Bevölkerungsrückgang in Rumänien
Bleibt die derzeitige Geburterate unverändert, könnte Rumänien im Jahr 2030 nur noch knapp 16 Mio. Einwohner haben und jedes folgende Jahr um weitere 100.000 Menschen schrumpfen.
Corina Cristea, 24.01.2014, 17:30
Die Statistik weist einen unerwünschten Rekord auf: 2013 war das Jahr mit den wenigsten Geburten, seit es Rumänien als modernen Staat gibt. Unterdessen stirbt jede 2 Minuten und 15 Sekunden ein Einwohner des Landes. Eine einfache Hochrechnung zeigt, dass in diesem Rhythmus die Bevölkerung Rumäniens bis 2030 weniger als 16 Millionen Personen zählen wird. Dieser Stand ist vergleichbar mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg.
Absehbar sank die Geburtenrate nach der antikommunistischen Revolution gleichzeitig mit dem Ausstieg aus der Förderpolitik zur forcierten Steigerung der Bevölkerungszahl aus der Zeit des Ceauşescu-Regimes. Das wurde danach zu einem konstanten Phänomen im Rumänien der letzten 22 Jahre. Soziologen schätzen, dass diese Tendenz auch 2014 anhält. Laut Statistik werde die Bevölkerung Rumäniens im Juli dieses Jahres 19.450.000 Einwohner betragen, eine Viertel Million weniger als im Vorjahr, und damit den Stand von vor 45 Jahren erreichen. Professor Vasile Gheţău, Leiter des Instituts für Demographische Studien erläutert in einem Interview mit Radio Rumänien:
In Rumänien ist die Geburtenrate in der ersten Hälfte der 90er Jahren gesunken und seit 1995 konstant geblieben — 10 Neugeborene bei 1.000 Einwohnern. Es gibt auch einen weiteren Indikator, der aussagefähiger ist und in der Zeit weniger schwankt. Es handelt sich um die Zahl der Kinder, die eine Frau auf die Welt bringt. Seit Mitte der 1990er beträgt diese Zahl den Durchschnittswert von 1,3. Die Zahl der Neugeborenen begann gleich nach 1989 zu sinken und diese Entwicklung war absehbar, sobald die Einschränkungen bei Verhütung und Abtreibungen aufgehoben wurden. 1989 kamen in Rumänien 370.000 Babys auf die Welt. Unterdessen haben wir in den letzen 10 Jahren einen Durchschnitt von ungefähr 200.000. Es ist also ein beträchtlicher Rückgang.“
Die Stabilisierung, die eine gewisse Zeit erwartet wurde, hat noch nicht stattgefunden. Die wenigen Maßnahmen zur Geburtenförderung zeigen keine Wirkung. Zurzeit beträgt z.B. das Kindergeld unter 10 Euro im Monat und ist somit viel niedrieger als die Pauschale für die Verpflegung eines Strafgefangenen. Das Schrumpfen der Bevölkerung ist aber nicht nur in Rumänien ein Problem, stellt Professor Vasile Gheţău klar:
Fast die ganze Gesellschaft Europas leidet leider darunter. Gleichzeitig mit der Modernisierung der europäischen Gesellschaft verzeichnete die Geburtenrate eine sinkende Tendenz bei allen europäischen Bevölkerungen. Paradoxerweise hatten der verbesserte Lebensstandard, die höhere Qualität der ärztlichen Versorgung und die Zunahme der durchschnittlichen Lebensdauer eine gegensätzliche Wirkung auf die Zahl der Kinder, die eine europäische Frau auf die Welt bringt.“
Zurück aber zur Lage in Rumänien — Professor Vasile Gheţău spricht über Möglichkeit, die tendenziell negativen Bevölkerungszahlen ins Positive zu bringen:
Die demographischen Mechanismen vefügen über eine tadellose Mathematik. Sie sind äußerst rigide. Wir müssten eine Steigerung der Natalität, aber gleichzeitig auch eine Senkung der Sterberate haben, um Bevölkerungszuwachs zu erzielen. Diese Entwicklungen können aber in der kommenden Zeit nicht stattfinden. Eine Steigerung der Geburtenrate würde langfristige und sehr langfristige, besonders großzügige Strategieprogramme auf Landesebene voraussetzen. Doch über so etwas verfügt Rumänien zurzeit nicht. Darüber hinaus würde eine Senkung der Sterberate weitere riesige Investitionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit der Bevölkerung implizieren.“
Laut Professor Vasile Gheţău sei die Suche nach Finanzressourcen zur Förderung der Geburtenrate in diesem Augenblick eher ein Fehler. Die Steigerung der Natalität während einer Krisenzeit könne nicht gesund sein. Die Auswirkungen würde man in erster Linie bei den wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerungskategorien feststellen. Über die Konsequenzen der Senkung der Geburtenzahl sagt der Leiter des Instituts für Demographische Studien der Rumänischen Akademie Folgendes:
Die sinkende Neugeborenenzahl hat auf Landesebene, auf Makro-Ebene sozusagen, zu einer Herabsetzung der Ausgaben geführt. Der Staat hatte weniger Kosten durch die sogen. Zulagensysteme wie z.B. Kindergeld und bezahlter Mutterschaftsurlaub. Das sind die bisherigen Auswirkungen. Es gab auch negative Einflüsse. Dabei können wir uns z.B. auf die Zahl der Schüler beziehen. Es hat Schulen gegeben und es gibt auch weiterhin welche, die ihre Türen schließen müssen. Wenn die Zahl der Schüler sinkt, wirkt sich das auch auf die Zahl der Lehrkräfte in einigen Landesteilen aus. Aber alle kurzfristigen Vorteile, die ich genannt habe, zu denen auch weitere genannt werden können, werden langfristig und sehr langfristig zu Nachteilen.“
Der natürliche Bevölkerungsrückgang betrug in den letzten Jahren in Rumänien 50.000 Einwohner jährlich. Daten aus einheimischen und internationalen Untersuchungen belegen, dass nach 2030 der natürliche Rückgang der rumänischen Bevölkerung bis zu 100.000 Einwohner im Jahr erreichen könnte.
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