Schengen-Beitritt: Was steht Rumänien im Weg?
Drei Jahre nachdem Rumänien dem Schengener Raum beitreten sollte, wagt nun niemand mehr, ein Beitrittsdatum vorauszusagen.
Corina Cristea, 04.07.2014, 15:56
Drei Jahre nachdem Rumänien dem Schengener Raum beitreten sollte, wagt nun niemand mehr, ein Beitrittsdatum vorauszusagen. Die Bukarester Behörden bekräftigten mehrmals, sie hätten die erforderlichen Kriterien erfüllt und bleiben hoffnungsvoll, dass die rumänischen Staatsangehörigen bald Bürger des grenzkontrollfreien Schengen-Raums sein werden. In einem Interview mit Radio Rumänien gab Schengen-Experte Marian Tutilescu einen Überblick über die bisherigen Ereignisse:
Am 9. Juni 2011 wurde im EU-Innenrat einstimmig beschlossen, dass Rumänien und Bulgarien alle Beitrittskriterien erfüllen. Diese Entscheidung macht es deutlich, dass es überhaupt kein Problem angesichts der Erfüllung der erforderlichen Beitrittskriterien gibt. Mittlerweile konnte man sowohl bestimmte Änderungen bei der europäischen Gesetzgebung als auch neue Entwicklungen des Migrationsphänomens feststellen. Auf EU-Ebene wurde das Maßnahmenpaket zur Verstärkung des Führungsmechanismus im Schengen-Raum verabschiedet. Dies enthält zwei Reihen von Maßnahmen: Erstens wurde das Bewertungsverfahren von Kandidaten geändert, zweitens wurde die Sicherheit an den Außengrenzen verstärkt. Es handelt sich im letzteren Fall um Maßnahmen, die die Abschaffung bzw. die Wiederaufnahme der Kontrolle an den Innengrenzen eines Mitgliedstaates unter bestimmten Bedingungen gestatten. Eine dieser Maßnahmen bezieht sich auf eventuelle massenhafte Einwanderung. In solch einem Fall darf ein Schengen-Staat für einen Zeitraum von sechs Monaten seine Grenzen schließen bzw. die Grenzkontrollen wiederherstellen, bis solch eine Situation, die die Sicherheit innerhalb des Schengen-Raums gefährdet, gelöst wird. Der besagte Zeitraum darf ferner auf höchstens zwei Jahre verlängert werden.“
Dieses Maßnahmenpaket stellt ein bedeutendes Mittel für Schengen-Staaten dar, die gegen illegale Einwanderung vorgehen müssen. Die grenzkontrollfreie Schengen-Zone wurde oftmals mit massiver Zuwanderung aus der Türkei nach Griechenland und Bulgarien konfrontiert. Zurzeit sei die Situation wieder stabil, aber ähnliche Migrationsbewegungen seien künftig nicht auszuschließen, sagt ferner Marian Tutilescu.
Rumänien und Bulgarien waren beide bewertet worden, bevor die neuen Maßnahmenpakete in Kraft traten, daher müsse keine neue Bewertung laut der aktuellen Gesetzgebung erfolgen. Das Schengen-Abkommen sei äußerst deutlich und Rumänien habe alle Kriterien völlig erfüllt, bekräftigt auch der Präsident des Sonderausschusses zum Schengen-Beitritt des Parlaments, Mircea Geoană. Der Schengen-Beitritt in direkten Zusammenhang mit Elementen politischer Natur zu bringen, sei derzeit kein starkes Argument, sagt Geoană:
Europa braucht derzeit, im Kontext der neuesten Entwicklung in der benachbarten Ukraine, mehr als je zuvor, einig zu sein. Nie wurde Europa in den letzten 40 Jahren mit einem so starken Risiko eines kalten Kriegs wie jetzt konfrontiert, nachdem die USA in den 80er Jahren Mittel- und Langstreckenraketen stationiert haben. Die Europäer müssen jetzt jede Form von Egoismus, Populismus oder doppeldeutiger Sprache beiseitelegen. In den letzten Jahren war angesichts des von Rumänien und Bulgarien angestrebten Schengen-Beitritts eine doppeldeutige Sprache in Europa festzustellen.“
Marian Tutilescu schließt nicht aus, dass die Mitgliedsstaaten bereits im Monat Oktober ein positives Urteil über die Abschaffung der Luft- und Seegrenzkontrollen fällen. Darauf müssten sich dennoch beim EU-Innenrat alle Teilnehmer einigen, fügt Tutilescu hinzu. Eventuelle Gegenargumente, die Schengen-Mitglieder diesmal vorbringen könnten, um den Beitritt Rumäniens und Bulgariens erneut zu blockieren, seien zu diesem Zeitpunkt schwer vorwegzunehmen:
Das ausschlaggebende Argument ist der Fortschritt Rumäniens beim Kooperations- und Überprüfungsmechanismus. Hinter diesem Argument verbergen sich aber zahlreiche Interessen, einschließlich einiger, die im engen Bezug mit dem internen Wahlkampf stehen und mit dem Schengener Besitzstand nichts zu tun haben. Das war jedes Mal zu spüren und leider stellten wir fest, dass es in der Zeit, als Experten alles Mögliche unternahmen, um die Beitrittskriterien zu erfüllen, es jenseits des Abkommens eine Grauzone gab, in der sich einige Politiker bewegen. In den Niederlanden hat bekanntlich damals eine rechtsextreme Partei ihre Unterstützung für die niederländische Regierung im Parlament an die offizielle Position des Landes angesichts der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengen-Raum geknüpft. Die Niederlande blockierten den Beitritt beider osteuropäischen Staaten, der wahre Grund lag aber in den damaligen innenpolitischen Interessen.“
Die rumänischen Behörden hoffen, dass in der zweiten Jahreshälfte ein erster Schritt in Richtung Abschaffung der Seegrenzkontrollen unternommen wird und dass für die Entscheidung über die Bodengrenzen ein vernünftiger Termin angesetzt wird.
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