Gold gegen Zyanid
Das Goldtagebauprojekt in Roşia Montană in den rumänischen Westkarpaten ist äußerst umstritten. In den vergangenen Wochen gingen tausende Gegner des Projekts auf die Straße.
Corina Cristea, 21.09.2013, 16:52
Das kanadische Unternehmen Roşia Montană Gold Corporation hat im Jahr 1999 eine staatliche Lizenz für die Förderung der Goldvorkommen im westrumänischen Roşia Montană erhalten. Der rumänische Staat vergab die Lizenz für einen Zeitraum von 20 Jahren. Seitdem spaltet das Projekt die rumänische Gesellschaft in zwei.
Dem Goldtagebauprojekt in Roşia Montană in den rumänischen Westkarpaten widersetzen sich vor allem Umweltschützer und Historiker. Sie sagen, dass die Erhaltung der Natur, der historischen Relikte und des architektonischen Erbes gegenüber wirtschaftlichen Interessen überwiegen sollte. Indes behaupten Befürworter des Projekts, dass dessen Umsetzung eine schwer von Arbeitslosigkeit geplagte Region retten könnte.
Das Umweltministerium hat unlängst das Fördervorhaben positiv begutachtet. Der entsprechende Gesetzentwurf der Regierung ist inzwischen im Parlament gelandet. Daraufhin strömten Tausende von Menschen auf die Straßen Bukarests und anderer Städte im In- und Ausland, darunter auch in Paris, New York oder Brüssel. Die Beweggründe der Demonstranten sind unterschiedlich: Manche sind unzufrieden mit der ihrer Meinung nach zu niedrigen Förderabgabe an den rumänischen Staat, andere beklagen die Auswirkungen des weitflächigen Tagebaus auf die Umwelt, während andere Gegner des Projekts die Fördertechnologie an sich kritisieren. Bei dem Goldabbau in Roşia Montană würde nämlich hochgiftiges Zyanid verwendet werden. Zurückbleiben würde ein gigantischer Zyanid-See, abgesichert durch einen Damm. Die Sicherheit des Damms wurde von Experten begutachtet, die zu der Schlussfolgerung gekommen seien, dass die Technologie ungefährlich ist, behaupten Vertreter des kanadischen Unternehmens. Etwa der Vizedirektor der Umweltabteilung der Roşia Montană Gold Corporation, Horea Avram:
Bevor die Reststoffe in den See gelangen, werden sie neutralisiert, das heißt, dass die Zyanid-Konzentration im Schnitt etwa 3 mg/Liter betragen wird. Die Haupteigenschaft dieses Reagenz-Stoffes ist, dass er natürlich abgebaut wird. Es ist also falsch zu behaupten, dass in jenem See Zyanid zurückbleiben wird. Würden wir heute den Abbau stoppen, dann würde die Konzentration in zwei-drei Monaten auf unter 0,01% sinken, die Zahl ist zehnmal niedriger als der von der EU und Rumänien festgelegte Grenzwert.“
An den Kundgebungen zugunsten des Förderprojekts beteiligten sich auch Einwohner aus Roşia Montană. Ferner schlossen sich mehrere Bergarbeiter für einige Tage in einem Bergstollen ein und forderten den Beginn des Bergbauprojekts. Ohne den Bergbau, behaupteten die Protestierer, wäre die Region von massiver Arbeitslosigkeit betroffen und zur Armut verdammt. 600 Arbeitsplätze würden aber ein derartiges Abbauprojekt nicht rechtfertigen, behauptet währenddessen der Verband Alburnus Maior, der sich seit Jahren gegen das Vorhaben stemmt.
Ein Sonderausschuss des Parlaments, der diese Woche gegründet wurde, soll sich mit den Argumenten beider Seiten auseinandersetzen. Daraus soll ein vollständiger Bericht resultieren, der dem Plenum der Legislative vorgelegt wird. Im Falle, dass das Projekt abgelehnt wird, läuft der rumänische Staat Gefahr, Schadenersatz in Höhe von über 2 Milliarden US-Dollar zahlen zu müssen. Die Summe würde den geschätzten Gewinn abdecken, sowie die bisherigen Investitionen des kanadischen Unternehmens in Höhe von 550 Milliarden Dollar. Woraus die Investitionen bestanden haben, fragten wir den Regierungsberater Ionel Blănculescu:
Wie aus der Dokumentation hervorgeht, die von dem Unternehmen und der Regierung zur Verfügung gestellt wurde, gibt es eine ganze Liste mit Investitionen. Die größte davon entspricht einer geologischen Studie, die sich, soweit wir verstanden haben, über sieben Jahre erstreckt hat; diese äußerst umfassende Studie kostete 98 Millionen US-Dollar und setzte 1200 Bohrungen in 300 Metern Tiefe voraus, die in Abständen von 10 Metern gemacht wurden. Meter für Meter wurden Proben entnommen, von denen jeweils ein Satz an unterschiedliche Labore zur Analyse geschickt wurde. Und dann gab es sicherlich noch Ausgaben für die Verschiebung von Häusern, für den Bau neuer Häuser in der gesamten Region. Danach mussten die etwa 500 Bergarbeiter bezahlt werden, die soweit wir wissen, mehr im Bereich des Kulturerbes aktiv waren, beim Museum, den römischen Schächte usw. Es waren also mehr Verwaltungskosten hier.“
300 Tonnen Gold und 1600 Tonnen Silber können in Roşia Montană gefördert werden, sagen Vertreter des kanadischen Unternehmens. Damit wären es die drittgrößten Vorkommen der Welt. Außerdem werden beachtliche Mengen seltener Metalle dort vermutet, die von vielen als das eigentliche Förderziel angesehen werden. Die Roşia Montană Gold Corporation würde an den rumänischen Staat 6% des gesamten Produktionswertes als Förderabgabe abtreten. Ursprünglich war eine Abgabe von 2% vereinbart worden. Ausgehend vom geschätzen Wert der Metalle, würde Rumänien etwa eine Milliarde Dollar kassieren. Das Bergbauprojekt würde sich auf einen Zeitraum von 25 Jahren erstrecken. Davon würden zwei Jahre für den Bau der Förderinfrastruktur benötigt, 16 Jahre für den eigentlichen Abbau und weitere sieben Jahre für die Sanierung der Region und die Schließung der Mine.
Rumänien muss seine natürlichen Ressourcen gemäß geltenden europäischen Standards nutzen, sagte Ministerpräsident Victor Ponta. Laut seinen Angaben müssten infolge einer öffentlichen Debatte die wesentlichen Aspekte geklärt werden, die für oder gegen die Verwirklichung des Projekts sprechen. Denn seit Beginn des Projekts vor 15 Jahren seien lediglich konfuse Informationen verbreitet werden, die Raum für Spekulationen übrig ließen, so Ponta.
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