Doku-Veteran Alexandru Solomon: Medien sind Fastfood, Dokumentarfilme Slowfood
Dokumentarfilme sind eine besondere Filmart - sie wollen objektiv sein, doch das Künstlerische erschwert die sachliche Behandlung, sagten Regisseure auf einer CINEPUB-Veranstaltung in Bukarest.
Corina Sabău, 11.03.2017, 17:44
Vor 133 Jahren machte sich eine kleine jüdische Gemeinde nach Palästina auf, um dort eine Siedlung zu gründen. Seitdem sind Menschen in Rumänien und Israel in einer Hassliebe verbunden, deren Auswirkungen kaum messbar sind. Die Filmkünstlerin Oana Giurgiu drehte dazu einen Dokumentarfilm im dadaistischen Stil — eine Hommage an Tristan Tzara und Marcel Janco, zwei aus Rumänien stammenden Juden und Urhebern dieser Stilrichtung. Bis zu diesem Film habe ich nur Ciné-Vérité oder Fernsehreportagen gedreht und es war wichtig für mich, über meinen eigenen Schatten zu springen. Es hat mehr als ein Jahr, fast zwei gedauert, bis ich eine eigene Filmsprache entwickeln konnte — ich fand es schwer, aus mir selbst herauszugehen. Doch für diesen Film hatte ich sehr viel Archivmaterial, besonders Fotos — Porträtfotos, weil andere damals kaum gemacht wurden. Und deshalb habe ich eine Collage gemacht — einen umgekehrten Dadaismus“, erzählte die Filmschaffende Oana Giurgiu.
Ihr Kollege Claudiu Mitcu hat schon mehrere Dokumentare gedreht, davon den vom Bezahlfernsehen HBO produzierten Film Australien“, der in 2010 den Preis des rumänischen Filmverbands bekam. Und die französische Botschaft verlieh Mitcu den Menschenrechtspreis für zwei Dokumentarfilme. Der Regisseur findet es großartig, dass er gesellschaftlich relevante, wahre Geschichten erzählen kann: Viele meiner Filme sehen hässlich aus, weil ich oft keine Regie führe, sondern einfach nur drehe. Aber die Filme sehen so glaubwürdiger aus. Und es ist für den Zuschauer besser, wenn er die Themen, die Story, die ich zu liefern versuche, so aufnimmt. Auch wenn es kein schönes Bild ist, wenn bestimmte Dinge durch eine weniger künstlerisch geführte Kamera verloren gehen — die Botschaft kommt viel stärker und glaubwürdiger rüber. Von sieben Dokumentarfilmen sehen sich zwei stilmäßig ähnlich. Jeder hat seinen eigenen Stil, den die Natur des Thema vorgibt“, so Dokumentarfilmer Claudiu Mitcu
Regisseur Alexandru Solomon ist ein Veteran mit über 15 Dokumentarfilmen — er drehte schon 2001 den Mann mit 1000 Augen“, dann u.a. 2007 Cold Waves — Krieg auf Radiowellen“ oder 2010 Kapitalismus — unser Geheimrezept“. Zum Vergleich von Presse und Dokumentarfilm zieht er eine gastronomische Analogie heran: Die Medienberichterstattung ist Fastfood, Dokumentarfilme sind Slowfood. Sie halten der Gesellschaft einen Spiegel vor, in dem sie ihre Probleme sehen kann. Dass es keinen Film gibt, der die Transformation der 1990er Jahre behandelt, findet er schade. Und Objektivität ist eine komplizierte Frage meint Alexandru Solomon.
Die Diskussion über die Objektivität des Dokumentarfilmers scheint mir obsolet zu sein. Der Dokumentarfilmer versucht, eine Perspektive über einen Teil der Realität zu geben. Es gibt diese Möglichkeit, eine Richtungswahl zu treffen. Wenn du die Kamera an einen Punkt setzt, hast du schon eine solche Wahl getroffen“, sagt Alexandru Solomon, der heute auch andere Aufgaben wahrnimmt. Er ist Direktor des Internationalen Dokumentarfilmfestivals One World Romania“ zum Thema Menschenrechte, das am Montag in Bukarest beginnt. Über 60 Dokumentarfilme werden gezeigt, sie wurden von 1300 eingeschickten Vorschlägen gewählt. Dazu gibt es Workshops, Rundtischgespräche, Ausstellungen. Engeres Thema ist die Angst und wie sie sich in der Gesellschaft manifestiert, umso mehr als korrupte Politiker und Populisten Kapital aus Angst und Schwäche herausschlagen und sie instrumentalisieren, um an die Macht zu kommen.