China, das auf dem Gipfeltreffen des Nordatlantischen Bündnisses in Madrid als „Herausforderung“ für die Verbündeten bezeichnet wurde, bleibt ebenso wie die Lage in der Ukraine ein Problem. Zu Chinas Politik, die der NATO Sorge bereitet, gehören „der Einsatz von Desinformation, die rasche und undurchsichtige militärische Aufrüstung sowie seine Zusammenarbeit mit Russland“, erklärte Antony Blinken nach einem Ministertreffen der Militärallianz in Rumänien. Pekings langfristige Herausforderungen für die Interessen, Werte und die Sicherheit der NATO-Verbündeten standen bei den Gesprächen in Bukarest im Vordergrund, wie auch Generalsekretär Jens Stoltenberg feststellte:
„Die NATO ist ein Bündnis von Europa und Nordamerika. Aber die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind global, und wir müssen sie im Rahmen der NATO gemeinsam bewältigen. Wir sehen China nicht als Gegner und werden weiterhin mit China zusammenarbeiten, wenn es im Interesse des Bündnisses liegt, auch um unsere gemeinsame Position zu Russlands illegalem Krieg in der Ukraine zu vermitteln. Die NATO-Außenminister befassten sich in Bukarest mit den ehrgeizigen militärischen Entwicklungen Chinas, seinen technologischen Fortschritten und seinen zahlreichen hybriden und Cyber-Aktivitäten. Der Krieg in der Ukraine hat unsere gefährliche Abhängigkeit von russischem Gas gezeigt. Dies sollte uns dazu veranlassen, unsere Abhängigkeit von anderen autoritären Regimen, nicht nur von China, bei der Bereitstellung von Technologie, Lieferketten oder Infrastruktur zu überprüfen. Natürlich werden wir auch weiterhin Wirtschaftsbeziehungen zu China unterhalten, aber wir müssen uns unserer Abhängigkeiten bewusst sein, unsere Schwachstellen verringern und unsere Risiken kontrollieren,” so Stoltenberg.
In Bukarest erörterten die NATO-Minister auch die Erweiterung des Bündnisses mit Schweden und Finnland, sowie Themen wie Terrorismus und die Verstärkung der maßgeschneiderten Unterstützung für Bosnien und Herzegowina, Georgien und die Republik Moldau als Partner des Bündnisses. Dabei ging es einschließlich um den Aufbau von Kapazitäten, die Reform und die Ausbildung zur Verbesserung ihrer Sicherheits- und Verteidigungseinrichtungen. Doch die Ministerkonferenz stand ganz im Zeichen des russischen Krieges in der Ukraine mit all seinen Folgen. „Die Ukraine hat angesichts der russischen Invasion bedeutende Fortschritte gemacht, aber wir dürfen Russland nicht unterschätzen, dessen Raketen weiterhin Städte, Zivilisten und kritische Infrastrukturen in der Ukraine angreifen“, betonten die NATO-Minister. Das Nordatlantische Bündnis muss dafür sorgen, dass die Ukraine aus dem Krieg gegen Russland als Sieger hervorgeht, sagte auch Generalsekretär Jens Stoltenberg:
„Die dringendste Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Ukraine als souveräne, demokratische und unabhängige Nation in Europa triumphiert. Um dies zu erreichen, müssen wir so viel nachhaltige militärische, wirtschaftliche, finanzielle und humanitäre Unterstützung wie möglich mobilisieren, und genau das tun wir jetzt“, erklärte er. In Bukarest kündigten die Verbündeten erhebliche Beiträge zum umfassenden Hilfspaket der NATO an, mit dem der Ukraine auch Treibstoff und Generatoren zur Verfügung gestellt werden. Diese Hilfe ist äußerst wichtig und umso notwendiger, als ein Ende des Krieges noch nicht abzusehen ist.
Ob zum jetzigen Zeitpunkt Russlands langfristiges Ziel voraussehbar ist, versuchte Professor Dan Dungaciu, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft und internationale Beziehungen der Rumänischen Akademie bei Radio Rumänien zu beantworten. Moskau will, dass die Verhandlungen so lange stattfinden, wie Russland im Gelände steht, so Dan Dungaciu. „Wenn die Verhandlungen mit russischen Truppen auf dem Gebiet der Ukraine beginnen, egal wie die geografischen Verteilung aussieht, die heute bei etwa 15 % liegt, dann hat Russland einen Vorteil. Und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Russland ist sehr geschickt darin, so zu manövrieren, als wäre es neutral oder der Ukraine ebenbürtig in den Verhandlungen – das hat Russland in vielen, vielen Situationen gemacht – als es um Georgien ging und als es um Transnistrien ging, hat es einfach seinen Besatzerstatus aufgehoben und wurde zum Verhandlungspartner. Zweitens passen Verhandlungen in Moskaus Konzept. Denn heute findet in der Russischen Föderation, auch in der Bevölkerung, ein psychologischer Wandel statt – und das erklärt in gewisser Weise die hohen Vertrauenswerte, die Wladimir Putin immer noch genießt (…) – Er hat in der Russischen Föderation, auch in der Bevölkerung, die Botschaft vermittelt, dass Russland gegen den Westen kämpft, wobei mit dem Westen die Europäische Union, die NATO und die Vereinigten Staaten gemeint sind. Wenn Russland gegen den Westen kämpft, ändert sich das Konzept von Sieg oder Niederlage radikal. Es spielt keine Rolle mehr, wie der Fahrplan der so genannten Sonderoperation aussah. Niemand spricht mehr über Russland und die Ukraine, das Wort „Sonderoperation“ wird nicht einmal mehr sehr häufig verwendet. Jetzt geht es um den Kampf mit dem Westen, und der Sieg für die Russische Föderation bedeutet nicht mehr, was ursprünglich im Kriegspapier stand, sondern es geht einfach nur darum, Widerstand zu leisten.“ Wenn Russland in der Ukraine nicht unterliegt, so Dungaciu ferner, dann ist das etwas, was der Kreml, Präsident Putin und die staatlichen Behörden auch im Dialog mit der Bevölkerung ausspielen können: Nicht einmal der gesamte, mit der Ukraine verbündete Westen hat es geschafft, uns zu besiegen.