Wahljahr 2016: Politszene aufgemischt?
2016 ist in Rumänien ein Wahljahr. Im Juni werden Kommunalwahlen und im Herbst Parlamentswahlen stattfinden. Korruptionsskandale spielen zwar eine Rolle, doch das derzeitige System bevorteilt eher die etablierten Parteien.
Corina Cristea, 15.04.2016, 17:57
Zum dritten Mal in der postkommunistischen Geschichte Rumäniens werden die Wahlen von einer sogenannten Technokraten-Regierung organisiert. Darunter versteht man in Rumänien eine Regierung, die überwiegend aus parteifreien Ministern mit Erfahrung in bestimmten Bereichen besteht. Die Exekutive unter der Leitung von Dacian Cioloș, die im Parlament von den zwei großen Parteien, der Sozialdemokratischen Partei (PSD) und der National-Liberalen Partei, im Amt bestätigt wurde, hat unter anderem den Auftrag, korrekte Wahlen zu organisieren.
Für die Kommunalwahlen vom 5. Juni können sich die Kandidaten jetzt schon anmelden. Am 4. Mai sollen die Kandidaten offiziell bekannt gegeben werden. Vor vier Jahren hat das Zentrale Wahlbüro die Teilnahme von 82 Parteien und Allianzen bestätigt, jetzt ist die Zahl auf 126 gestiegen. Im Rennen sind die bekannten politischen Parteien — die Sozialdemokratische Partei (PSD), die National-Liberale Partei (PNL), der Ungarnverband (UDMR), die Union der Liberalen und Demokraten (ALDE), die Union für den Fortschritt Rumäniens (UNPR), die Volksbewegung (PMP), aber auch neugegründete Parteien. Laut dem neuen Parteiengesetz von 2015 können mindestens 3 Personen eine Partei gründen. Wie die rumänische Politbühne vor diesen Wahlen ausschaut, berichtet der Politikwissenschaftler Cristian Pârvulescu:
Die Situation ist verworren. In erster Reihe wegen der Korruptionsskandale. Die Lage könnte sich ändern, aber die Tatsache, dass zum Beispiel ein Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters wie Ludovic Orban infolge eines Korruptionsskandals auf das Rennen verzichtet, kann das nur bestätigen. Das wird bei den Parteien für viel Ärger sorgen. Das Wahlsystem der Kommunalwahlen bevorzugt die großen Parteien und die Kandidaten, die schon im Amt sind. Nichtsdestotrotz gibt es viel Ungewissheit. Zum einen liegt es an der Fähigkeit der Parteien, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren, zum anderen an der Reaktion der Gesellschaft, der Wähler. Wird die Wahlbeteiligung groß sein? Werden diejenigen, die den Politikern Vorwürfe zu machen haben, sich an den Wahlen beteiligen? Werden diese für kleine neugegründete Parteien stimmen? Das sind Fragen, die wir im Moment nicht beantworten können, das zeigt wie verworren die Politik in Rumänien derzeit ist.“
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSCOP würden mehr als 90% der Rumänen keine Person zum Bürgermeister wählen, gegen welche ermittelt wird oder welche wegen Korruptionsdelikten verurteilt wurde. 88% der Befragten waren der Meinung, dass rechtskräftig verurteilte Personen des öffentlichen Lebens nie mehr ein öffentliches Amt bekleiden sollten. Könnte das bedeuten, dass sich die Mentalität des rumänischen Wählers geändert hat? Cristian Pârvulescu dazu:
Das können wir nicht voraussagen. Wir müssen in erster Reihe sehen, was bei den Wahlen geschehen wird. Die Bürgermeister, die im Amt sind, haben den Vorteil. Natürlich ist die Antikorruptionsbehörde DNA ein wichtiger Akteur, der zahlreiche Bürgermeister aus dem Rennen beseitigt hat. Dadurch wurde der Wahlkampf in sehr vielen Ortschaften Rumäniens wiederbelebt — in Bukarest, in Constanţa, in Jassy, in Ploieşti, in Kronstadt –, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Bürger haben die Wahl, es hängt von ihnen ab. Wir werden erst am 6. Juni sehen, ob diese wirklich entschlossen sind, durchzuziehen, oder ob es sich dabei nur um Lippenbekenntnisse handelte.“
Wie wichtig ist aber überhaupt der Kampf gegen die Korruption für die Wähler? Es gibt Bürgermeister, denen etwa 50% der Befragten immer noch vertrauen, auch wenn gegen diese wegen Korruptionsdelikte ermittelt wird. Wie ist die Einstellung zu erklären? Cristian Pârvulescu meint, das sei nicht überraschend:
Wir müssen verstehen, dass die Umfragen Instrumente darstellen, die eine Messung der Temperatur der öffentlichen Meinung erlauben. Sie zeigen, wie die öffentliche Meinung Unterschiedliches wahrnimmt, und nicht absolute Wahrheiten. Die Lage ändert sich. Ich erinnere Sie daran, dass 2014 die Umfragen Victor Ponta als Sieger der Präsidentenwahl angaben. Die Wähler haben aber die Lage gekippt und das kann auch bei den Kommunalwahlen passieren. Es gibt aber mit Sicherheit eine gewisse Sympathie für die Bürgermeister, die schon im Amt sind. Das ist auf die Trägheit der Wähler zurück zu führen. Man wird wahrscheinlich viele Bürgermeister, die Probleme haben, aber nicht verurteilt wurden und antreten können, wiederwählen. Das bedeutet aber nicht, dass das Problem der Korruption die Öffentlichkeit nicht interessiert.“
Wie wird aber die rumänische Politbühne am Ende dieses Jahres aussehen? Wahrscheinlich nicht viel anders las jetzt, meint Cristian Pârvulescu:
Vielleicht wird es andere Figuren geben. Weil die politischen Parteien sich gezwungen fühlen werden, mit neuen Figuren anzutreten. Ich sehe nicht allzu viele Parteiunabhängige und neue Parteien im Rennen, es kann aber noch Überraschungen geben. Ich stütze mich aber auf die Erfahrung der letzten Wahlen. Nur bei der Präsidentenwahl war die Beteiligung groß. Eine niedrige Wahlbeteiligung bei den Kommunal- und Parlamentswahlen bevorzugt die etablierten Parteien, und nicht die neuen.“
Es gebe aber Platz für neue Kandidaten, fügte Cristian Parvulescu hinzu, und wahrscheinlich werden die großen Städte und insbesondere Bukarest eine zentrale Rolle bei der Bildung einer neuen politischen Konstellation in Rumänien spielen.