Bildende Künstler in Kronstadt und Hermannstadt
Monumentalskulpturen und Glasbläserei gehören schon lange zu den traditionellen Kunstrichtungen in Rumänien. Heute stellen wir Ihnen einige bildende Künstler aus den südsiebenbürgischen Städten Kronstadt und Hermannstadt vor.
Roxana Iorgulescu Bandrabur, 11.07.2015, 17:45
Nicolae Daicu, der Vorsitzende des Künstlerverbands in Braşov/Kronstadt, kann mit Stolz auf viele persönliche und Gruppenausstellungen in Rumänien und im Ausland zurückblicken. 1971, nach seinem Abitur beim Kunstgymnasium in Braşov, entschied sich Nicolae Daicu für die Bildhauerei und studierte diese Kunstrichtung beim Institut für Schöne und Dekorative Künste in Cluj/Klausenburg. Schon als Student hatte er seine erste Ausstellung. Als Lehrer am Kunstgymnasium in Braşov glaubt Nicolae Daicu an den erzieherischen Wert der schönen Künste:
Seit 38 Jahren unterrichte ich in dieser Schule und während all dieser Jahre hatte ich nie Langeweile, denn unter jungen Menschen bleibt man selber jung. Leider gibt es viele jüngere Kollegen, die nach nur einem Jahr ihre Karriere als Lehrer aufgeben mussten, weil es nicht genügend Arbeitsstellen gibt. Auch wenn ich auf Bildhauerei spezialisiert bin, kann ich doch sagen, dass ich oft genug die Bildhauerei beiseite lasse, weil ich sehr viel Zeit mit meinen Schülern verbringe — ich rede mit ihnen und übernehme oft die Rolle der Eltern oder anderer Lehrer. Bei einer Umfrage vor zwei Jahren wurde ich von meinen Schülern, von meinen Kindern zum Lehrer des Jahres erklärt. Ich war sehr froh darüber, und es wurde mir klar, dass die Kinder mich auserwählt haben, weil wir sehr viel diskutieren und weil ich versuche, Antworten auf ihre verschiedensten Fragen zu finden. Bei diesen Gesprächen setzen wir unsere Gedankenfreiheit ein und auf diese Weise können wir in Gedanken um die ganze Welt reisen. Ich habe auch körperbehinderte Schüler, die im Rollstuhl in die Schule kommen — ich finde es ganz großartig, dass sie ihre Behinderung überwunden haben. Ich habe auch einen Schüler mit Down-Syndrom, aber die anderen Kinder haben ihn sofort akzeptiert. Sie haben ihn umarmt, in ihrer Gruppe integriert, sie machen gar keinen Unterschied.“
Seit 13 Jahren ist Nicolae Daicu Vorsitzender des Künstlerverbandes Braşov. Der 1946 von einer Gruppe Kronstädter Künstler gegründete Verband ist die älteste Organisation dieser Art in Rumänien. Nicolae Daicu dazu:
Ich weiß nicht, wer wen adoptiert hat, aber die Stadt Braşov und ich leben in einer Symbiose, die uns beiden sehr gut tut. Vor 5 Jahren versuchte ich, ein Museum der Gegenwartskunst in Braşov zu gründen, das auf Schenkungen der Künstler basieren sollte. Inzwischen haben wir mehr als 340 Werke gesammelt, aber wir haben leider noch kein Gebäude, obwohl ich bei den Kommunalbehörden einen Antrag in diesem Sinne gestellt hatte. Deshalb habe ich vor, es als virtuelles Museum im Internet zu eröffnen. Über meine künstlerische Aktivität kann ich schlicht und einfach das sagen: Glauben Sie ja nicht, dass ein Künstler einfach so sitzt, einen Kaffee trinkt und plötzlich trifft ihn aus heiterem Himmel die Inspiration. Die Inspiration muss immer wieder provoziert werden, und das kann nur geschehen, indem man arbeitet. Ich arbeite mit Bronze, im Wachsausschmelzverfahren (auch verlorenes Wachs genannt), und das war und ist immer noch eine richtige Herausforderung. Zurzeit denke ich über ein anderes Verfahren nach, das dem verlorenen Wachs ähnelt, aber eben kein Wachs verwendet.“
Nicolae Daicu hat 18 Monumentalskulpturen entworfen, die in mehreren rumänischen Städten stehen. Eine davon ist eine Darstellung des Metropoliten Andrei Şaguna, die vor dem gleichnamigen Gymnasium in Braşov steht. Ein weiteres Werk ist die Zeitsäule“, eine 8 Meter hohe Monumentalplastik in der Ortschaft Prejmer/Tartlau, wo 1994 ein Künstler-Workshop stattgefunden hat. Ein weiteres wichtiges Werk von Nicolae Daicu ist die Figur Avram Iancus vor den Metrom-Werken. Der 25. April 2005, als in Luxemburg der Vertrag über den EU-Beitritt Rumäniens unterzeichnet wurde, war ein ganz besonderer Tag für Nicolae Daicu — damals hat der Kronstädter Künstler einige seiner repräsentativsten Werke ausgestellt. Eine dieser Skulpturen, eine Büste des rumänischen Dichters Mihai Eminescu, schenkte der Künstler den Organisatoren der Ausstellung.
Mein ganzes Leben ist mit dem Glasblasen verbunden. Mein Vater war auch Glasbläser. In der Nähe meines Heimatdorfes, nicht weit von Satu Mare entfernt, befand sich die Glasbläserei Poiana Codrului, die älteste Glasbläserei in Rumänien. Schon als Kind sah ich dort die Glasbläser arbeiten und ich war wie verzaubert. Heute noch bin ich überzeugt, dass ein Glasbläser nicht bloß ein Arbeiter, sondern auch ein Künstler ist. Ich habe praktisch von Null angefangen“, erzählte Ion Tămâian, Direktor der Werkstatt Ion Art Glass in Şelimbăr/Schellenberg, Landkreis Sibiu, und Vorsitzender des Künstlerverbandes Sibiu/Hermannstadt. In der Werkstatt Ion Art Glass werden künstlerisch gestaltete Gegenstände für den täglichen Gebrauch hergestellt (Gläser, Vasen, Schüssel, Parfümfläschchen, Lampen). Hier kann der Künstler seine Ideen verwirklichen. Ion Tămâian:
Man kann alles Mögliche herstellen, und wir versuchen, der ursprünglichen Idee so nahe zu kommen wie nur möglich. Selbstverständlich werden uns während der Arbeit auch die Schwierigkeiten bewusst, und wir versuchen, diese Schwierigkeiten mit der entsprechenden Technik zu beseitigen. Ansonsten würde ich sagen, dass es nichts gibt, was wir nicht schaffen können. Die Glasblasentechnik hat auch ihre Grenzen, aber als guter Glasbläser, inspirierter Künstler und guter Techniker kann man alles herstellen. Man findet immer die richtige Lösung, um den Gegenstand zu gestalten, den man sich ausgedacht hat. Es kommen auch viele Menschen zu mir, die sich einen bestimmten Gegenstand wünschen, manchmal haben sie auch Skizzen dabei, oder wir zeichnen ihn zusammen. Wir diskutieren, wir tauschen Ideen aus, und wir versuchen, einen originellen Gegenstand herzustellen.“
Das teuerste Kunstwerk, das aus dem Atelier Ion Art Glass gekommen ist, trug den Titel Portal“, hatte einen Wert von 35.000 US-Dollar und wurde einem Privatsammler aus den USA verkauft. Einmal wurden sogar im Weißen Haus einige Weihnachtskugeln aufgehängt, die vom Atelier Ion Art Glass in Şelimbăr stammten. Ion Tămâian:
In unserem Atelier findet man sowohl Gebrauchsgegenstände als auch Kunstwerke. Touristen aus der ganzen Welt kommen zu uns, um die Werke zu besichtigen — durch die Teilnahme an internationalen Ausstellungen ist Ion Art Glass weltweit bekannt geworden. Wir führen unsere Besucher auch durch die Werkstatt, damit sie sehen und verstehen können, wie ein Glasgenstand entsteht. Alles ist interaktiv, die Gäste modellieren auch selbst und haben viel Spaß daran. Der Export war unsere Chance, wir hatten Ausstellungen in verschiedenen Ländern — in den USA, in China, in Skandinavien, in Brasilien. Am wichtigsten ist aber, die Standards hoch zu halten, um Kunstwerke verkaufen zu können. Wir beteiligen uns an internationalen Kunstmessen und bleiben in Verbindung mit wichtigen Kunstgalerien.“
Deutsch von Daniela Cîrjan