Rumänien und die Sicherheit in der Schwarzmeer-Region
Das Sicherheitsforum für das Schwarze Meer und den Balkan hat Anfang September in Bukarest getagt. Die Region konfrontiert sich mit zunehmenden Herausforderungen.
Corina Cristea, 25.09.2020, 17:30
Das Bild der Schwarzmeerregion, einschließlich der Balkanregion, so wie es von den Teilnehmern des Sicherheitsforums für das Schwarze Meer und den Balkan gesehen wird, umfasst eingefrorene Konflikte, die leicht wieder aufflammen können, die Nachbarschaft des Nahen Ostens, ein stark militarisiertes Schwarzes Meer, eine nicht so blühende wirtschaftliche Situation, schwach angeschlossene Regionen, alte Feindschaften, Zwischenfälle auf See und umstrittene Grenzen. Mit anderen Worten: eine schwer berechenbare Mischung.
Die Debatten über Sicherheit, Gefahren und Verletzlichkeiten, die sich gleichermaßen auf die Stabilität der EU und der NATO auswirken, sowie deren Lösungen haben die Sicherheitsfragen des Schwarzmeer- und Balkanraums immer mehr in den Vordergrund gerückt. Das Schwarze Meer ist für die NATO eines der gefährlichsten Regionen. Im gesamten Gebiet sei die Glaubwürdigkeit des Bündnisses und seine Verteidigungs- und Abschreckungspolitik verstärkt in Frage gestellt worden, sagte der rumänische Verteidigungsminister Nicolae Ciucă:
Die NATO hat sich in den vergangenen sechs Jahren stark in den Ostseeraum engagiert, insbesondere in den Ländern an der Grenze zu Russland wie z.B. Polen, und zwar aus den richtigen Gründen. Für den größeren Schwarzmeerraum muss jedoch mehr getan werden. Was kann getan werden, um die Sicherheit des Schwarzmeerraumes zu erhöhem? Aus Sicht der NATO gibt es eine einfache Antwort: Wir müssen die Kapazitäten stärken und Verbündete in der Region schaffen.“
Der Minister erklärte weiter, dass diese Region zu einem Risikofaktor nicht nur für die Sicherheit in Europa, sondern auch des Mittelmeerraumes und des Nahen und Mittleren Osten geworden ist. Er begründete dies mit der aggressiven Haltung Russlands, der zunehmenden Militarisierung des Schwarzmeerraumes sowie der illegalen Annexion der Krim neben einer Vielzahl eingefrorener Konflikte. Daraus schlossen die Teilnehmer an dem Treffen in Bukarest, dass die europäische Verteidigung derzeit durch eine hohe Fragmentierung gekennzeichnet ist. Es werden wenige gemeinsame Pläne erarbeitet. Staatssekretärin im Verteidigungsministerium Simona Cojocaru betonte, die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung sei unumkehrbar, wobei die PESCO-Projekte den Mitgliedstaaten die Mittel für die Verteidigungsinteroperabilität bieten. Sie präzisierte, dass die Ständige strukturelle Zusammenarbeit für die operative Zusammenarbeit auf EU-Ebene hilfreich ist:
Die Projekte der ständigen strukturellen Zusammenarbeit tragen dazu bei, dass die Union ihre Ziele im Bereich der Entwicklung der Kapazitäten, der Vertiefung der strategischen militärischen Kohäsion erreicht und können die operationelle Zusammenarbeit der Union fördern.“
Das rumänische Verteidigungsministerium erachtet, dass der Europäische Verteidigungsfonds die Union gegenüber Anfälligkeiten und Risiken stärken werde, und zwar durch die Verringerung der Abhängigkeit von nichteuropäischen Quellen. Der Fonds werde auch die industriellen Versorgungsketten im militärischen Bereich stärken. Die COVID-19-Krise hat verdeutlicht, wie wichtig es ist, keine Abhängigkeiten in Bereich der kritischen Technologien in Verteidigungsbereich zu haben.
Bei dem Treffen wurde das Konzept der strategischen Autonomie betont und darauf hingewiesen, dass dieses nicht Isolation bedeutet, sondern das Europa seine eigenen Verteidigungsentscheidungen treffen muss. Die Union muss ihrer Nachbarschaft mehr Aufmerksamkeit widmen, gerade weil der Schwarzmeerraum von Unsicherheiten, geprägt ist, sagte Außenminister Bogdan Aurescu. Der Minister wies ferner darauf hin, dass sich zum Beispiel die Konnektivität zu einem strategischen Wettbewerb entwickelt hat und dass die europäischen Lieferketten von dem abhängen, was die Nachbarn Europas unternehmen. Aurescu warnte auch vor der sogenannten Infodemie“, d.h. Desinformation und Fake News, und dass alles geopolitisiert sei, einschließlich Impfungen, Behandlungen, Wissenschaft und Expertise, ja sogar das private Leben und die Überzeugungen der Bürger.
Die Coronavirus-Pandemie offenbarte auch ein weiteres Sicherheitsrisiko, nämlich die Abhängigkeit Europas von importierten medizinischem Materialien und Arzneimitteln, ein Thema, das auf dem nächsten Europäischen Rat Ende des laufenden Monats behandelt werden soll. Einige Konzepte, die bisher der akademischen Forschung vorbehalten waren, sind nun Realität, und die Staaten gehen bei der Erstellung ihrer Strategien von diesen aus. Unter dem Druck der Pandemie ist es notwendig, den Sicherheitsbegriff auf Bereiche auszuweiten, die bisher nicht in Betracht gezogen wurden. Dies wurde vom Vorsitzenden des Finanzrats in Bukarest, Daniel Daianu, unterstrichen:
Die Pandemie ist nicht vorbei. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind schwerwiegend. Ich glaube, dass wir ein sogenanntes Comeback des Staates erleben werden, denn es wird gerade jetzt viel vom Staat verlangt. Was eine Ironie ist, wenn man bedenkt, wie viele Leute von einem Minimalstaat sprechen, aber unter diesen schwierigen Bedingungen wird vom Staat eine Menge erwartet. Die Auswirkungen der Pandemie müssen im Zusammenhang mit dem Klimawandel als existenzielle Bedrohung gesehen werden, zusammen mit den Auswirkungen der neuen Technologien und der künstlichen Intelligenz. Ganz zu schweigen davon, dass wir noch mehr Pandemien haben werden.“
Die Sorgen um die öffentliche Gesundheit werden zu Fragen der nationalen Sicherheit, erklärte Daniel Daianu weiter, denn wenn ein großer Teil der Bevölkerung infiziert und krank ist, hat dies weitreichende Auswirkungen auf die wirtschaftliche, soziale, politische und gesellschaftliche Entwicklung.