Die Moldaurepublik nach dem Treffen in Vilnius
Wer hat nach dem Gipfel für EU-Ostpartnerschaft in Vilnius gewonnen? Russland oder die EU? Ist der Weg der Republik Moldau in die EU unumkehrbar?
Bogdan Matei, 13.12.2013, 17:44
Nach dem Gipfel für EU-Ostpartnerschaft in Vilnius Anfang November streiten Kommentatoren immer noch über den Endstand zwischen Brüssel und Moskau. Hat Russland gewonnen, da die Ukraine mit der größten Fläche, Bevölkerung und Bedeutung aus strategischem Gesichstpunkt von den europäischen Ex-Sowjetrepubliken in letzter Minute auf die Unterzeichnung der Asoziierungs- und Freihandelsabkommen verzichtet hat? Haben die Europäer gewonnen, da zwei andere ehemalige russische Kolonien, Georgien und die mehrheitlich rumänischsprachige Republik Moldau die besagten Abkommen unterzeichnet haben? War es eher Gleichstand?
Laut dem Rumänischen Zentrum zur Vorbeugung der Konflikte & Early Warnings hänge der Standpunkt von dem Standort der Beobachter ab. Auch wenn in Bukarest die Republik Moldau bereits als Meisterin der Ostparnerschaft angesehen wurde — so die Experten des Zentrums –, galt in Brüssel die Ukraine als Stützpfeiler. Somit kann der in Kiew getroffene Beschluss eine düstere Kettenreaktion für Chişinău oder Tiflis hervorrufen. Der amerikanische Analyst rumänischer Abstammung Vladimir Socor glaubt dagegen nicht, dass die Nichtunterzeichnung der Abkommen durch die Ukraine beträchtliche Folgen für die Republik Moldau haben werde. Das Schicksal der durch Rumänien unmittelbar mit der EU benachbarten Republik hängt nicht von den Entscheidungen der Ukraine ab — erklärte Socor für Radio Rumänien. Bukarest kann sich selber gratulieren, denn es war und bleibt konsequent der Hauptanwalt der europäischen Bestrebungen der Republik Moldau. Was hat Rumänien also dem Gipfel in Vilnius abzugewinnen? Außenpolitikanalyst Christian Mititelu, ehemaliger Leiter der rumänischen Redaktion von Radio BBC in London, meint:
Rumänien kann einen Nachbar gewinnen, der hoffentlich eine Entwicklungs- und Stabilitätszone sowie eine Zone sein wird, in die sich die europäischen Normen über den Pruth ausweiten werden. Die Moldaurepublik müsste sich nächstes Jahr stark anstrengen, um dieses Abkommen nicht nur zu paraphieren, sondern auch zu unterzeichnen. Wenn das erfolgt, dann denke ich, dass es aus strategischer Sicht und aus sicht der Stabilität einen Erfolg für Rumänien darstellen wird.“
Als das Verfassungsgericht in Chişinău gleich nach dem Gipfel in Vilnius Rumänisch und nicht das nicht existierende Idiom Moldawisch zur Amtssprache erklärt hat, hielt Rumäniens Präsident Traian Băsescu seine Freude nicht zurück. Die Republik Moldau, sagte er, kann nun den gemeinschaftlichen Besitzstand (acquis communautaire) und die europäsiche Gesetzgebung, die bereits ins Rumänische übersetzt wurden, vollständig umsetzen. Seinerseits versprach der Bukarester Senatspräsident Crin Antonescu, dass Rumänien das erste EU-Mitgliedsland sein werde, das die Visumspflicht für moldauische Bürger aufhebt, sobald Brüssel einen Beschluss in diesem Sinne treffen wird.
Vorerst geben selbst die prowestlichen Spitzenpolitiker in Chişinău zu, dass die Republik Moldau sich nicht von Moksau abkoppeln kann, da sie von den russischen Energieressourcen und dem Markt der sogenannten Gemeinschaft der Ex-Sowjetischen Unabhängigen Staaten (GUS) abhängig ist. Der moldauische Botschafter in Rumänien, Iurie Reniţă, behauptet sogar, dass die Zugehörigkeit zur GUS nicht die Annäherung an die EU hindert. Dies, obwohl EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barosso davor warnte, dass die Republik Moldau nicht gleichzeitig den beiden Räumen angehören kann. Christian Mititelu glaubt, dass die Partie aus politischem Gesichtspunkt noch nicht ausgetragen wurde. Russland verfüge also noch über Hebel, wodurch es den Weg Chişinăus in den Westen blockieren könne.
Es verfügt natürlich über diese Hebel, denn die Republik Moldau ist zu 100% von Russland energieabhängig. Nur nach der Fertigstellung der Erdgas-Pipeline, die die Moldaurepublik mit Rumänien verbindet, wird sich die Situation bessern. Wenn Russland Druck ausüben möchte, hält es die geschriebenen oder ungeschriebenen Regeln des internationalen Handels nicht mehr ein.“
Vladimir Socor meint aber, dass Russland keine beträchtlichen Mittel hat, um die Regierung oder die Bevölkerung der Republik Moldau zu bestechen oder zu erpressen. In Chişinău, glaubt Socor, herrsche eine übertriebene Nervosität im Zusammenhang mit den Vorhaben Russlands. Auch wenn diese Vorhaben zu den schlimmsten zählen, sagt er, gibt es die notwendigen Mittel nicht mehr, denn der Hauptbestandteil der prorussischen Opposition, die Kommunistische Partei, fällt offensichtlich in sich zusammen, und die Medien sowie die Sponsoren aus dem Geschäftsumfeld haben wichtige Mittel verloren, wodurch sie die Wähler beeinflussen konnten. Christian Mititelu:
Die Anziehung Chişinăus in die westliche Laufbahn ist auch ein strategischer Erfolg. Dieser grenzt die Ambitionen Russlands ein, in irgend einer Weise eine neue Sowjetunion aufzubauen. Vergessen wir nicht, dass Präsident Putin gesagt hat, der Zerfall der Sowjetunion sei die größte Tragödie des vorigen Jahrhunderts. Er verweist darauf, dass der Kalte Krieg, den wir für vollständig begraben glaubten, nicht ganz zu begraben ist. Außerdem gebe es die Möglichkeit, dass diese scheinbar wirtschaftliche, aber in Wirklichkeit strategische Rivalität wieder unangenehme Gestalten annimmt.“
Nicht unbedingt aus offen bekundeter Rivalität zu Russland begrüßten die Vereinigten Staaten die Entscheidung Chişinăus herzlich. John Kerry, der dort anwesend war, erklärte, dass die europäische Integration die beste Garantie für eine sichere und erfolgreiche Zukunft darstelle.
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