Der Brâncoveanu-Stil in der rumänischen Baukunst
Am 9. August vor 300 Jahren wurde der walachische Fürst Constantin Brâncoveanu gemeinsam mit seinen Söhnen von den Türken hingerichtet. Zu Ehren des bedeutenden Herrschers wurde das Jahr 2014 zum Brâncoveanu-Jahr erklärt.
Luana Pleşea, 16.08.2014, 15:56
Von 1688 bis 1714 war Constantin Brâncoveanu Herrscher über die Walachei. Er war ein gebildeter Fürst und das sollte sich auf seine Vision über die Architekturplanung auswirken: Daraus entstand der gleichnamige Stil, erklärt Ruxanda Beldiman, Forscherin am Institut für Kunstgeschichte:
Constantin Brâncoveanu ist vor allen Dingen als Herrscher, großer Diplomat und feinfühliger Stratege bekannt, er war gleichzeitig auch eine Kulturpersönlichkeit, die sehr viel in Stiftungen investiert hat, sowohl aus seinem privaten Vermögen als auch aus den Staatskassen. Während dieser Zeit wurden sehr viele Kirchen, aber auch gleichermaßen Behausungen gebaut. Der Constantin-Brâncoveanu-Stil ist nicht aus dem Nichts heraus entstanden. Es gibt einige Vorgänger, ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert, zum Beispiel die Herrscherzeit von Matei Basarab und Şerban Cantacuzino, deren Architektur viel einfacher und schlichter ist. Der Brâncoveanu-Stil kann auch als Blumenstil bezeichnet werden, weil er sich irgendwo zwischen Renaissance-Floristik und Barock befindet. Es ist ein extrem reichhaltiger Stil. Dabei wird viel Wert auf eine Art Bühnenbild gelegt — alle Steinmetzarbeiten, alle Portale, Kapitelle und Säulen sind typische Elemente für die Brâncoveanu-Architektur.“
Eines der repräsentativsten Denkmäler für den Brâncoveanu-Stil ist das Kloster Hurezi, das seit 1993 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Schwester Ecaterina Olteanu ist eine der Fremdenführerinnen des Klosters.
Weil es seine erste Stiftung war, wollte Fürst Constantin Brâncoveanu etwas Besonderes verwirklichen. Deshalb hat er für die Arbeiten Menschen mit künstlerischen Talenten, mit theologischen Kenntnissen, mit der Berufung zum Seelsorger hierhergebracht. Dann hat er eine Schule für Maler, Bildhauer und Architekten gegründet. Und mit der Errichtung des Klosters ist der Baustil entstanden, der seinen Namen trägt: der Brâncoveanu-Stil, auch als rumänische Renaissance gehandelt. Typisch für diese Architektur sind die langen Laubengänge, die einerseits traditionelle Merkmale aufweisen — die Bauernhäuser in Rumänien hatten die als ‚prispă‘ bezeichneten Verandas. Andererseits sind auch westliche Einflüsse zu spüren, die etwa von den italienischen Loggien stammen. Wenn die Prispa eher klein war, sind diese Laubengänge rund um das Gebäude angelegt und stützen sich auf Säulen, die durch Bögen miteinander verbunden sind. Ebenfalls neu ist auch das Gewölbe, auf dem sich gotische und romanische Elemente miteinander vermischen. Über den Pforten und Fenstern sticht der Kielbogen hervor, ein westliches Element. Einflüsse des Barocks sind ebenfalls sichtbar, an den Fensterelementen und den Pavillons, die sich auf geschnitzten Säulen stützen.“
Der Brâncoveanu-Stil ist auch in der Holzbildhauerei und der Malerei vertreten. Schwester Ecaterina Olteanu beschreibt die Malerei im Kloster Hurezi:
Es ist in der Tat ein byzantinischer Einfluss, aber die vorhandenen Porträts stellen den Unterschied zur byzantinischen Kunst dar. Nicht einmal die Heiligenbilder sind mehr statisch, es treten äußere Erscheinungsbilder auf, Ausdrucksstärke. Eine ganze Galerie laizistischer Porträts gibt es hier — nicht nur das Votivbild, sondern der gesamte Brâncoveanu-Stamm. Wir dürfen die Chromatik nicht vergessen, die typisch für diesen Stil ist.“
Außer den Kirchen gibt es auch andere Bauten, die repräsentativ sind für den Brâncoveanu-Stil, etwa das Mogoşoaia-Schloss. Darüber weiß die Forscherin Ruxanda Beldiman mehr:
Das Schloss Mogoşoaia ist eine private Residenz, die Constantin Brâncoveanu am Stadtrand von Bukarest für sich erbauen ließ. Um die Stadtmitte zu erreichen, muss man vom Schloss entlang des ersten Bukaresters Boulevards gehen — der 1692 gebauten Calea Victoriei (Siegesstraße). Das Schloss ist wirklich ein Schlüssel für den Brâncoveanu-Stil. Und überhaupt haben während seiner Zeit alle Sommerresidenzen ein beeindruckendes Erscheinungsbild. Das Schloss befindet sich inmitten der Anlage, es ist von Gärten umgeben. Dafür wurden italienische Gärtner beauftragt, die die Grünanlagen pflegen sollten. Für den Bau der Schlösser wurden Baumeister aus Italien beauftragt. Die Loggien oder Pavillons hier sind sehr wichtige Elemente für die Architektur des Schlosses — sie sind wie eine Architektur für sich. Und die Wände sind innen mit Blumenelementen orientalischer Inspiration bemalt. Und da wäre natürlich noch die sehr reiche Steinmetzarbeit an den Außenwänden und Säulen.“
Außer dem Kloster Hurezi und dem Schloss Mogoşoaia werden noch viele weitere Bauten mit dem Namen des Herrschers Constantin Brâncoveanu in Verbindung gebracht, weiß Ruxanda Beldiman.
Brâncoveanu hat zum einen aus eigener Initiative mehrere Kirchen gestiftet — das Kloster in Hurezi, die Klosterkirche Surpatele und die Frauenkirche, das sind die Stiftungen der Woiwodin Maria, der Ehefrau von Constantin Brâncoveanu, bzw. das Kloster Sâmbăta de Sus in Siebenbürgen, denn die walachischen Fürsten hatten auch dort Besitztümer. Gleichermaßen ließ er auch alte Stiftungen seiner Verwandtschaft restaurieren, davon würde ich das Kloster in Brâncoveni in Oltenien (in der Kleinen Walachei) erwähnen. Während dieser Zeit werden auch andere Würdenträger auf dem Gebiet intensiv tätig. Der Schwertträger Mihail Cantacuzino, der mit Brâncoveanu verwandt war, ist der Stifter der Colţea-Kirche in Bukarest, ein klassisches Beispiel der Architektur des Fürsten, und auch der kleinen Kirche des Klosters Sinaia. Cantacuzino stiftete auch die Kirche Fundenii Doamnei, ein sehr interessantes Beispiel raffinierter Außendekoration, die nicht nur auf das Eingangsportal oder die Säulen des Laubengangs beschränkt ist, sondern auf allen Fassaden zu bewundern ist.“
Als Rumänien um die Jahrhundertwende auf der Suche nach einer nationalen Identität war, zählte der Brâncoveanu-Stil zu den wichtigsten Bezugspunkten. Laut Frau Beldiman kann dieser nach wie vor als Baustil oder als Ausnahmemoment in der Entwicklung der Architektur angesehen werden.
Audiobeitrag hören: