärt wurde. Vier Jahre lang verfolgte der Regisseur Radu Ciorniciuc das große Abenteuer“, das die Familie erlebt hat, ihren Weg von einem Leben in perfekter Harmonie mit der Natur zu einem Leben im Großstadtdschungel. Alexandru Solomon kommt erneut zu Wort:
Dieser Film entspricht unserem Interesse für den sozialen Aspekt des Lebens, für den Kampf gegen Diskriminierung und für die Rechte der Minderheiten, und das ist auch das Thema des 13. Festivals »One World Romania«. Dieses Jahr setzen wir den Fokus auf die Probleme der Roma-Minderheit. »Acasă, Mein Zuhause« ist zudem aus allen Perspektiven ein sehr schöner und berührender Film, der auch international gefeiert wurde.“