Rückblick auf die internen Ereignisse 2024
In Rumänien deutete 2024 bereits früh auf ein politisch kompliziertes Jahr hin, geprägt von Kommunal-, Europa-, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Doch niemand ahnte, welche Entwicklungen das Jahresende und der Wahlmarathon bringen würden. Wir blicken heute auf die wichtigsten internen Ereignisse des Jahres zurück.
Newsroom, 04.01.2025, 13:00
Wahlmarathon vor dem Endspurt abgebrochen
Im Juni fanden die Kommunalwahlen zeitgleich mit den Europawahlen statt. Die gemeinsame Liste der Regierungsparteien PSD und PNL setzte sich bei den EU-Wahlen gegen die Konkurrenz durch. Auch bei den Kommunalwahlen gewannen die Sozialdemokraten und die Liberalen – in dieser Reihenfolge – die meisten Bürgermeister- und Stadtratsposten.
Der zunehmend schärfere Ton im Wahlkampf kühlte die Beziehungen zwischen Premierminister Marcel Ciolacu (PSD) und Nicolae Ciucă (PNL) spürbar ab, die beide das Spitzenamt anstreben.
Dann folgte der Schock der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 24. November: Das politische System erlitt einen schweren Schlag. Nicolae Ciucă erzielte ein einstelliges Ergebnis, Marcel Ciolacu landete nur auf dem dritten Platz – eine bittere Premiere für die PSD. Die Vorsitzende der bürgerlichen USR, Elena Lasconi, wurde Zweite, während der Sieger ein unabhängiger, zuvor kaum bekannter Kandidat war: Călin Georgescu.
Auf das allgemeine Erstaunen folgte Besorgnis: Călin Georgescus Äußerungen offenbarten das Bild eines prorussischen und zugleich antiwestlichen Extremisten, eines Bewunderers faschistischer und antisemitischer Führer der Zwischenkriegszeit sowie eines Befürworters einer autarken Wirtschaft nach dem Vorbild Ceaușescus.
Dann meldeten sich die Geheimdienste zu Wort, die bis dahin geschwiegen hatten. Sie erklärten Georgescus überraschendes Ergebnis damit, dass er unter Verletzung der Wahlgesetze aggressiv auf TikTok beworben worden sei. Die Kampagne sei mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt worden, offenbar durch einen staatlichen Akteur. Der rumänische Auslandsgeheimdienst warnte, dass das Land Ziel russischer hybrider Einflussoperationen sei. Das Verfassungsgericht annullierte die Wahlen mit der Begründung, dass das gesamte Wahlverfahren fehlerhaft gewesen sei – eine beispiellose Entscheidung.
In Washington verurteilte der überparteiliche außenpolitische Ausschuss des US-Senats die russische Einmischung in die rumänischen Präsidentschaftswahlen. Putins Angriff auf die Wahlen sei ein weiteres Beispiel für den hybriden Krieg gegen europäische Verbündete und Partner, erklärten die US-Senatoren.
Auch in Brüssel reagierte die Europäische Kommission: Sie kündigte ein förmliches Verfahren gegen TikTok an – damit wollte sie prüfen, ob die Plattform ihre rechtlichen Verpflichtungen zur Bewertung und Minderung von Risiken für die Integrität von Wahlen verletzt habe.
Beobachter sind sich einig: Fünfunddreißig Jahre nach dem Fall des kommunistischen Regimes zeigen sich in Rumäniens junger Demokratie erhebliche Schwachstellen. Deshalb sind tiefgreifende institutionelle und verfassungsrechtliche Reformen dringend erforderlich.
Szenario wiederholt sich: Fragmentiertes Parlament und Koalitionsregierung
Beflügelt durch Georgescus Erfolg zogen nach den Wahlen vom 1. Dezember drei selbsternannte souveränistische Parteien ins Bukarester Parlament ein.
Der Begriff „souveränistisch“ ist eine versüßte Formel, die Ultranationalisten, Populisten, isolationistische Globalisierungsgegner, EU- und NATO-Skeptiker, Extremisten und Verschwörungstheoretiker umfasst. Gemeinsam verfügen sie nun über ein Drittel der Sitze im Parlament. Das Aushängeschild dieser Gruppe ist die AUR, die sich bemüht, ein respektableres Image zu pflegen.
Die vier proeuropäischen Parteien reagierten auf die Gefahr, dass ein von den Nationalisten unterstützter Antiwestler die Präsidentschaft erringen könnte: PSD, PNL, USR sowie der Ungarnverband schlossen nach der ersten Wahlrunde einen Pakt gegen Extremismus.
Nach der Annullierung der Präsidentschaftswahlen einigten sie sich auf die Bildung einer Koalitionsregierung. Nach schwierigen Verhandlungen und dem Ausschluss der USR einigten sich PSD, PNL und der Ungarnverband (UDMR) schließlich auf eine Regierung unter Marcel Ciolacu. Als gemeinsamer Kandidat für die nächsten Präsidentschaftswahlen wurde der ehemalige PNL-Vorsitzende Crin Antonescu nominiert.
Die Legitimität des amtierenden Präsidenten Klaus Iohannis wurde von Politikern und Experten infrage gestellt. Sie bezweifelten die Entscheidung des Verfassungsgerichts, die Präsidentschaftswahlen für ungültig zu erklären, da diese nicht auf nachgewiesenen Fakten basiere. Die Ausrichtung von Neuwahlen hat deshalb Priorität. Aktuell steht jedoch die Sanierung der Steuer- und Haushaltspolitik im Vordergrund.
Ende des Jahres bestätigte die Ratingagentur Fitch das langfristige Fremdwährungsrating Rumäniens mit „BBB minus“, senkte jedoch den Ausblick von stabil auf negativ. Dies signalisiert die Möglichkeit einer weiteren Herabstufung. Die Änderung des Ausblicks spiegelt die politischen Unsicherheiten wider, die sich negativ auf die Haushaltslage, die steigende Staatsverschuldung und das hohe Haushaltsdefizit auswirken.
Sparmaßnahmen der Regierung scharf kritisiert
In ihrer letzten Sitzung des Jahres 2024 verabschiedete die Regierung in Bukarest eine Eilverordnung zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität, einer verantwortungsvollen Haushaltsführung und zur Kontrolle der öffentlichen Ausgaben für 2025. Das Dokument sieht die Aussetzung von Neueinstellungen im öffentlichen Sektor sowie ein Einfrieren von Renten und Gehältern der Staatsbediensteten auf dem Niveau von 2024 vor. Überstunden werden nicht mehr vergütet, und Boni oder Prämien entfallen vollständig.
Mit diesen Maßnahmen will die Regierung die Haushaltsausgaben um 1% des BIP senken, ohne jedoch auf Investitionen oder Verbesserungen der Lebensqualität der Bevölkerung zu verzichten.
Die Regierung hat zudem eine Erhöhung der Dividendensteuer von 8% auf 10% und eine Senkung der Steuerschwelle für Kleinstunternehmen von 500.000 € auf 250.000 € beschlossen. Außerdem hat sie die Beförderungsmöglichkeiten für Studenten eingeschränkt und die Steuererleichterungen für einige Kategorien von Arbeitnehmern abgeschafft. Die großen Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Studentenvereinigungen kritisierten die Maßnahmen der Regierung aufs Schärfste.
Gute Nachrichten in Sachen Freizügigkeit: Schengen und Visa Waiver
Seit dem 1. Januar ist Rumänien auch mit seinen Landgrenzen Teil des Schengen-Raums. Bereits im März war das Land mit seinen Luft- und Seegrenzen in den europäischen Freizügikeitsraums aufgenommen worden. Der vollständige Beitritt Rumäniens und Bulgariens wurde möglich, nachdem Österreich und die Niederlande ihren Widerstand aufgegeben hatten. Allerdings bleiben alternative oder stichprobenartige Grenzkontrollen noch für sechs Monate bestehen.
Laut den Behörden in Bukarest bringt die Aufnahme in den Schengen-Raum mehrere Vorteile: schnellere Grenzübertritte für Bürger, geringere Logistikkosten für Unternehmen, eine höhere Wettbewerbsfähigkeit rumänischer Produkte und Dienstleistungen, neue Geschäftsmöglichkeiten und Arbeitsplätze.
Auch aus Washington kamen positive Nachrichten: Das US-Außenministerium gab bekannt, dass Rumänien die 3%-Grenze für abgelehnte Visumanträge unterschritten hat – eine Voraussetzung für die Teilnahme am Programm für visumfreies Reisen in die USA.
Positives Jahr für den rumänischen Sport zu Ende gegangen
2024 war ein gutes Jahr für die rumänischen Sportlerinnen und Sportler, die mit neun Medaillen von den Olympischen Spielen in Paris zurückkehrten: dreimal Gold, viermal Silber und zweimal Bronze. Der Weltstar des Schwimmsports, David Popovici, bestätigte seinen Favoritenstatus und gewann den olympischen Titel über 200 m Freistil sowie Bronze über 100 m.
Auch im Fußball gab es Erfolge zu vermelden: Die Nationalmannschaft überstand bei der Euro 2024 in Deutschland die Gruppenphase und qualifizierte sich für das Achtelfinale. In der Nations League zeigten die Fußballer ebenfalls gute Leistungen – das verhalf Rumänien zum Aufstieg in den zweiten Lostopf bei der Auslosung der Qualifikationsgruppen für die WM 2026 in Nordamerika. Das wiederum führte zu einer vermeintlich leichteren Gruppe für Rumänien, die Gegner lauten dort Österreich, Bosnien-Herzegowina, Zypern und San Marino. Deswegen kann die Nationalmannschaft nach 26 Jahren wieder auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft hoffen.