Die NATO mit 70
Die NATO-Mitgliedsstaaten haben eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der sie zum ersten Mal auch die Herausforderungen anerkennen, die der Aufstieg Chinas weltweit mit sich bringt.
Corina Cristea, 20.12.2019, 17:30
Bei ihrem Treffen Anfang Dezember in London verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Erklärung, in der die Einheit der verbündeten Staaten betont wird. Außerdem zeigt das Dokument, dass das aggressive Vorgehen Russlands eine Bedrohung für die Sicherheit der NATO darstellt, und gibt die Zusicherung, dass das Bündnis rein defensiver Natur und sein Ziel die Abrüstung ist. Das Dokument legt jedoch auch fest, dass das Bündnis seine Fähigkeit zur Abschreckung weiter stärken wird, indem es sich mit einer angemessenen Mischung aus nuklearer, konventioneller und Raketenabwehr verteidigt, die kontinuierlich angepasst wird.
Professor Iulian Chifu, Leiter des Zentrums für Konfliktverhütung und Frühwarnung, hält den Gipfel für einen Erfolg:
Wir hatten einen Nordatlantikrat, eine Abschlusserklärung und mehr als ermutigende Dokumente, die diese Themen bekräftigen, einschließlich des Artikels 5, der zutiefst gültig ist und von jedem Mitglied der Allianz angenommen wird. Es stimmt, dass die NATO an sich keine Probleme hat, dass aber die verschiedenen Anführer der NATO unterschiedliche Ziele verfolgen. Sie sind nicht unbedingt zerstritten, die NATO kommt voran, und der Grundsatz »Alle für einen und einer für alle« ist zutiefst gültig und alle stehen dazu.“
Die Divergenzen innerhalb des Bündnisses seien zwar inhärent, aber es gebe Gemeinsamkeiten, wenn es darum geht, Sicherheit zu gewährleisten, den Terrorismus zu bekämpfen oder auf russische Provokationen zu reagieren, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg in London. In der Erklärung wurde der Wunsch geäußert, einen Prozess des Nachdenkens über die Zukunft der NATO einzuleiten, eine Entscheidung, die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron begrüßt wurde. Er hatte die Idee geprägt, dass das Bündnis hirntot“ sei, und drückte seine Besorgnis über die Intervention der Türkei in Syrien und die Tatsache aus, dass Ankara ein russisches Raketenabwehrsystem gekauft hat.
Zum ersten Mal diskutierten die Staats- und Regierungschefs der NATO über den internationalen Aufstieg Chinas. Der rumänische Sicherheitsanalytiker Iulian Fota erläutert diesen Punkt im Detail:
Die NATO hat bisher nicht über China diskutiert, also ist dies das erste Mal, dass die NATO in dieser Hinsicht Stellung bezieht, was sehr interessant ist. Dies zeigt, dass die Diskussion bereits in diese Richtung voranschreitet, und wir sollten nicht vergessen, dass viele Experten bereits sagen, dass die Zukunft der NATO stark von der Art und Weise beeinflusst wird, wie sie sich zu China verhält. Wenn wir von einem ideologischen Rivalen sprechen, vielleicht sogar von einer Sicherheitsbedrohung gegenüber dem Westen, einer sehr komplexen mittel- und langfristigen Bedrohung, dann weiß jeder, dass dies China ist und nicht Russland, das ein viel schwächeres Land ist. Trotz all des Lärms, den es macht, verfügt es nicht über die notwendigen Mittel, um eine Konfrontation mit der NATO auf lange Sicht durchzusetzen.“
Der NATO-Gipfel brachte Rumänien einige Vorteile, wenn es um seine Interessen am Schwarzen Meer geht, sagt wiederum Iulian Chifu:
Ich glaube, dass wir uns die neun Punkte der Schlusserklärung ansehen können und wir werden das Wesentliche eines Gipfels anlässlich der 70 Jahre nach der Gründung der Allianz erkennen, also eines Sondergipfels. Vor allem für Rumänien war er vorteilhaft im Hinblick auf seine Schwarzmeerinteressen, die für das Bündnis eine wichtige Priorität darstellen, da es sich um einen neuen operativen Raum handelt, zusätzlich zu den drei konventionellen, plus Cyberspace und Weltraum.“
In diesem Zusammenhang fügt Iulian Chifu hinzu, dass es neben Bestätigungen und Neupositionierungen sowie den Verteidigungsplänen für den nördlichen und südlichen Teil der Ostflanke eine Wiederholung aller Kategorien von Bedrohungen gab. Darüber hinaus ist die NATO die internationale Organisation, die sich am schnellsten an globale Gefahren angepasst hat, und dieser Anpassungsprozess muss fortgesetzt werden. Dies betonte der stellvertretende NATO-Generalssekretär, der rumänische Politiker Mircea Geoană in einem Interview mit Radio Rumänien:
Wir sind ein Bündnis, das sich schneller als jedes andere an die globalen Veränderungen angepasst hat. Der Punkt, wo eine Diskussion unter den Bündnisführern erforderlich ist, ist die Notwendigkeit einer Stärkung der NATO auf politischer Ebene. Wenn wir als Institutionen des demokratischen Westens wirklich in der Lage sein wollen, uns an die globalen Veränderungen anzupassen, dann können wir dies nur tun, wenn wir eine starke transatlantische Beziehung bewahren, indem wir den europäischen Pfeiler der NATO mit einer robusteren Europäischen Union stärken.“
Heute sei das Bündnis in einer tadellosen Gesundheit, obwohl sich die Welt rundum verändere, glaubt Mircea Geoană, und wir müssten uns ändern, denn der Anpassungsprozess höre nie auf.