Weltraumschrott: Trümmerwolke in der Erdumlaufbahn soll entsorgt werden
Die Europäische Weltraumagentur (ESA) hat Ende letzten Jahres einen ersten Schritt zur Säuberung des Weltraums unternommen – dazu unterzeichnete sie einen Vertrag mit dem Schweizer Start-up-Unternehmen ClearSpace.
Corina Cristea, 14.05.2021, 17:30
Es ist eine kommerzielle Mission mit einem Gesamtbudget von 100 Millionen Euro. 86 Millionen Euro davon werden von der ESA investiert. Die Mission soll 2025 stattfinden und wird Teilstücke der europäischen Vega-Trägerrakete einsammeln. Im Herbst war eine Vega-Rakete nach einem technischen Problem ins Meer gestürzt, zwei Satelliten gingen dabei verloren. Schon in der Vergangenheit gab es Versuche, Weltraummüll aus der Bahn eines aktiven Satelliten zu entfernen. Diese wird die erste Mission sein, bei der ein Reinigungs-Satellit direkt echten Trümmerschutt entfernt.
Das Thema Weltraumschrott ist ein dringendes Thema — Hunderttausende Trümmerteile umkreisen die Erde, und wenn sie nicht entfernt werden, können künftige Generationen möglicherweise keine Telekommunikations- oder Wettervorhersage-Satelliten mehr starten. Jeden Tag werden mehr und mehr Satelliten gestartet, und das Problem ist, dass sie, wenn sie nicht mehr funktionieren, Gefahr laufen, aufeinanderzuprallen, erklären die Ingenieure von Airbus Defence and Space. Wenn sie kollidieren, entstehen riesige Mengen an Weltraummüll, der wiederum Schäden verursachen kann.
Deshalb ist die Bergung der größten Trümmerteile ein Notfall für die Raumfahrtbehörden. Nach etwa sechs Jahrzehnten Weltraumtätigkeit und mehr als 5.500 Weltraumstarts treiben schätzungsweise etwa 23.000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als 10 Zentimetern um die Erde, die eine Trümmerwolke bilden: ehemalige Raketen, Raumschiffsteile, Satellitenteile, die nach verschiedenen Explosionen in der Umlaufbahn zurückgeblieben sind, sogar ganze Satelliten am Ende ihres Lebenszyklus. Bei Fragmenten, die größer als 1 cm sind, geht die Zahl sogar in die Hunderttausende. Es gibt alle Arten von Objekten im All, sogar einen Schraubenzieher, der von einem Astronauten fallen gelassen wurde“, sagt Luisa Innocenti, Leiterin des ESA-Büros CleanSpace, und erklärt:
Dieser Schrott umkreist die Erde mit hoher Geschwindigkeit, was eine hohe Kollisionsgefahr in sich birgt. Dieser kann nicht nur operative Satelliten und deren Dienste (Wetter-, Ortungs-, Erdbeobachtungsdienste) zerstören, sondern auch neue Trümmer erzeugen und somit eine Kettenreaktion auslösen — das sogenannte Kessler-Syndrom.“
Irina Ștefănescu, wissenschaftliche Mitarbeiterin der rumänischen Raumfahrtbehörde, sprach bei Radio Rumänien über die Gefahren des Weltraumschrotts für aktive Satelliten, für die internationalen Raumstationen und die möglichen Folgen für jeden von uns. Rumänien ist seit 2018 Teil eines Konsortiums europäischer Länder, die zusammenarbeiten, um Weltraummüll und Satelliten zu beobachten. Irina Ștefănescu:
Für normale Menschen können sie ein Risiko darstellen — durch die Auswirkungen, die sie beispielsweise auf Telekommunikationssatelliten haben. Die Fernsehübertragung kann unterbrochen werden, die Mobiltelefonnetze, von denen wir alle so abhängig geworden sind, können ernsthaft gestört werden. Ein solches Objekt, selbst ein winziges, bewegt sich mit sehr hoher Geschwindigkeit durch den Raum, mit Tausenden von Kilometern pro Sekunde. Das bedeutet, dass dieser Schrot eine sehr lange Strecke in einer sehr kurzen Zeit zurücklegen kann. Deshalb hat er auch eine sehr hohe kinetische Energie, sodass er problemlos jedes von Menschenhand geschaffene Objekt zerstören kann, das gerade im Einsatz ist. Und ich denke dabei nicht nur an die Satelliten, sondern zum Beispiel auch an die Internationale Raumstation, wo sich Astronauten an Bord befinden, ein solches Ereignis könnte Menschenleben gefährden.“
Die ClearSpace-Mission ist schwierig: Das neue Gerät muss zunächst die Bewegung der Teilstücke beobachten — was von der Erde aus nicht möglich ist — und dann in der Lage sein, ihn mit seinen vier Roboterarmen einzufangen. Einmal eingefangen, wird das Teilstück zusammen mit dem Reinigungs-Satelliten aus der Umlaufbahn geschleudert und zerfällt in der Atmosphäre. Wichtig ist, dass das Teilstück vom ClearSpace-Satelliten eingefangen wird und dabei nicht dessen Roboterarme zerstört, was weiteren Weltraummüll erzeugen würde. In Zukunft wollen die ClearSpace-Ingenieure noch größere Trümmer aus der Umlaufbahn entfernen.
Laut Rolf Densing, dem Einsatzleiter der ESA, wird das Problem des Weltraummülls mit dem geplanten Start von Zehntausenden Kleinsatelliten durch SpaceX, OneWeb und Blue Origin noch schlimmer. Nochmals die Forscherin Irina Ștefănescu:
Da der Weltraum von immer mehr Objekten umkreist wird — nehmen wir nur das Beispiel der von Elon Musks Firma gestarteten Satelliten — wächst die Gefahr exponentiell. Man muss die Umlaufbahnen sehr gut kennen und man muss sie verfolgen und Korrekturen vornehmen, denn auch wenn wir uns vorstellen, dass diese Objekte in einer Umlaufbahn, egal welcher Art, um die Erde kreisen, wird diese in Wirklichkeit abgelenkt und es müssen Korrekturen vorgenommen werden, und das ist die Aufgabe der Kontrollzentren, der Kommandozentralen auf der Erde.“
Das Europäische Raumfahrtkontrollzentrum erhält täglich Hunderte von Kollisionswarnungen. Auf diese Warnungen folgen Vermeidungsmaßnahmen, die jedoch sehr kostspielig sind und zu Unterbrechungen der Satellitendienste für mehrere Tage führen können.
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