Das Dokumentarfilm-Festival „One World Romania 2014“
Vom 17. bis 23. März läuft in Bukarest die 7. Auflage des Dokumentarfilmfestivals One World Romania“ zum Thema Menschenrechte. Insgesamt werden 50 Streifen vorgeführt.
Corina Sabău, 22.03.2014, 16:02
Vom 17. bis 23. März läuft in Bukarest die 7. Auflage des Dokumentarfilmfestivals One World Romania“ zum Thema Menschenrechte. Insgesamt werden 50 Streifen vorgeführt; auf dem Programm stehen Sonderfilmvorführungen, Matineen für Gymnasialschüler, ein Dokumentarfilm-Workshop, Theateraufführungen, Rundtischgespräche, ein Meisterkurs des polnischen Filmregisseurs Marcel Łoziński und sogar eine spezielle Rundfahrt durch die Bukarester Stadtmitte. Die 5 Hauptsektionen dieses Jahres sind: 25 Jahre später“, …denn sie wissen, was sie tun“, Der Schiefstaat“, Liebe ist auch ein Menschenrecht“ und Die Massenmedienklinik“. Alina Brădeanu ist Doc-West-Forscherin an der Westminster-Universität in Großbritannien und zusammen mit dem Festivaldirektor, Alexandru Solomon, war sie dieses Jahr für die Auswahl der Dokumentarfilme zuständig:
Die Art und Weise, wie wir die Filme für dieses Festival auswählen, hängt stark von dem ab, was in der Gesellschaft und in der Politik geschieht, in Rumänien und in der ganzen Welt. Wir haben zum Beispiel beschlossen, eine Sektion zu haben, die auf die Medien fokussiert, mit dem Zweck, die Entwicklung der rumänischen Medien in den letzten Jahren zu verfolgen. Es geht dabei vor allem um den Versuch der Medienmogule, die geschriebene und die gesprochene Information, mit einem Wort die Kommunikation im heutigen Rumänien zu kontrollieren. Das starke Bedürfnis nach einer rumänischen Presse, die keinen privaten Interessen dient, hat uns dazu angespornt, ein Sonderprogramm für die Massenmedien ins Leben zu rufen.“
In der Sektion 25 Jahre später“ laufen 6 neue Dokumentationen über die kommunistische Zeit, aber auch 5 rumänische Kurzdokumentationen, die in der Zeit 1963-1983 vom Sahia-Studio gedreht wurden. Die Sektion mit dem Titel …denn sie wissen, was sie tun“ bringt mehrere Beispiele von unkonventionellem Aktivismus aus dem ex-sowjetischen Raum vor die Augen der jüngst revoltierten Bukarester; ergänzt werden diese Beispiele mit zwei rumänischen Dokumentarfilmen in Erstaufführung, die das Bild des gegenwärtigen Aktivismus zeichnen: Der rumänische Herbst“, in der Regie von Matei Budeş, und Bukarest, wo bist du?“, von Vlad Petri.
Vlad Petri dokumentierte die sozialen Bewegungen von 2012 und 2013 in Bukarest, indem er regelmäßig Aufnahmen und Bilder von den jeweiligen Ereignissen im Internet veröffentlichte. Die Hauptanliegen von Vlad Petri sind einerseits die Investigation der unmittelbaren, personenbezogenen Realität und andererseits die Sondierung der sozialen Umwälzungen an denen er teilnimmt. Am meisten interessiert mich der Platz, die Piazza, als öffentlicher Raum für Debatten, Vorschläge, Proteste. Mich interessiert, wie sich der Platz verwandelt, was für einen sozialen Impakt er hat. Mich interessieren die Menschen auf der Piazza, ihre Formulierungen, die Art und Weise, wie sie ihre Botschaften artikulieren und weitergeben. Ich habe mir vorgenommen, so oft wie möglich auf die Piazza zu gehen und meine Dokumentationen ausschließlich durch die Online-Medien an das Publikum zu bringen, in dem Versuch, mit der Dynamik der Ereignisse Schritt zu halten“, sagt der Regisseur Vlad Petri. Aus diesem Interesse für die Piazza als öffentlichen Raum für Debatten“ entstand auch die Dokumentation Bucureşti, unde eşti?“ (Bukarest, wo bist du?“), die auch für das Internationale Filmfestival von Rotterdam ausgewählt wurde. Vlad Petri dazu:
Insgesamt hatte ich etwa 50-60 Stunden Filmaufnahmen; davon wählte ich das Wichtigste aus und der fertige Film wurde 80 Minuten lang. Es war sehr schwer, diese Auswahl zu treffen, man bereut immer, daß man auf vieles verzichten muß, daß man nur einen Teil der Aufnahmen zeigen kann. Aber in diesen 80 Minuten versuchten wir, eine strukturierte und umfassende Geschichte über die Ereignisse auf der Straße zu erzählen. Ferner versuchten wir, dem aufgenommenen Filmmaterial treu zu bleiben, so daß die Aufnahmen selbst die Entwicklung der Geschichte aufdecken; wir wollten nicht intervenieren, wir wollten die Zuschauer nicht in eine bestimmte Richtung führen. Für uns war es eine Zeit der Recherche und der Entdeckung — als wir die Dokumentation zusammengeschnitten haben, zeigten sich uns die Ereignisse aus einer neuen Perspektive.“
Der rumänische Herbst“, ein Dokumentarfilm von Matei Budeş, der in der Sektion …denn sie wissen, was sie tun“ präsentiert wurde, ist eine diskrete Hommage an die Rumänen, die im Herbst 2013 auf die Straße gegangen waren, um gegen das Bergbauprojekt Roşia Montană zu protestieren, eine Würdigung ihres Ziels und ihrer schwer erprobten Standhaftigkeit. Dazu der Regisseur Matei Budeş:
Ich wollte keine komplette Studie, kein Röntgenbild der Proteste und der darauffolgenden Ereignisse vom vorigen Herbst präsentieren. Mein Film ist eher eine Mischung von mehreren Tendenzen und Momenten, die schon von Anfang an deutlich wurden — es ging um das Bedürfnis, Debatten zu führen, sich besser zu organisieren. Ich würde sagen, daß mein Film aus einer Serie von Momenten in den Monaten September und Oktober 2013 zusammengefügt ist. Ich muß schon gestehen, daß mir, wie auch vieler meiner Mitbürger, die Zivilcourage nicht angeboren ist. Aber ich habe mit verschiedenen Menschen Kontakt aufgenommen, die sich an den Protestdemonstrationen beteiligt und mich mit Zivilcourage so zu sagen ‚kontaminiert‘ haben. Egal wie ich erzogen wurde, wie ich mich bisher verhalten hatte, wurde ich durch die Begegnung mit diesen Menschen wie verwandelt, ich wurde viel aufmerksamer auf die Welt, die mich umgibt, ich spürte den Drang, mich mehr einzusetzen. Ja, ich kann schon sagen, daß man sich mit Zivilcourage anstecken muß. Selbstverständlich wäre ich nicht so daran interessiert gewesen, einen Film zu drehen, wenn ich mit den protestierenden Menschen nicht gesprochen hätte. Darüber hinaus bin ich in Bârlad geboren, einer Ortschaft in der Nähe von Pungeşti, wo die stärksten Proteste gegen den Schiefergasabbau stattgefunden haben, und mußte die Ereignisse sehr aufmerksam verfolgen.“
Die Retrospektive One World Romania 2014“ wurde dem polnischen Regisseur Marcel Łoziński gewidmet. Unter dem Titel Marcel Łoziński — Meister des Zufalls“ wurden 10 Dokumentationen des Meisters aus Polen vorgeführt: Happy End“, Der Besuch“, Frontalkollision“, Mikrofonprobe“, Praktische Übungen“, 89 mm von Europa entfernt“, So macht man das“, Vater und Sohn auf der Reise“, Es kann alles geschehen“ und Damit es nicht wehtut“.
In seiner 40jährigen Karriere stellte sich Łoziński nicht nur als einer der innovativsten Regisseure seiner Zeit heraus, sondern auch als einer der wichtigsten Kritiker der kommunistischen Gesellschaft. Viele seiner Kurzfilme sprechen über die Diskrepanz zwischen der Wirklichkeit und den offiziellen Parolen, über den Einfluß der Medien als Indoktrinationsinstrument, über Lüge und Kompromiss. Das blieb aber nicht ohne Folgen — von den 12 Filmen, die er zwischen 1972 und 1980 drehte, wurden seinerzeit nur 4 vorgeführt. Der jüngste Film des polnischen Regisseurs, Vater und Sohn auf der Reise“ ist ein road movie, in dem Marcel Łoziński und sein Sohn, selbst Filmregisseur, mit einem Wohnwagen durch Europa reisen.
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