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Die 23. Auflage des Nationalen Theater-Festivals

Das am 3. November zu Ende gegangene Nationale Theater-Festival brachte erneut schillernde Persönlichkeiten des Theaters ins Rampenlicht, darunter den weltbekannten Regisseur Andrei Şerban.

Die 23. Auflage des Nationalen Theater-Festivals
Die 23. Auflage des Nationalen Theater-Festivals

, 09.11.2013, 16:01

Die Aufführung zur Eröffnung des 23. Nationalen Theater-Festivals trug die Unterschrift des Regisseurs Andrei Şerban. Die Troerinnen“ nach Euripides war auch das während der Festivaltage am häufigsten aufgeführte Stück. Andrei Şerban hatte Die Troerinnen“ zum ersten Mal 1974 am La MaMa“-Theater in New York inszeniert. 1990 wurde das Stück ein weiteres Mal mit den Schauspielern des Bukarester National-Theaters gespielt — als mittlerer Teil der Antiken Trilogie“, die als Symbol für die Wiedergeburt des rumänischen Theaters stehen sollte. Und schlie‎ßlich kehrte Andrei Şerban 2012 mit den Troerinnen“ ein weiteres Mal auf die Bühnen zurück, diesmal mit den Sängern der National-Oper aus Iaşi. Warum überhaupt? — lautet die logische Frage an den Regisseur.



Beatrice Rancea, die zur Direktorin der Oper in Iaşi ernannt wurde, war 1990 Mitglied im Ensemble des Nationaltheaters, mit dem ich zum ersten Mal die griechische Trilogie inszeniert habe. Und sie verspürte immer diese Wehmut, wenn es um die Trilogie ging; sie wollte sie irgendwie wieder spielen. Und warum an der Oper? Weil ›Die Troerinnen‹ eine Art Oper ist, die von Schauspielern gespielt und gesungen wurde. Und diesmal sind es professionelle Opernsänger — der Chor und die Solisten der Oper aus Iaşi, die diese für sie völlig neue Erfahrung mit Begeisterung mitgemacht haben. Auch für das junge Publikum war es eine Erfahrung, denn die heute 20-Jährigen waren 1990 nicht einmal geboren. Einige von ihnen lernen in der Schule über das, was die Trilogie hier und in den USA bedeutet hat. Sie ist in die Geschichte des Theaters eingegangen, aber sie haben die Aufführung nie gesehen. Und wenn sie jetzt die Möglichkeit dazu haben, dann ist es sicherlich eine Erfahrung, und man bildet dadurch auch das junge Publikum, gegenüber dem ich mich zu der Neuinszenierung des Stücks verpflichtet gefühlt habe.“



Andrei Şerban glaubt zudem, dass die Stücke von Euripides vor dem aktuellen sozialen Hintergrund Sinn ergeben.



Eine Tragödie, die vor 2500 Jahren geschrieben wurde, ist universell gültig. Ich glaube, dass es zu jedem Zeitpunkt Spannungen gibt, jederzeit können wir Verbindungen zu der Aktion auf der Bühne herstellen, zu den Dingen, die auf sozialer oder menschlicher Ebene Gefangenschaft oder Freiheit bedeuten — wir tragen in uns selbst ein Gefängnis und einen Drang nach Freiheit. Diese zwei Begriffe sind sehr präsent in der Aufführung und die Zuschauer, die auch vor 20 Jahren das Stück gesehen haben und auch jetzt im Saal dabei waren, haben zu meiner Freude gesagt, dass es ebenso prägend, stark, lebendig und frisch wie damalis gewirkt hat.“



Ferner war im Programm des Theaterfestivals, das am 3. November zu Ende ging, die Aufführung Solidarität“ von Gianina Cărbunariu. Dieses Stück wurde für den offiziellen Wettbewerb des Theaterfestivals in Avignon kommendes Jahr ausgewählt. Es ist eine Koproduktion des Nationaltheaters Radu Stanca“ aus Hermannstadt und des Nationalen Theaters der Französischen Gemeinde in Brüssel, mit Unterstützung des Festivals in Avignon. Das alles im Rahmen des europäischen Projekts Cities on stage/ Städte auf der Bühne. Solidarität“ ist aus der rumänischen Realität inspiriert, allerdings seien diese Symbole in unterschiedlichen Formen in jedem Raum unseres Jahrhunderts anzutreffen, sagt die Regisseurin Gianina Cărbunariu:



Es sind lokale Symbole, aber ich glaube, dass sich die Menschen auf der ganzen Welt heute mit den ungefähr gleichen Problemen konfrontieren. Auch die Probleme sind global: Nationalismus, die Einkapselung in traditionellen Werten, Identitätsprobleme. Ich glaube, dass diese lokalen Symbole die gleiche Sprache sprechen. Ich habe mir nicht vorgenommen, unbedingt Rumänien darzustellen. Ich habe mir vorgenommen, ausgehend von mir bekannten Dingen ein Theaterstück aufzuführen. Ich finde, dass das Nationalismus-Problem dem Drang entspringt, eine Identität zu behaupten, und das manchmal in einer zu starken und störenden, aggressiven Art und Weise, die kurz-, mittel- und langfristig zum Scheitern verurteilt ist. Ich war eher an der fehlenden Solidarität interessiert, und das nicht nur in Rumänien. Wegen der Krise gibt es einen Gedanken, der vielleicht nicht ausgesprochen wird, aber den gibt es: Es rette sich, wer kann. Das war eigentlich schon immer so, aber die Krise hat dieses Gefühl vertieft. Ich wollte sowohl dem Publikum als auch mir und den Schauspielern Fragen stellen. Warum sind wir nicht fähig, uns zu solidarisieren? Warum sind wir nicht imstande, gemeinsam Dinge zu erreichen? Warum sind die Augenblicke der Solidarität so selten? Es gibt sie doch. Aber es dauert viel zu lange, bis wir uns dessen bewusst werden, dass wir Dinge erreichen können, wenn wir alle unsere Kräfte zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinen.“



Die Sektion Schauspieler im Vordergrund“ des Nationalen Theaterfestivals beinhaltete eine Aufführung, die einem noch lange im Gedanken herumschwirren wird. Zumindest wegen des Textes. Eine extrem realistische Geschichte über das Leben: das Stück hei‎ßt Illusionen“, der Text stammt von dem russischen Dramatiker Iwan Wyrypajew, Regie führte Cristi Juncu. Die Aufführung ist eine Chance und eine Herausforderung für jeden Schauspieler. Einer davon ist Andi Vasluianu. Ihn fragten wir, wie seine Begegnung mit dem Text von Wyrypajew war.



Als mir Cristi Juncu den Text schickte und ich ihn las, war ich sehr mitgenommen, aber gleichzeitig habe ich ihm gesagt, dass es extrem schwierig werden wird. Und das nicht nur aus schauspielerischer Sicht. Ich habe viele Sachen hinterfragt, ob das Publikum bereit ist für diesen Text. Diese Aufführung hängt sehr vom Publikum ab. Bei anderen Arten von Texten hängt sehr viel von den Schauspielern oder der Regie ab, aber hier hängt es von der Fähigkeit des Publikums ab, diese Geschichte zu begleiten. An dieser Geschichte hat micht die Illusion des Lebens gerührt. Und jedesmal wir dieser Illusion verfallen, jedesmal wenn wir glauben, zu wissen, worum es geht, kann ein Satz unser ganzes Leben auf den Kopf stellen. Ein Satz, der eine Illusion sein kann, eine Lüge. Und das macht diesen Text aus: Ein kurzer Satz kann das Leben einiger Menschen verändern. Das hat mich an diesem Text fasziniert: Er ähnelt uns selbst sehr. So wie wir sind, was wir tun und wieviel wir uns vormachen.“



Im Rahmen der Abschlusszeremonie des Theaterfestivals wurde unter anderem der Preis für Das Theater von morgen“ verliehen: Er ging an die Aufführung von Endstation Sehnsucht“ von Tennessee Williams, unter der Regie von Andrei und Andreea Grosu, eine Produktion von UNTEATRU in Bukarest. Die Begründung der Jury in diesem Fall: das originelle Bühnenbild, die einfallsreiche Nutzung des Raums und die sehr gelungene Umsetzung der Idee grö‎ßtmögliche Wirkung mit möglichst wenigen Mitteln“, das raffinierte und hochwertige Schauspiel, sowie die subtile Kunst, Beziehungen auf der Bühne zu schaffen. Das Nationale Theaterfestival wird jedes Jahr von dem Theaterverband UNITER organisiert.



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