Geopolitik in Südosteuropa: Welche Folgen hat die Ukraine-Krise für Rumänien?
Rumänien sei von Russland gegenüber freundlich gesinnten Staaten umgeben und stehe infolgedessen vor zahlreichen Herausforderungen, meinen Politikbeobachter.
Corina Cristea, 17.10.2014, 15:56
Selbst wenn es jüngst in der Ukraine-Krise eine Geste der Entspannung aus Moskau gab und russische Soldaten aus dem Grenzgebiet zur Ukraine zurückgezogen wurden, dauern die Kämpfe in der Ostukraine an. Rumänien sei von Russland gegenüber freundlich gesinnten Staaten umgeben und stehe infolgedessen vor zahlreichen Herausforderungen, meinen Politikbeobachter.
Die Wirtschaft Russlands wird von der Rezession bedroht und vor dem Hintergrund der Sanktionen, die der Westen angesichts der Ukraine-Krise gegen Moskau verhängte, hat der Rubel negative Rekordwerte erreicht. Die Sanktionen sind illegal und werden vom Westen genutzt, um seine Wut rauszulassen. Wir haben einen anderen Weg eingeschlagen“, sagte diesbezüglich Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der anschließend für die Wiederaufnahme des politischen Dialogs plädierte. Die USA verkündeten jüngst, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Sanktionen gegen Moskau aufgehoben werden, sollte Moskau die am 5. September in Minsk vereinbarte Waffenruhe zwischen den ukrainischen Behörden und den prorussischen Separatisten einhalten. Was sollten die USA und die EU für die Ukraine tun? Der Vorsitzende des Eurasien-Zentrums im Atlantischen Rat und US-Botschafter in Kiew im Zeitraum 2003-2006, John Herbst, äußerte sich im Rumänischen Rundfunk:
Wir müssen in erster Linie strikte Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten und, sollte Russland die Ukraine-Krise weiter anheizen, dann müssen die bereits verhängten Sanktionen in Kraft bleiben. Zweitens müssen die USA die Kontrolle übernehmen und der Westen müsste der Ukraine wesentliche militärische Ressourcen zur Verfügung stellen. Drittens ist es meiner Ansicht nach höchste Zeit für eine entschlossene Antwort der NATO gegenüber der russischen Aggression in der Ukraine und den Drohungen aus Moskau, mit denen die baltischen Staaten konfrontiert werden.“
Zum Auftakt des ersten Besuches im Westen in den letzten vier Monaten des russischen Staatschefs Wladimir Putin anlässlich des Asien-Europa Gipfels in Mailand gab es eine Geste der Entspannung aus Moskau: Der Kremlchef hat den russischen Soldaten befohlen, sich aus dem Grenzgebiet zur Ukraine zurückzuziehen. US-Außenminister John Kerry bestätigte den Rückzug, dennoch dauern die Kämpfe in der Ostukraine an. Die Gefechte um den Flughafen Donezk müssen enden. Zudem müssten ausländische Truppen dort abziehen und alle Geiseln müssen freigelassen werden“, sagte der US-Außenminister Kerry, der anschließend forderte, dass die Souveränität der Ukraine entlang der Grenze zu Russland wieder hergestellt wird“. Diese seien die wichtigsten Bedingungen, die Russland erfüllen müsse, damit die Sanktionen aufgehoben werden, fügte Kerry hinzu.
In Kiew bekräftigte zudem die für Europa zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium, Victoria Nuland, es sei schwer vorstellbar, dass die NATO-Staaten die Ukraine als neues Mitglied akzeptieren. Nuland fügte hinzu, dieses Land genieße bereits alle Vorteile einer NATO-Mitgliedschaft“ und die Tore der Allianz stehen jedem Land offen, das den erforderlichen Kriterien nachkommt“. Rumänien sei seinerseits eine euroatlantische Insel, umgeben von Russland gegenüber freundlich gesinnten Staaten, erklären Politikexperten für den südosteuropäischen und ex-sowjetischen Raum. Ob Rumänien gegenüber dem direkten Druck des Kremls vulnerabel sei, dazu äußerte seine Meinung der Journalist Edward Lucas vom Magazin The Economist“:
Rumänien ist vulnerabel, weil es von Staaten wie Bulgarien und Ungarn umgeben ist, die verschiedene Abkommen mit Russland unterzeichnet haben. Die Ukraine hat auch ein Abkommen mit Moskau unterzeichnet. Der ukrainische Staatschef Poroschenko und Russlands Präsident Putin haben auch eine vertrauliche Vereinbarung, die Republik Moldau steht auch zum Teil unter russischem Einfluss. Serbien ist ein prorussisches Land“.
John Herbst betont auch die Vulnerabilität Rumäniens: Ich bin der Meinung, dass jedes osteuropäische NATO-Mitglied, insbesondere Staaten, wo russisch-stämmige Bürger leben, eine gewisse Vulnerabilität gegenüber dem Kreml zeigen. Putin hat eine äußerst aggressive Politik geführt und der Westen müsste sich dessen bewusst werden.“ Je schwächer die Ukraine und das Leben der Menschen schwieriger wird, desto besser wird die russische Propaganda funktionieren“, sagte auch der Journalist Edward Lucas:
Russland will die Glaubwürdigkeit des Westens in der Ukraine vernichten. Jetzt versprechen die Kiewer Behörden Sachen, die nicht eingehalten werden können. Sollte Kiew demnächst den internationalen Finanzinstitutionen seine Schulden nicht zurückzahlen, dann wird der IWF die Demütigung erleben, ein Land finanziert zu haben, das sein Vertrauen nicht verdiente. Sollte die Ukraine in diesem Winter Gas bekommen, das nach Westen fließen sollte, dann wird der Westen ebenfalls in Verlegenheit geraten.“
John Herbst verweist seinerseits darauf, dass Russland in den letzten sechs Monaten die baltischen Staaten vor ernsthaften Herausforderungen gestellt habe: Moskau habe einen estnischen Geheimdienstoffizier nach Russland entführt, litauische Schiffe festgehalten und bestehe darauf, gegen heutige litauische Bürger, die Anfang der neunziger den Militärdienst in der sowjetischen Armee verweigert hatten, Strafverfahren einzuleiten. Somit will Moskau den Beweis liefern, dass die Sicherheit der baltischen Staaten als NATO-Länder nicht garantiert sei.