Das Internationale Literaturfestival FILB 2013 in Bukarest
FILB 2013 ermöglichte den Literatur-Liebhabern aus Rumäniens Hauptstadt Begegnungen mit wichtigen Namen der zeitgenössischen Literatur aus Großbritannien, Israel, Kroatien, Ungarn, Serbien, Jamaika und Rumänien.
Corina Sabău, 28.12.2013, 15:44
An einem der ersten Dezemberabende begann im sogen. Bukarester Bauernclub, der Kulturkneipe des Bauernmuseums, das Internationale Literatur-Festival. Und es ging los mit dem Roman der israelischen Schrifstellerin Zeruya Shalev, Mann und Frau“, der beim Polirom-Verlag in rumänischer Übersetzung erschienen ist. Die bereits nach ihrem Debütroman ‚Liebesleben‘ international anerkannte israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev bietet uns in ‚Mann und Frau‘ eine Meditation über die Eifersucht, den Schmerz und das Aufgeben, von einer bemerkenswerten poetischen Kraft geprägt“, heißt es in der Rezension des Library Journal. Auch Publishers Weekly hebt die schriftstellerische Leistung von Zeruya Shalev hervor: Der Roman von Zeruya Shalev ist ein ununterbrochener Gewissensfluss, in dem Gesprächsfragmente, Ehestreits und Liebesgeflüster widergegeben werden.“
Shalev zählte nebst ihrem Lands- und Ehemann Eyal Megged und dem rumänischen Schrifststeller-Ehepaar Cecilia Ştefănescu und Florin Iaru zu den vier Gästen des Literatur-Festivals in Bukarest. Eine der zentralen Fragen, die ihnen gestellt wurden, war, warum das Unglück eher kreatives Potential birgt als das Glück. Moderatoren der Diskussion waren die Schrifstellerin Adela Greceanu und der Journalist Matei Martin.
Um auf Shalevs Roman Mann und Frau“ zurückzukommen: Die Hauptfiguren Udi und Naama sind zwei Menschen, die miteinander groß werden. Allerdings kommt es entlang dieses lebenslangen Weges zu einem Bruch in der Kommunikation. Der gemeinsame Alltag neben der Tochter Noga teilt sich in Eifersucht, Wut und Schuld auf. Langsam wird klar, dass die Ehe auf einer sehr zerbrechlichen Grundlage aufgebaut ist; das Bild der jugendlichen Idylle war nichts anderes als die trügerische Hülle eines unerfüllten Familienlebens. Zeruya Shalev erklärte dem Publikum, warum ihr das Unglück beim Schreiben mehr Potential zum Ausschöpfen bietet als das Glück:
Das Unglück ist kreativer als das Glück. Das Unglück motiviert uns, es löst Veränderungen aus, es bringt die Dinge in Bewegung. Das ist der Grund, warum ich in vielen meiner Bücher von Krisen erzähle. Aber die Krise ist nur der Anfang. Was sie danach auslöst, ist wichtig, nach einer Krise hast du die Möglichkeit, dich zu verändern, dich zu erholen. Eines meiner Ziele als Schriftstellerin ist es, die Charaktere nicht auf ihrem Weg ins Glück zu begleiten, sondern auf dem Weg zu einer positiven Veränderung.“
Eyal Megged ist Journalist, Dichter und Prosaautor, Professor für kreatives Schreiben, Träger mehrerer bedeutender Literaturpreise, darunter des Macmillan Prize. In der Bukarester Debatte vertrat er einen anderen Standpunkt als seine Ehefrau.
Ich glaube nicht, dass das Unglück der Inspiration nützt. Wenn ich unglücklich bin, schreibe ich kaum. Das schönste Kompliment, das mir jemals gemacht wurde, stammte von einer krebskranken Leserin meines letzten Bandes ‚End of the Body‘. Sie schrieb mir, dass sie nach dem Lesen des Buches die Motivation fand, um weiterzuleben. Das bedeutet, dass man manchmal, wenn man eine unglückliche Situation beschreibt, dem Leser nicht Schmerz, sondern Glück vermittelt.“
Die rumänische Schriftstellerin Cecilia Ştefănescu hatte wiederum eine eigene Antwort auf die heikle Frage. In ihren Büchern begegnet man scheinbar öfter dem Unglück als dem Glück.
Dramatische Situationen schaffen Konflikte und uns bereitet es Freude, an diesen Konflikten teilzuhaben. Unglückliche Situationen bewegen einen dazu, die Maske runterzureißen und irgendwie aus sich selbst rauszugehen. Manchmal ist man lächerlich, man ist sauer auf sich selbst, meistens versucht man hilflos, jenen Glücksmoment wiederzufinden. Ich habe nicht all meine Illusionen aufgegeben. Aber die Illusion, dass das Glück anhält, musste ich aufgeben. Das Glück ist eine Momentaufnahme, es hält nicht an. Wir würden ungesund, wir würden schrecklich darunter leiden, ständig glücklich zu sein.“
Ștefănescus Ehemann, Florin Iaru, teilt dieselbe Ansicht. Beim Schreiben ist das Unglück viel produktiver als das Glück, meint er.
Es ist eine Sache der Grammatik. In der Grammatik ist das Glück begrenzt, es hat nur Adjektive, nur Eigenschaften. Aber wir suchen unser Glück trotz absolut aller Gegebenheiten. Nichtsdestotrotz, und hier beziehe ich mich vor allem auf die Literatur, ist das Glück statisch, es trägt keine Konflikte, also kann es keinen dramatischen Kern entwickeln. Zweitens konsümieren die Leser Unglück, und das freut sie, das befriedigt sie aus ästhetischer Sicht. Wenn das Publikum das Unglück in Büchern sucht, ist das sehr rentabel, und wir, die Autoren, wissen das sehr wohl.“
Nachdem jeder der anwesenden Schriftsteller für eine der Varianten argumentierte, wurde die Debatte mit ebenso interessanten Fragen fortgesetzt. Welche Vorteile bringt eine Ehe zwischen Schriftstellern? Welchen Anteil haben das Verständnis, der Wettbewerb oder der Neid an einer Beziehung zwischen zwei Menschen, die schreiben? Welche Traumen kann die Literatur in einer Ehe verursachen? Das Internationale Literatur-Festival in Bukarest (FILB 2013) ermöglichte den Literatur-Liebhabern aus Rumäniens Hauptstadt Begegnungen mit wichtigen Namen der zeitgenössischen Literatur aus Großbritannien, Israel, Kroatien, Ungarn, Serbien, Jamaika und Rumänien.
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