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EU-Gipfel in Bratislava: Europa braucht viele Reformen

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich vergangene Woche im Rahmen eines informellen Gipfels in Bratislava getroffen. Es ging vor allem darum, das europäische Projekt nach dem Brexit-Referendum wieder anzukurbeln.

EU-Gipfel in Bratislava: Europa braucht viele Reformen
EU-Gipfel in Bratislava: Europa braucht viele Reformen

, 23.09.2016, 17:30

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich vergangene Woche im Rahmen eines informellen Gipfels in Bratislava getroffen. Es ging vor allem darum, das europäische Projekt nach dem Brexit-Referendum wieder anzukurbeln. In diesem Zusammenhang wurde eine Schwerpunktliste für die europäischen Institutionen und Mitgliedsstaaten erstellt.



Die EU-Mitgliedsstaaten wollen sich in den kommenden Jahren vermehrt auf die interne und externe Sicherheit konzentrieren. Ma‎ßnahmen zur Terrorismusbekämpfung, der Schutz der Au‎ßengrenze und die Beziehungen zu den Staaten Nordafrikas wären hier die Schlagwörter. Allerdings äu‎ßerten sowohl einige der führenden Politiker als auch Politikexperten unmittelbar nach dem Gipfel in Bratislava ihre Kritik.



Die härteste Reaktion hatte Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi. Er bezeichnete das Treffen in der slowakischen Hauptstadt als verpasste Gelegenheit für die Festlegung konkreter Ma‎ßnahmen, vor allem angesichts der Migrationsfrage. Die Abschlusserklärung von Bratislava beziehe sich weder auf ein Engagement der EU zugunsten der afrikanischen Länder noch auf die Bekämpfung des Migrationsproblems oder das soziale Europa, sagte Renzi im Interview mit der Tageszeitung Corriere della Sera.



Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich derweil optimistisch über die Zukunft der EU. Der Geist von Bratislava war ein Geist der Zusammenarbeit“, sagte Merkel bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem französischen Präsident François Hollande nach dem Treffen. Alle seien sich einig gewesen, dass es jetzt weder um gro‎ße Erklärungen noch um Vertragsänderungen geht, sondern dass es vorrangig darum geht, Taten zu zeigen, dass wir unseren Anspruch für die Bürger nachvollziehbar umsetzen“. Merkel scheute andererseits nicht davor, die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der EU und das Scheitern des von ihr vorgeschlagenen Verteilungsschlüssels für Flüchtlinge einzuräumen.



Unterdessen appellierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei seiner Rede zur Lage der EU im Europaparlament in Stra‎ßburg vergangenen Mittwoch an die Staaten. Sie sollten ihren fairen Anteil“ bei der Neuansiedlung und Umsiedlung von Flüchtlingen zu leisten.



Absolute Priorität“ ist für Juncker die Verteidigung der EU, vor allem gegen den Terrorismus. Seit 2004 gab es in Europa mehr als 30 Terroranschläge, 14 davon im Vorjahr. Wir waren in der Trauer solidarisch, wir müssen auch in unserer gemeinsamen Reaktion geeint bleiben“, erklärte er. Den Terroristen müsse gezeigt werden, dass sie keinerlei Chance haben, wenn sie versuchen, unsere Werte anzutasten“, so Juncker.



Bis November werden wir den Vorschlag für ein Europäisches Reiseinformationssystem vorlegen, ein automatisiertes System zur Erteilung von Einreisegenehmigungen in die EU. So werden wir wissen, wer nach Europa reist, noch bevor er oder sie ankommt. Sicherheit an den Grenzen bedeutet auch, dass der Austausch von Informationen und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen prioritär behandelt wird. Dazu werden wir Europol stärken, indem wir ihr einen besseren Zugang zu Datenbanken und zusätzliche Ressourcen geben. Ein Europa, das beschützt, verteidigt seine Interessen auch über seine Grenzen hinweg. Die Faktenlage ist simpel: Die Welt wächst. Und wir schrumpfen. Heute machen wir Europäer 8% der Weltbevölkerung aus — 2050 werden es nur noch 5% sein. Bis dahin werden Sie unter den führenden Wirtschaftsnationen der Welt kein einziges EU-Land mehr finden. Aber die EU gemeinsam? Wir wären immer noch einer der Spitzenreiter.“



Jean-Claude Juncker setzt inhaltlich künftig auf einen besseren Au‎ßengrenzschutz der Union und auf eine stärkere Verteidigungsunion. Heute verteidige die EU ihre Grenzen mit dem Grenzschutz und der Küstenwache. Er wolle, dass ab Oktober mindestens 200 Grenzschützer auch an den Au‎ßengrenzen Bulgariens aufgestellt werden“, so Juncker. Die Verteidigung werde 20 bis 100 Milliarden pro Jahr kosten“. Er schlage deshalb vor, bis Jahresende einen europäischen Fonds für Verteidigung einzurichten, um aktiv Forschung und Innovation anzuregen, so der EU-Kommissionspräsident.



Im Kampf gegen Arbeitslosigkeit will Juncker den milliardenschweren Plan für Investitionen in Europa deutlich ausweiten. Er wolle die Laufzeit des Fonds nach 2018 um weitere drei Jahre verlängern und das angestrebte Investitionsvolumen auf bis zu 630 Milliarden Euro anheben, kündigte Juncker an. Der Luxemburger sieht in einem Ausbau von Internetverbindungen und der Verfügbarkeit von kostenlosem Internetzugang nicht nur eine Chance, die Menschen in Europa näher zusammenrücken zu lassen, sondern auch um mehrere Millionen neuer Jobs zu schaffen. Bis 2020 will der Kommissionspräsident dafür sorgen, dass in den Zentren aller europäischen Gro‎ßstädte freier WLAN-Zugang zur Verfügung steht. Parallel dazu will er das schnelle mobile Internet, 5G, ausbauen. Bis zum Jahr 2025 soll es flächendeckend in allen europäischen Staaten verfügbar sein. Au‎ßerdem müsse man Europa besser erklären können, glaubt Juncker.



Unsere Kinder haben etwas Besseres verdient. Ein Europa, das ihre Art, zu leben, schützt und erhält. Ein Europa, das sie stärker macht und verteidigt. Ein Europa, das sie beschützt. Es ist an der Zeit, dass wir alle — die EU-Institutionen, die Regierungen, die Bürgerinnen und Bürger — die Verantwortung dafür übernehmen, dieses Europa aufzubauen. Gemeinsam.“



Juncker beendete seine Rede mit dem Satz: Die Geschichte wird sich nicht an uns erinnern, sondern an unsere Fehler.“ Experte Jan Kovac vom Prager Institut für Internationale Beziehungen glaubt, dass Europas führende Politiker nicht imstande seien, die Union und ihrer Bürger näher zu bringen. Die einzige Lösung bestünde laut Kovac darin, dass die politischen Strategien Bereiche betreffen, mit denen möglichst viele Menschen etwas anfangen können.

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