Nato: Verstärkte Präsenz in Osteuropa
Unlängst hat Moskau die Halbinsel Krim im Süden der Ukraine annektiert und die abtrünnigen Rebellen in der ostukrainischen Region Donbas unterstützt. Dies hat die die NATO veranlasst, erste Zeichen einer Rückkehr zu ihrer ursprünglichen Mission zu senden.
Bogdan Matei, 22.08.2014, 15:43
Kaum war der zweite Weltkrieg beendet, mussten die westlichen Demokratien eine düstere Feststellung akzeptieren. Um den damaligen britischen Premierminister Winston Churchill zu zitieren: In der riesigen Hekatombe hatte sich die gierigere Sau durchgesetzt. Nachdem die Truppen Nazideutschlands besiegt worden waren, nahm die Rote Armee der Sowjetunion ihren Platz ein. Und zwar überall in Ost- und Mitteleuropa, von der Ostsee über Polen und Ostdeutschland bis ans Schwarze Meer, nach Rumänien und Bulgarien. Alle Nationen, die jetzt unter Stalins Gefangenschaft standen, wurden zu Kolonien und Satelliten von Moskau.
Bei den Alliierten machte sich langsam die Panik breit, dass der Gulag, das grausame Konzentrationssystem der Sowjets, sich bis ans Mittelmeer und den Atlantik ausbreiten könnte. Angesichts der Truppenstärke von Stalin, aber auch der einflussstarken kommunistischen Parteien aus der frei gebliebenen Welt war diese Befürchtung nicht gerade unrealistisch. Deshalb sahen sich die westlichen Mächte zu einer Reaktion gezwungen.
Vor diesem Hintergrund entstand 1949 die NATO, deren Hauptziel sich in einem zur damaligen Zeit berühmten Satz wiederfand: Die Deutschen sollten am Boden bleiben, die Russen außerhalb von Europa und die Amerikaner drinnen. Fast ein halbes Jahrhundert lang wirkte die Nordatlantische Allianz als eine unzerstörbare Kraft gegen den sowjetischen Expansionismus. Der Westen sollte den Kalten Krieg für sich entscheiden und den Raum der Freiheit jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs ausdehnen. Heute sind die meisten ex-kommunistischen Staaten, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, Mitglieder in der NATO und der Europäischen Union.
Ab Ende des vergangenen Jahrhunderts hat die Allianz in ihren Missionen die Friedenssicherung auf dem Westbalkan und in Afghanistan anvisiert. In der Zwischenzeit waren die Russen mit militärischen Sanktionen gegen die Ex-Sowjetrepubliken Moldau (1992) und Georgien (2008) beschäftigt. Mit ihrer Unterstützung gelang den abtrünnigen, pro-russischen Regionen Transnistrien, bzw. Abchasien und Südossetien die Loslösung von der Zentralverwaltung des jeweiligen Staates.
Und unlängst hat Moskau die Halbinsel Krim im Süden der Ukraine annektiert und die abtrünnigen Rebellen in der ostukrainischen Region Donbas unterstützt. Erst diese Aktionen hätten die NATO veranlasst, erste Zeichen einer Rückkehr zu ihrer ursprünglichen Mission zu senden, glauben die Experten vom Analyse-Zentrum Early Warning in Bukarest. Und zwar eine Blockade gegen den territorialen Appetit Russlands zu errichten. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach in einem Interview mit Radio Rumänien von einer neuen Art von Krieg.
Wir müssen uns an diese neue, ja gar komplizierte Form von Krieg anpassen. Anstatt einer offensichtlichen militärischen Aggression sind wir Zeugen etwas diskreterer Manöver, mit dem Ziel, bestimmte Länder zu destabilisieren und das haben wir ganz klar in der Ukraine gesehen: zunächst auf der Krim-Halbinsel, die von Russland illegal angeschlossen wurde, und jetzt im Osten der Ukraine. Es bestehen keine Zweifel daran, dass Russland hinter den Aktionen zur Destabilisierung der Ost-Ukraine steckt. Außerdem merken wir, dass Russland versucht, sich Einfluss in den Medien zu erkaufen, um etwa die öffentliche Meinung und die politischen Prozesse zu beeinflussen. Wir dürfen nicht naiv sein und müssen uns an diese Situation anpassen.“
Als primus inter pares decken die Vereinigten Staaten etwa zwei Drittel des Gesamtbudgets der NATO. US-Präsident Barack Obama bekräftigte vor kurzem, bei seinem Besuch in Warschau, das Engagement seines Landes für die Verteidigung der Sicherheit der osteuropäischen Alliierten. Für die USA sei dies der Grundstein der eigenen Sicherheit und eine heilige Pflicht. Obama kündigte außerdem die Freigabe einer Milliarde US-Dollar für die Entsendung zusätzlicher Truppen — Boden-, Wasser- und Luftstreitkräfte — in diese Region an. Der Anführer aus dem Weißen Haus erwähnte dabei auch die ehemaligen Sowjetrepubliken, die sich für westliche Werte entschieden hätten und trotz des russischen Widerstands versuchen würden, sich von der Umlaufbahn Moskaus loszulösen.
Wir werden die Partnerschaften mit unseren Freunden aus der Ukraine, der Moldau, Georgien vertiefen, während diese Länder ihre Verteidigung stärken müssen. Weitere Provokationen aus dem russischen Lager werden, falls notwendig, neue Sanktionen nach sich ziehen.“
Insbesondere nach Ausbruch der Wirtschaftskrise haben die 27 NATO-Staaten mit wenigen Ausnahmen ihre Rüstungsausgaben gekürzt. Das sei der falsche Weg, behauptet Generalsekretär Rasmussen.
Es ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. In den vergangenen fünf Jahren hat Russland seine Verteidigungsausgaben um 50% erhöht, während die NATO-Staaten ihre Militärausgaben um 20% gesenkt haben. Das ist nicht produktiv und das, was in der Ukraine passiert, ist eigentlich ein Warnzeichen. Infolge dessen müssen die europäischen Führungspolitiker ihre Strategie hinsichtlich des Militärbudgets überdenken.“
Andererseits habe die Existenz der NATO allein einen Entmutigungseffekt, glaubt Rasmussen. Potentielle Feinde würden nicht einmal einen Gedanken daran verschwenden, einen Mitgliedsstaat anzugreifen.
Ich kann ihnen versichern, dass alle Alliierten dem Artikel 5 und der gemeinsamen Verteidigung zutiefst verpflichtet sind. Das können sie an den bereits unternommenen Schritten erkennen, für die Stärkung der gemeinsamen Abwehr durch mehrere Lufteinsätze der Sicherheitskräfte über dem Baltikum. Wir führen Aufklärungsmissionen mit AWACS-Maschinen über Polen und Rumänien durch, sie sehen eine verstärkte Präsenz der Marinestreitkräfte im Schwarzen Meer und in der Ostsee, sowie mehrere Landübungen. Das heißt, wir haben bereits bewiesen, dass die Allianz zusammenhält, wenn es um den Artikel 5 und die gemeinsame Verteidigung geht.“
Benjamin Jensen, Professor für Internationale Beziehungen an der American University, begrüßt die Maßnahmen der USA. Diese würden das Zeichen senden, dass die Vereinigten Staaten zu ihren Verpflichtungen stehen und nach wie vor ihre Vormachtstellung behalten wollen. Umso mehr, da die Alliierten, die ihre Grenze mit Russland teilen, mehr als nur Worte sehen wollen, sagte Jensen im Interview mit dem Radio-Rumänien-Korrespondenten in Washington. Sie wollen zusätzliche Garantien in Form von Raketenabwehr-Systemen und eine Aufstockung des NATO-Kontingents in der Region, glaubt Jensen noch.
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