Rückblick auf die Ereignisse der Woche 30.08.–3.09.2021
Regierungskrise in Bukarest +++ Parlament nimmt Arbeit wieder auf +++ Covid-19-Lage +++ Schulbeginn: Präsenz-Unterricht unter Auflagen +++ George-Enescu-Festival 2021
Eugen Coroianu, 04.09.2021, 17:15
Regierungskrise: Kommt es zum Bruch in der Koalition?
Seit Mittwoch kracht es ordentlich im Gebälk der Bukarester Regierungskoalition. Der liberale Premierminister Florin Cîțu hat ohne Rücksprache mit dem Juniorpartner USRPLUS den von dieser Partei aufgestellten Justizminister Stelian Ion entlassen. Stein des Anstoßes war ein regionales Infrastruktur-Entwicklungsprogramm, das nach dem rumänischen Ingenieur und Brückenbauer Anghel Saligny benannt ist. Der abgesetzte Minister habe es abgelehnt, das Projekt zu genehmigen, da es in seiner Auffassung gegen mehrere Gesetze und teilweise sogar gegen die Verfassung verstoßen würde. USRPLUS ließ die Absetzung ihres Ministers nicht auf sich sitzen und fordert nun nachdrücklich den Rücktritt des Premierministers. Sollten die Liberalen dieser Forderung nicht nachkommen, droht die USRPLUS mit einem Misstrauensantrag gegen die Regierung, deren Teil sie selbst ist. Am Donnerstag hat dann das Politbüro der PNL eine einstimmige Erklärung verabschiedet, mit der sich die Partei geschlossen hinter den Ministerpräsidenten stellt. Der Ungarnverband UDMR rief als dritter Koalitionspartner zu Besonnenheit auf — man unterstütze das Infrastrukturprojekt und halte gleichzeitig an der Fortsetzung der Koalition fest.
Die Opposition freut sich indessen über das Tohuwabohu — sowohl die Sozialdemokraten (PSD) als auch die als rechtskonservativ bis rechtsextrem eingestufte Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR) drohen mit eigenen Misstrauensanträgen und fordern ebenfalls den Rücktritt des Premierministers.
Staatspräsident Klaus Johannis hat die Entlassung des Justizministers umgehend abgesegnet und auch das Dekret zur Ernennung des bisherigen Innenministers Lucian Bode (PNL) zum interimistischen Amtsträger des Justizressorts unterzeichnet.
Parlament nimmt Sitzungen wieder auf
Mit dem ersten Herbsttag im Kalender hat auch das bikamerale Parlament in Rumänien seine Arbeit wieder aufgenommen. Laut Angaben der Spitzenpolitiker der Regierungskoalition (PNL-USRPLUS-UDMR) ist die Oberste Priorität auf der Agenda der Legislative die Verabschiedung eines Gesetzes zum Schutz der sogenannten vulnerablen Verbraucher. Im Senat wurde der Gesetzentwurf bereits verabschiedet, nun soll die Abgeordnetenkammer darüber beraten. Mit dem neuen Gesetz soll Familien mit geringen Einkommen geholfen werden, die seit der vollständigen Liberalisierung des Energiemarktes am 1. Juli erhöhten Strom- und Gasrechnungen zu bezahlen, da man im Winter eine regelrechte Preisexplosion erwartet.
Im Senat, der Oberkammer des rumänischen Parlaments, sollen indessen die Diskussionen über die Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft für Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte (SIIJ) fortgeführt werden. Experten aus dem In- und Ausland sind einhellig der Meinung, dass diese von der ehemaligen PSD-Regierung auf den Weg gebrachte Behörde völlig überflüssig und nur dafür geschaffen worden sei, um ermittelnde Staatsanwälte einzuschüchtern und damit die Bekämpfung der Korruption zu unterbinden.
Die PSD möchte im Senat auch die Verabschiedung eines Gesetzes durchboxen, mit dem Politikern, gegen die strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt werden soll. Nachdem die PSD sich der korrupten Führungsriege um den kürzlich aus dem Gefängnis entlassenen Liviu Dragnea einigermaßen entledigt hat, pocht sie damit nun auf ein Thema, das jahrelang im Diskurs des bürgerlichen Politikspektrums Vorrang hatte.
Covid-19: Delta-Variante des Virus auch in Rumänien vorherrschend
Die epidemiologische Lage verschlechtert sich auch in Rumänien zunehmend, nachdem immer mehr Erkrankungen mit der viel ansteckenderen Delta-Variante des Sars-Cov-2-Virus gemeldet werden. Die Zahl der Intensivpatienten und der Todesfälle infolge der Infektion hat in der vergangenen Woche dramatisch zugenommen, womit Rumänien nun offiziell von der vierten Welle der Pandemie erfasst wurde. Gesundheitsexperten führen diese Entwicklung auf die Zurückhaltung oder gar das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Impfung zurück. Nur knapp 27% der Rumänen sind vollständig geimpft, womit Rumänien den vorletzten Platz in der EU in puncto Immunisierung belegt.
Die Regierung möchte die Impfskepsis mit Geldprämien bekämpfen: Menschen, die sich vollständig impfen lassen, sollen Lebensmittelmarken (sogen. Essenscoupons“) in Wert von umgerechnet rund 20 Euro erhalten, außerdem wurde eine Impftombola eingerichtet. Ärzte beklagen indessen, dass die Intensivstationen mancherorts erneut überbelastet sind, und warnen, dass es zu dramatischen Engpässen kommen könnte.
Schulbeginn: Präsenz-Unterricht unter Auflagen
Am 13. September ist es soweit: Kitas und Schulen öffnen wieder Ihre Pforten. Es ist das dritte Schuljahr in der Pandemie, und die gesundheitlichen Vorkehrungen bleiben dieselben: Abstand halten, regelmäßiges Lüften der Schulklassen und Maskenpflicht in Innenräumen. Bei steigenden Inzidenzzahlen wird allerdings dezentral entschieden, ob in einer Schule der Präsenz-Unterricht ausgesetzt und wieder online durchgeführt wird. Bei einer Inzidenz unter 6 Neuinfektionen pro 1.000 Einwohner finden Aktivitäten in Krippen, Kindergärten und Schulen vor Ort mit physischer Präsenz der Kinder und Erziehenden statt. Ab 6 Neuerkrankungen pro 1.000 Einwohner in einer Ortschaft bleiben nur Krippen und Kindergärten offen, der Präsenzunterricht in Schulen wird ausgesetzt und online fortgeführt. Eltern und Schüler können sich an jedem Freitag einer Woche auf der Webseite des Gesundheitsamtes darüber informieren, wie es in der jeweils folgenden Woche weitergeht.
George-Enescu-Festival 2021: Ein Zeichen der Normalität im Kulturbetrieb“
Vergangenen Samstag hat das internationale Klassik-Festival George Enescu“ begonnen. Es ist die 25. Ausgabe der prestigevollen Musikfestspiele und sie markiert gleichzeitig den 140. Jahrestag seit der Geburt des weltbekannten rumänischen Komponisten George Enescu. Künstlerischer Leiter des Festivals ist auch diesmal der russische Dirigent Wladimir Jurowski. Insgesamt 3.500 Künstler aus der ganzen Welt treten im Rahmen des Festivals auf. Bis zum 26. September werden 32 Orchester aus 14 Ländern auf die Bühne steigen, die Konzerte werden nebst der Hauptstadt Bukarest in Hermannstadt, Temeswar, Jassy, Konstanza und weiteren Städten des Landes stattfinden.
Die 25. Ausgabe des George-Enescu-Festivals bringt uns einen Schritt näher an die zeitweilig verlorene Normalität des Kulturbetriebs mit vollen Konzertsälen und hochwertigen Kulturdarbietungen“, sagte der rumänische Kulturminister Bogdan Gheorghiu anlässlich der Eröffnung. Es sei wieder an der Zeit, sich der wunderbaren Klänge der Musik zu erfreuen und sich auf die Traditionen zu besinnen, die die kulturelle Identität einer Nation ausmachen, so der Kulturminister in seinem Statement.