Dynamik der europäischen Beziehungen nach dem Brexit
Der Austritt Großbritanniens aus der EU wurde zwar wiederholt verschoben, befindet sich jedoch auf der Zielgeraden.
Corina Cristea, 10.01.2020, 17:30
Das neue Parlament in London, das aus dem Sieg der Konservativen in Großbritannien hervorgegangen ist, hat nämlich grünes Licht für das Gesetz gegeben, das den 31. Januar 2020 als Datum für das Brexit festlegt.
Zum ersten Mal seit dem Referendum von 2016 scheint die Lage deutlicher zu sein, selbst wenn Unsicherheiten über die Dynamik der Beziehungen nach dem Brexit bestehen. Wie werden diese Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU aussehen — zwei Gebilde, die durch Kultur, Geschichte, Wirtschaft oder Sicherheitsfragen miteinander verbunden sind, wobei Großbritannien schließlich auch der wichtigste militärische Beitragszahler der EU ist?
Großbritanniens Austritt aus der EU ändert nicht die Art der Interessen, die Großbritannien an den Rest des Kontinents binden, er ändert nicht die Art der gemeinsamen Bedrohungen für Großbritannien und die EU, aber er ändert die Art und Weise, auch rechtlich, in der eine solche Zusammenarbeit fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was mit den EU-Bürgern ist, die in Großbritannien arbeiten oder leben, oder mit den britischen Staatsbürgern, die in den EU-Mitgliedsstaaten studieren, arbeiten oder wohnen — Rumänien ist dabei einer der Staaten mit einer bedeutenden Anzahl von Staatsangehörigen in Großbritannien, sowohl Studenten als auch als Arbeiter“, erklärt der Außenpolitikanalytiker Andrei Ţărnea.
Der Brexit verändert das Kräfteverhältnis innerhalb der EU. Es ist ohne Zweifel eine Verschiebung des Schwerpunkts, glaubt der Analyst Andrei Ţărnea. In den letzten 2–3 Jahren war die Stimme des Vereinigten Königreichs, obwohl es formal Mitglied der Union war, nicht mehr so wichtig wie früher. Es ist quasi eine Rückkehr zur bisherigen Formel: Das deutsch-französische Paar sieht zwar anders aus als das Duo, das in den ersten 20 Jahren der EU funktioniert hat, wird aber wieder wichtig in einem geopolitischen Kontext, der sich grundlegend verändert hat, in einem unterschiedlichen regionalen und ökonomischen Kontext, sagt Andrei Ţărnea.
Es ist das Comeback einer historischen Formel: Großbritannien ist ja kein Gründungsmitglied der EU, sondern trat der EU nach dem Ende der Amtszeit von Präsident De Gaulle bei — er war einer der Politiker aus den großen Ländern, die sich gegen die Mitgliedschaft Großbritanniens, der Wirtschaftsgemeinschaft ausgesprochen haben. Was zählt, ist, dass Großbritannien immer ein Befürworter der EU-Erweiterung war, ein Befürworter einer erweiterten EU, die als Instrument der politischen Koordination, der Angleichung demokratischer Prinzipien und Standards und als Wirtschaftsraum, als schlüssiges Konstrukt auf der wirtschaftlichen Ebene arbeiten würde“, betonte Andrei Ţărnea.
Eine weitere Frage ist, ob sich die Dynamik der internationalen Beziehungen mit der Loslösung Großbritanniens von der EU verändern wird? Der Präsident des Zentrums für Konfliktverhütung, Iulian Chifu, besteht darauf, dass sich auf EU-Ebene vor allem die Dynamik verändern wird.
Der Austritt eines der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, einer Atommacht, aus der EU hinterlässt in der Tat innerhalb der Union mit Frankreich einen einzigen Atomstaat und ständiges Mitglied des Sicherheitsrates. Das schafft natürlich eine Singularität, ob wir es wollen oder nicht, zumal Frankreich in der europäischen Machtgleichung diese Verantwortung für die europäische Verteidigung übernehmen will und dies praktisch jeden Tag tut. Diese Situation wird auch unter finanziellen Gesichtspunkten zu prüfen sein. Auf europäischer Ebene ist der Rückzug Großbritanniens sehr wichtig, denn Großbritannien hat auch eine geopolitische Rolle des Ausgleichs gespielt. Das perfide Albion, das keine dauerhaften Verbündeten, sondern nur Interessen hat — so lautet das Bonmot. Nun, in diesem Zusammenhang verändert der Ausstieg Großbritanniens das Kräfteverhältnis bei den Mehrheitsabstimmungen — denn das Vereinigte Königreich war Deutschlands Verbündeter in der Wirtschaftspolitik und Frankreichs Verbündeter an der Verteidigungs- und Sicherheitsfront. So werden Frankreich und Deutschland in Zukunft gemeinsam in der Lage sein, Vorhaben durchzusetzen, die nur von den in puncto Macht oder strategischer Bedeutung nächstfolgenden 13 Staaten ausgeglichen werden können — also praktisch nie“, betonte Iulian Chifu.
Wir sprechen also über viel wichtigere Zusammenhänge als nur die, in die Großbritannien auf den ersten Blick in der EU involviert war, fügte Iulian Chifu hinzu.