Radio Rumänien – 85 Jahre erlebter Geschichte
Zum 85. Jubiläum des Rumänischen Rundfunks bringen wir historische Tonaufnahmen mit dem Historiker Eugen Denize, in denen er erzählt, wie seine vierbändige Monografie über die Geschichte von Radio Rumänien enstanden ist.
Steliu Lambru, 01.11.2013, 15:52
Am 1. November 1928 hat die Rumänische Rundfunkgesellschaft ihr erstes Signal ausgestrahlt und das war auch ihr eigentlicher Anfang. Die Rumänische Rundfunkgesellschaft ist eine der wenigen öffentlichen Einrichtungen Rumäniens, die eine jahrzehntelange Beständigkeit haben. In der noch demokratischen Dekade 1928-1938 brachten die Massenmedien die rumänischen Mediennutzer näher an das europäische Geschehen als im Zeitraum 1938-1989, als das Radio eher ein Propagandamittel der autoritären und totalitären faschistischen und kommunistischen Regime war.
Der Historiker Eugen Denize ist der Autor der vollständigsten Monografie der Rumänischen Rundfunkgesellschaft in 4 Bänden. Bei der Vollendung seines Werkes 2004 erzählte Denize wie seine Forschungsarbeit der Archive begann, die von 1996 bis 2001 gedauert hat. Das Ergebnis war die erste Synthesegeschichte des Rumänischen Radios.
Als wir die Vielfalt an Dokumentationsmitteln in den Archiven der Securitate sahen, beschlossen wir, eine Mehrband-Monografie der Rumänischen Rundfunkgesellschaft zu erarbeiten, die ein bedeutendes Phänomen unserer Zeitgeschichte ist. Wir haben das Jahr 1989 als Ausgangsjahr gewählt. Ich war der Meinung, dass, falls ich über 1989 hinaus gehe, ich eine Mehrbereichsstudie gemeinsam mit Politologen und Soziologen unternehmen muss. Ich hätte riskiert, keine reine Geschichte des Rundfunks darzustellen, sondern eher Ausschnitte aus seinem aktuellen Leben. Kurz gefasst enthält der erste Band außer den Pionierjahren die ersten 10 Jahre der Gesellschaft, von 1928 bis 1938. Ab 1939 wurden in Rumänien nacheinander diktatoriale und totalitäre Regime eingeführt. Somit führte das Radio seine Tätigkeit unter anderen Umständen aus. Bis 1989 wurde es einem besonderen politischen Druck ausgesetzt. Ich kann behaupten, dass es sein Gleichgewicht und seine Basisfunktionen erhalten hat. Der zweite Band beinhaltet den Zeitraum, den wir Zeitraum der rechtsorientierten Diktaturen genannt haben. Es handelt sich um die königliche Diktatur des Königs Karl II., um die legionäre Diktatur und um die Diktatur des Marschalls Antonescu. Der Band endet am 23. August 1944, dem Datum, an dem sich Rumänien den Alliierten angeschlossen hat. Der dritte Band beinhaltet die Zeit des Kommunistischwerdens Rumäniens und die Ära von Gheorghe Gheorghiu-Dej bis zu seinem Tod 1965. Der letzte Band befasst sich mit der Zeit von Nicolae Ceauşescu, 1965 bis 1989, mit der zweitweiligen Öffnung nach 1964 und der späteren Restalinisierung, die zwischen 1971 und 1974 stattgefunden haben. Es sind 4 Bände, die ausschließlich das Dokumentationsmaterial aus dem Unterlagen- und Tonarchiv des Radios als Grundlage haben. Aus dieser Sicht handelt es sich um absolute Neuheiten in puncto Geschichtsstudie.“
Außer seiner Funktion als Informationsquelle hatte das Radio von Anfang an einen Bildungs- und Kulturauftrag. Aber auch die Unterhaltung war ein wesentlicher Bestandteil des Radios. Eugen Denize:
Von seinen Anfängen an war der Rundfunk, noch vor der Entstehung der Rundfunkgesellschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft, seiner gut definierten Aufgaben bewusst und diese werden auch in Zukunft dieselben bleiben. Es handelt sich um eine wesentliche kulturelle Funktion. Das Radio hat hochrangige Kultur vermittelt, aber so, dass es für jedermann verständlich war. Somit hat es zur Entwicklung der Kultur selbst und zur Kulturalisierung der Massen beigetragen. Das Radio hat auch eine nationale Funktion. Es hat immer eine wesentliche Rolle in der Förderung und Bewahrung der nationalen Werte gespielt. Dann gibt es auch eine Bildungsfunktion, im wahrsten Sinne des Wortes: Schon von Anfang an hat es viele Sendungen mit medizinischen Ratschlägen gegeben oder darüber, wie man Pflanzen anbaut, Tiere züchtet, Kinder großzieht. Es gibt sehr viele Spartensendungen für Kinder, Schüler, für die Armee, für Landwirte. Das Radio hat seinen Bildungsauftrag gut erfüllt. Man darf die berühmten Sendungen der Radiouniversität“ nicht vergessen, wo die größten Persönlichkeiten der rumänischen Kultur zu Wort gekommen sind: der Historiker Nicolae Iorga, der Soziologe Mihai Ralea, der Ästhetiker Tudor Vianu, die Schriftsteller Mihail Sadoveanu und Tudor Arghezi u.v.a.. Praktisch waren alle repräsentativen rumänischen Kulturmenschen vor dem Radiomikrophon anwesend. Außer diesen Funktionen hatte das Radio noch eine weitere Funktion und zwar die Menschen zu unterhalten. Bis zur Erfindung des Fernsehens war das Radio die wichtigste Unterhaltung, die die Menschen zur Verfügung hatten.“
Eugen Denize war pessimistisch hinischtlich einer Fortsetzung der Geschichte des Rumänischen Radios. Ein Geschichte von 1989 bis heute zu schreiben, ist schwieriger, denn die Unterlagen, anhand derer man die Geschichte interpretieren könnte, wurden wegen des großen Informationsvolumens und des Wegfalls der Zensur nicht mehr archiviert.
Die Revolution von 1989 hat eine beträchtliche Änderung für alle Rumänen bedeutet, aber vielleicht mehr für den Rundfunk. Bis 1989 befand sich der Rundfunk unter staatlichem Monopol, genauso während der Demokratie von 1928 bis 1938. Nach 1989 verschwindet dieses staatliche Monopol und man beginnt Frequenzen zu verkaufen. Es entsteht ein Wettbewerb, der immer härter wird. Das bedeutet für das öffentliche Radio eine große Herausforderung, die eine Antwort erfordert. Ich denke, dass die Journalisten dort über Ressourcen verfügen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Ich behaupte das, weil ich sehe, was in anderen europäischen Ländern wie Italien und Großbritannien passiert, wo der Auftrag der öffentlichen Sender nicht etwa eingegrenzt sondern sogar erweitert wurde. In dieser Sendervielfalt hat das öffenliche Radio den großen Vorteil der Tradition.“
Radio România hat eine 85-jährige Geschichte und ist eine Presseanstalt, die Gleichgewicht und Qualität der journalistischen Beiträge aufweist. Es ist etwas, was wir 1989 zurück gewonnen haben, etwas, was wesentlich für eine demokratische Gesellschaft ist.
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