Fake News: nur Falschmeldungen oder gezielte Manipulation?
Der neue Coronavirus hat nicht nur die ganze Welt auf den Kopf gestellt, sondern besitzt auch die Fähigkeit, die Verwundbarkeit der Gesellschaft gegenüber Fake News auf die Probe zu stellen.
Corina Cristea, 11.09.2020, 17:30
Schon zu Beginn der Pandemie wiesen die Behörden und Regierungen in ihren Botschaften auf die Präsenz eines Informationsangriffs oder, besser gesagt, Desinformationsangriffs hin, der Konturen zu verändern vermag. Es gibt viele Gründe für Fake News. Diese können politisch motiviert sein oder die Interessen der Impfgegner vertreten, sie können Persönlichkeiten ein strahlendes Profil verschaffen oder — im Gegenteil — eine andere abwerten.
Fake News sind nicht neu. Mit den Online-Plattformen haben sie aber riesig an Bedeutung gewonnen. Der Begriff Fake News ist nicht dem der Falschnachricht gleichzusetzen. Online-Desinformation hat nichts mit Journalismus gemeinsam, erklärte gegenüber Radio Rumänien Professor Alina Bârgăoanu, Mitglied der Expertengruppe für die Bekämpfung der falschen Nachrichten und der Desinformation der Europäischen Kommission. Das Kommunikations- und Informationsökosystem hat sind in den letzten Jahren von Grund auf verändert, ausgehend vom Online-Bereich, wobei die Mainstream-Medien den Kollateralschaden davon trugen, erklärt Prof. Bârgăoanu
Die Verwendung des Begriffs Fake News kann in die Irre führen, denn wenn wir den Fake-News-Begriff verwenden, dann denken wir an den Unterschied zwischen wahr und unwahr. Doch im Grunde genommen hat das Riesenphänomen der Online-Desinformation nicht unbedingt etwas mit dem Wahrheitsgehalt zu tun, sondern ist vielmehr ein Betrug an der Verwendung unseres persönlichen Profils, unserer Daten, in dem wir als Nutzer von Online-Plattformen zur Zielscheibe werden.“
Die Gefahr liegt in der Manipulation, begünstigt vom Algorithmus. Fake News werden aufgrund unserer Interessen geschaffen und zielgerichtet geliefert, abhängig vom registrierten Online-Verhalten. Von hier aus ist es einfach. Es ist überhaupt nicht schwer, einen Menschen zu beeinflussen, dessen Profil man sehr gut kennt, das Interesse dieses Menschen zu wecken und ihn zu verleiten, die Information, die seine Befürchtungen oder Vorurteile bestätigt, weiterzuleiten. In dieser Gleichung spielt das Binom Facebook-Google die Hauptrolle. Es trägt die Daten zusammen und verbreitet schnell und zielgerecht Informationen an eine fantastisch hohe Zahl von Nutzern, denn ihr Profil lässt sich leicht erspähen. Die israelischen Nachrichtendienste haben Artikel veröffentlicht, in denen sie behaupten, die Bereitschaft eines Menschen, sich in die Luft zu sprengen, aufgrund seines Schokoladenkonsums erstellen zu können, nannte Professor Alina Bârgăoanu als Beispiel.
Fake News sind weder Nachrichten noch sind sie komplett falsch. Wir können selbstverständlich auch über den Journalismus reden, dem Informationsfehler unterläuft, der bewusst Desinformationen auf dem Markt bringt. Die schlechte Nachricht aber ist, dass wir bei Fake News nicht über Nachrichten sprechen. Wir können über Gefühle reden, über Meme, Kurzfilme, Karikaturen, Hashtags, nicht aber über etwas Falsches. Eine Nachricht kann wahr sein, aber wenn sie anhand von Algorithmen, Suchmaschine vervielfältigt wird, dann mutiert diese zu einem Fake, weil sie in einen ungleichen Wettbewerb mit einer genauso wahren, aber nicht verbreiteten Nachricht steht. Dieses Phänomen habe ich Desinformation 2.0 genannt, weil ich auf eine völlig neue Erscheinung hinweisen wollte, die im Zusammenhang mit der Explosion der Online-Plattformen steht, und nicht mit dem Journalismus.“
Wir hier in Rumänien seien in die Falle getappt, das Gespräch über Fake News mit den Begriffen wahr oder unwahr zu führen, behauptet Professor Alina Bârgăoanu.
Ich glaube, der grundlegende Unterschied liegt zwischen »Viralem« und »Nichtviralem«, zwischen dem, was auf die Suchmaschinen gelangt und dem, was nicht auf die Suchmaschinen kommt, was von Facebook übernommen oder von Facebook herausgenommen wird. Es gibt Mechanismen, anhand welcher Google deinen Namen auf dem 1. Platz stellen kann oder auf dem 100. in einer Suchanfrage. Das bedeutet nicht, dass du nicht existierst, aber Google kann dich zu einer öffentlichen Person machen oder aus dem öffentlichen Raum verbannen. Wenn wir über das umfassende Phänomen der Online-Desinformation sprechen, dann sollten wir meiner Meinung nach nicht mit den Begriffen wahr/unwahr argumentieren, sondern aufgrund der grundlegenden Änderungen, die die Online-Plattformen im Informationsökosystem herbeigeführt haben.“
In den meisten Fällen finden wir in Fake News panikmachende Übertreibungen. Ihre Verbreitung wird durch den Bange machenden Charakter beflügelt, durch die Tatsache, dass es Informationen enthält, die einen verstören oder wütend machen. Diese können Spannungen bewirken, Menschen oder Behörden an den Pranger stellen oder die soziale Kohäsion schwächen. Besorgniserregend ist desgleichen, dass Fake News ihre Wirkung auch nach ihrer Widerlegung weiter entfalten. Bildhaft ausgedrückt, greifen Fake News die Urteilsfähigkeit an, und eine unter Beschuss stehende Aufnahmefähigkeit ist viel anfälliger für Manipulation. Die Manipulation ist ein wichtiger Bestandteil der hybriden Kriegsführung, wobei dahinter auch staatliche Akteure stehen können. Ihr Zweck, ist Änderungen in der kollektiven Wahrnehmung herbeizuführen. Dafür wird Unzufriedenheit, Frustration sogar Hass gestreut, um eine politische Reaktion zu erzielen. Es entstehen zum Beispiel antieuropäische oder antiwestliche Parteien, um einen dramatischen Paradigmenwechsel in der Geopolitik und Sicherheit herbeizuführen.