Jeffrey Sachs: „Unfähigkeit der Welt-Leader könnte neue Wirtschaftskrise auslösen“
Mehr als zehn Jahre nach Ausbruch der Krise, die die großen Wirtschaftsmächte der Welt und der Europäischen Union erschütterte, unternahm der berühmte amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs einen Bukarest-Besuch.
Corina Cristea, 23.03.2018, 17:30
Er kam auf Einladung der rumänischen Behörden und hielt einen Vortrag über die Perspektiven der Weltwirtschaft. Professor Jeffrey Sachs ist der Meinung, dass die Weltwirtschaft einen günstigen Augenblick erlebt und dass eine neue Krise der Weltwirtschaft in der nahen Zukunft nur von den politischen Führungen der Weltstaaten, und nicht von den wirtschaftlichen Grundsätzen verursacht werden könnte:
Wenn sich eine Krise nähert, dann ist das nur auf die schwachen Kompetenzen der Leader zurückzuführen. Sonst gibt es keine Gründe für eine Wirtschaftskrise. Zu dieser Zeit geht es allen Großregionen, den Vereinigten Staaten, Europa, China, Indien gut.“
Anders gesagt sieht die Weltwirtschaft gut aus, aber es hängt davon ab, welche Entscheidungen die Weltpolitiker treffen. In den Vereinigten Staaten gibt es Wirtschaftswachstum, jedoch keine Steigerung des allgemeinen Wohlergehens der Bevölkerung. Dieses geht von Jahr zu Jahr nach unten, die Menschen sind unzufrieden und die Lebenserwartung sinkt, sagt Professor Sachs noch, der auch für seine kritischen Stellungen gegenüber Donald Trump bekannt ist. Seiner Meinung nach entstehen Wirtschaftskrisen aus falschen Politikleitlinien und derzeit herrschen offensichtliche Gefahren in dieser Richtung. Allerdings sagt er, dass es eine positive und interessante globale Wirtschaftsagenda gibt, die den Einsatz neuer Technologien umfasst, um mehr Wohlstand zu generieren, um der Armut ein Ende zu setzen, um eine Weltwirtschaft zu gestalten, die sich auf erneuerbare Energie stützt. Laut Jeffrey Sachs wiederspiegle der BIP-Indikator nicht mehr genau, was in der Wirtschaft und in der Gesellschaft vorgeht. Das Wachstum kann ganz einfach von einigen Menschen oder Gesellschaften beschlagnahmt werden. Wichtig sind das Leben und das Wohlergehen der Menschen, sagt Jeffrey Sachs. Er ermuntert die Länder, zusammenzuarbeiten und daran zu denken, wie sie die Zukunft gestalten wollen. Was für eine Welt wünschen wir uns? Möchten wir einen Planeten des Friedens, des Wohlstandes und der tragfähigen Entwicklung? Die Welt, die wir uns wünschen, muss im Zentrum unseres politischen Handels stehen.“ Er gilt als einer der wichtigsten internationalen Experten in puncto wirtschaftliche Entwicklung und Bekämpfung der Armut. Professor Sachs rief Rumänien auf, sich für eine möglichst starke Europäische Union einzusetzen und eine offene Wirtschaft zu bleiben, seine Investitionen zu steigern und seine Ziele auf langanhaltende Entwicklung zu richten.
Rumänien braucht solide öffentliche und private Investitionen. Es ist notwendig, dass all diese Investitionen in Richtung langanhaltende Entwicklung durchgeführt werden. Das heißt erneuerbare Energie, Spitzentechnologie, die Umstellung auf Elektrofahrzeuge, auf tragfähige Infrastruktur mit einer guten Vernetzung. Natürlich ermöglicht eine langfristige Erhaltung der Steuerpolitik derartige langfristige Investitionen. In der modernen Wirtschaft von heute ist der Schlüssel zur langanhaltenden Entwicklung eine gut vorbereitete Arbeitskraft, ausgezeichnete Universitäten, Verbindungen zwischen Geschäften und Universitäten, Offenheit gegenüber den ausländischen Investitionen zu haben, die zur Gründung der internationalen Märkte beitragen. Somit ist es aus Sicht der Regionalentwicklung für Rumänien wichtig zu hinterfragen — wie ausgebildet ist die Arbeitskraft, welche Infrastruktur gibt es, welche Verbindungen zu den internationalen Märkten, ob man bei der Anziehung von ausländischen Investoren erfolgreich ist und was man in puncto öffentliche Politik machen muss, um sicher zu sein, dass alle Regionen daraus Nutzen ziehen.“
Aus Sicht der Geschäftsleute in Rumänien stützt sich das Fortschrittsmodell der rumänischen Wirtschaft auf die Steigerung des Konsums, was nicht gerade richtig ist. Eine Fachstudie, die neulich veröffentlicht wurde, besagt, dass über 90% von ihnen dasselbe glauben. Und 85% der rumänischen Unternehmen sehen ihre Investitionspläne wegen der steuerlichen Unsicherheit in Frage gestellt, heißt es aus der Studie der Auditgesellschaft Ernst & Young Rumänien. Mihaela Matei, Studienkoordinatorin der besagten Gesellschaft, erläutert:
Die Hauptschlussfolgerung bezieht sich auf einen Hintergrund des Vertrauensmangels und der Besorgnis der rumänischen Geschäftsleute gegenüber dem Wirtschaftswachstum dieses Jahres, dem Wachstumsmodell, das sich auf Konsumsteigerung stützt, und der Landesstrategie. Praktisch würden sich 99% der Befragten eine Landesstrategie wünschen, die auf einem tragfähigen Wachstumsmodell basiert und die Reduzierung der Strukturunterschiede in Bezug auf die westeuropäischen Länder.“
Auch in Bukarest anwesend, empfahlen die Experten des IWF für die Wirtschaft Rumäniens eine ausgeglichene Mischung an Steuer- und Währungspolitik und Investitionsunterstützung, damit der Rhythmus, der letztes Jahr verzeichnet wurde, beibehalten wird. Die IWF-Vertreter betonten, wie wichtig es ist, die Steuererhebung zu verbessern und die öffentlichen Ausgaben in tragfähigen Grenzen zu halten. Die rumänische Exekutive sagt ein Wirtschaftswachstum von 6,1% für 2018 voraus, das sich auf Investitionen, besonders aus europäischen Geldern stützt.