Nach Brexit: Sind Abkommen zwischen EU und Großbritannien funktionsfähig?
Kurz vor dem endgültigen Austritt Großbritanniens aus der EU haben sich Brüssel und London doch noch auf eine Reihe von Abkommen für das künftige bilaterale Verhältnis geeinigt. Doch einige Divergenzen bleiben.
Corina Cristea, 08.01.2021, 17:30
Wenige Tage vor dem Ende der Übergangszeit ist es dem Vereinigten Königreich — das sich im Referendum 2016 für den Austritt aus der EU entschieden hat — und der Europäischen Union — die durch diese Entscheidung gezwungen war, sich zu einem Format von 27 zu entwickeln — im letzten Augenblick gelungen, eine Einigung über die Beziehungen nach dem Brexit zu erzielen. Das Handels- und Kooperationsabkommen, das Abkommen über Sicherheitsverfahren für den Austausch und den Schutz vertraulicher Informationen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sowie das Abkommen über die Zusammenarbeit bei der sicheren und friedlichen Nutzung der Kernenergie zwischen der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und Großbritannien wurden unterzeichnet.
Das Vereinigte Königreich, das am 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union austritt, verließ am 31. Dezember endgültig den Binnenmarkt und die Zollunion der Union und ist damit das erste Land, das nach fast einem halben Jahrhundert EU-Mitgliedschaft diese Struktur verlässt. Die Verhandlungen zur Fertigstellung der letzten Dokumente haben sich schwierig gestaltet und oft den Eindruck erweckt, dass es fast unmöglich ist, aus den Sackgassen herauszukommen, die als Ergebnis von Diskussionen entstanden sind, die von dem Wunsch jeder Partei bestimmt wurden, ihre Interessen besser zu schützen. Die wichtigsten Divergenzpunkte, die monatelang ein Handelsabkommen verhinderten, waren die EU-Wettbewerbsregeln, die sicherstellen sollten, dass es keinen unlauteren Wettbewerb durch britische Unternehmen gibt, die Streitbeilegung und die Erlaubnis für EU-Länder, in britischen Gewässern zu fischen.
Ohne diese Einigung wären die Dinge extrem volatil gewesen, was eine Unvorhersehbarkeit in eine Gleichung mit vielen Unbekannten gebracht hätte, deren Lösung nur mit der Zeit kommen wird. Wäre kein Abkommen zustande gekommen, sagen Analysten, wäre der Handel zwischen der EU und London ab dem 1. Januar 2021 durch die Regeln der Welthandelsorganisation geregelt worden, was die Einführung von Zöllen und Quoten bedeutet hätte, mit dem Risiko eines neuen Schocks für die durch die Gesundheitskrise bereits geschwächten Volkswirtschaften. Die Unterzeichnung dieses Abkommens ist extrem wichtig für den Zusammenhalt der westlichen Welt, schätzte in einem Interview mit Radio Rumänien Iulian Fota, der Generaldirektor des rumänischen diplomatischen Instituts. Nachdem das britische Votum für jeden offensichtlich wurde und der Brexit unumkehrbar wurde, haben sich das Vereinigte Königreich und der Rest der EU darauf konzentriert, die Beziehung zwischen den beiden Seiten unter dem Brexit zu retten, und diese Vereinbarung zeige, dass die Elemente, die uns binden, weiterhin wichtiger sind als diejenigen, die uns trennen, glaubt Iulian Fota:
Die Tatsache, dass sich die beiden wichtigen Akteure, das Vereinigte Königreich und die EU, geeinigt haben, zeigt uns, dass wir uns immer noch auf ein hohes Maß an Zusammenhalt innerhalb der westlichen Welt verlassen können. Warum das wichtig ist? Wir befinden uns in der Globalisierung, schon jetzt läuft der Wettbewerb nicht mehr nur zwischen Staaten als internationale Akteure, der Wettbewerb findet mehr und mehr auch zwischen Zivilisationsräumen statt. Wenn es um die EU, die Vereinigten Staaten, die NATO, Großbritannien geht, fallen wir alle unter diesen sehr wichtigen Schirm der westlichen Zivilisation. Aus dieser Perspektive haben vor allem die internen Beobachter geschaut, wie gut der Westen als Wertegemsinschaft noch funktioniert. Hier ist also die gute Nachricht: dass Großbritannien und die EU trotz Brexit, trotz einiger Differenzen, die zum Teil schwer wiegen und sogar angespannt sind, eine weitere Möglichkeit gefunden haben, die bilateralen Beziehungen zu retten, sie in ein neues Format zu bringen. Auch rechtlich. Ein Format, das nicht von Anfang an perfekt funktionieren wird, einige Dinge werden wir im Laufe der Zeit sehen, wie gut sie verhandelt werden, aber insgesamt ist die Botschaft, die die Briten und der Rest der Europäer gemeinsam senden, dass der Brexit nicht dazu führt, dass Großbritannien Europa verlässt. Die EU ist eine Geschichte, Europa ist eine andere Geschichte, Großbritannien bleibt durch dieses Abkommen in Europa. Die Botschaft ist klar: Dies ist kein Abkommen, das uns trennt, dies ist ein Abkommen, das uns in einer engen Beziehung hält, in einem anderen Format; innerhalb des Westens können wir die Unterschiede überwinden, die durch Tradition, Innenpolitik und eine ganze Reihe anderer Dinge entstehen.“
Das Vereinigte Königreich ist offiziell aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion ausgetreten, aber das Handelsabkommen sieht vor, dass auf den Warenverkehr zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich keine Zölle erhoben werden. Das Erasmus-Programm, durch das britische und europäische Studenten an Universitäten auf dem Festland oder im Vereinigten Königreich studieren konnten, gilt jedoch nicht mehr. Was die Visa betrifft, so werden z.B. Rumänen in Zukunft ohne Visum nach Großbritannien einreisen und sich dort bis zu 6 Monate im Jahr aufhalten dürfen. Viele fragen sich nun, wie sich die Beziehungen in den kommenden Jahren entwickeln werden.
Von seinen Befürwortern als Anbruch eines neuen unabhängigen globalen Vereinigten Königreichs“ angepriesen, hat der Brexit die Verbindungen zwischen England, Wales, Schottland und Nordirland und damit eine Volkswirtschaft in Höhe von 3 Trillionen US-Dollar geschwächt — schreibt Reuters. Für seine Befürworter ist der Brexit ein Ausweg aus einem gescheiterten, von Deutschland dominierten Projekt, das weit hinter den beiden Großmächten der Welt, den Vereinigten Staaten und China, zurückgeblieben ist. Die Gegner sagen, der Brexit sei ein Irrsinn, der den Westen schwächen, den verbliebenen globalen Einfluss Großbritanniens zunichte machen, seine Wirtschaft untergraben und das Königreich schließlich in einen eher unwichtigen Inselstaat verwandeln werde, fügt Reuters hinzu.