Vor French-Open-Start: Hat Halep ein mentales Problem?
Auch beim letzten Sandturnier in Rom konnte sich Rumäniens Simona Halep nicht durchsetzen. Für sie war im Halbfinale Schluss. Erneut wurden die Stimmen der Pessimisten unter den Tennisfans lauter. Doch die Kritik ist kaum gerechtfertigt.
Alex Sterescu, 18.05.2015, 15:17
Am Samstag war das Turnier in Rom für Simona Halep beendet. Im Halbfinale unterlag sie der Spanierin Carla Suarez Navarro mit 6:2, 3:6 und 5:7. In einer Woche beginnen die French Open, das Grand Slam-Turnier, bei dem sich die Sportlerin aus Constanţa am besten fühlt und ihr die größten Chancen auf den Titel eingeräumt werden. Doch gerade jetzt kommen in Rumänien angesichts der bislang nur fünf Siege auf Sand (bei drei Niederlagen) immer mehr Zweifel an den Fähigkeiten von Halep auf. Zumal sie den zweiten Ranglistenplatz am Montag erneut an die Russin Maria Scharapowa abgeben musste.
Die beiden größten Sportzeitungen des Landes, ProSport und Gazeta Sportului, verweisen auf eine vermeintliche mentale Schwäche der bis heute größten Tennisspielerin Rumäniens. Diese habe sich bereits in der Vergangenheit abgezeichnet, in der aktuellen Sandplatz-Saison umso mehr. Liest man die Kommentare der Fans, sind die Meinungen noch extremer. Nie habe Halep ein ausgeglichenes Spiel für sich entscheiden können, die großen Spiele verliert sie immer. Gerne zitieren rumänische Sportjournalisten auch ehemalige Trainer der 23-Jährigen, die bei ihr bereits in der Jugend eine Konzentrationsschwäche erkannt haben wollen. Es sei nichts Neues, dass Halep dem Druck nicht standhalten kann, sagte etwa Nicuşor Ene der Zeitung Gazeta Sporturilor. Bei wichtigen Turnieren habe sie schon mit 10 Jahren immer verkrampft gewirkt. Er habe schon damals den Eltern einen Psychologen empfohlen, doch sie wollten nicht auf ihn hören, so Ene.
Doch natürlich ist das alles Unfug. Man muss sich nur ein bisschen zurücklehnen und den Moment des Durchbruchs von Simona Halep in Erinnerung rufen. Der geschah zufälligerweise auch in Rom, vor genau 2 Jahren. Dort stieß sie als Qualifikantin bis ins Halbfinale vor, wo sie Serena Williams unterlag. Im Viertelfinale hatte sie gegen die erfahrene Serbin Jelena Jankovic zwei Matchbälle abgewehrt und die Partie zu ihren Gunsten gedreht. Und bei ihren anschließenden sechs Turniersiegen in jenem Jahr war auf keinen Fall von mentaler Schwäche die Rede.
Und jetzt zu ihrer Gegnerin am Samstag: Die trockene Statistik zeigt eindeutig, dass die Partien zwischen den beiden Spielerinnen extrem ausgeglichen sind. Zwischen Halep und Suarez-Navarro steht es nach dem Treffen in Rom 5:5, von den zehn Spielen gingen sieben über drei Sätze. Und, was noch wichtiger scheint, auf Sand konnte die Rumänin noch keine Begegnung gewinnen, die Spanierin gewann alle vier. Deshalb die klare Schlussfolgerung: Halep hätte vor der Begegnung mit Navarro wahrscheinlich als Außenseiterin gelten müssen. Zumal ihre Gegnerin zurzeit in Topform ist, vor allem wenn sie auf Sand auftritt. Auch das Endspiel gegen Maria Scharapowa in Rom dominierte die Ibererin in der Anfangsphase, bis ihr schließlich die Kräfte ausgingen. Halep muss sich also auf keinen Fall für die Niederlage schämen und auch ihre Fans und die rumänischen Journalisten nicht. Denn scheinbar haben die Kritiker noch etwas vergessen: Gegen Navarro, die inzwischen auf Platz acht der Weltrangliste vorgerückt ist, hatte die Rumänin zuletzt bei ihrem größten Turniersieg bislang gewinnen können.
Im Viertelfinale von Indian Wells vor zwei Monaten lag sie gegen die Spanierin mit 4:6 im Rückstand. Doch während jener Partie meldete sich Halep eindrucksvoll zurück und gab nur noch zwei Spiele bis zum Schluss ab. Auch das Endspiel von Indian Wells gegen Jelena Jankovic schien beim Stande von 2:6 und 4:5 aussichtslos und dennoch feierte am Ende die Rumänin. Mentale Schwäche in den wichtigen Spielen? Auf keinen Fall!
Und nicht zuletzt sind auch die beiden anderen Niederlagen von Halep auf Sand in diesem Jahr gegen zwei weitere Spielerinnen in Topform erfolgt. In Stuttgart verlor sie ein erstklassiges Halbfinal-Duell mit der Dänin Caroline Wozniacki. In Madrid unterlag sie in der ersten Runde der Französin Alize Cornet an einem der Sahnetage der Sportlerin, die letztes Jahr der allmächtigen Serena Williams gleich drei Niederlagen hatte zufügen können. So pechschwarz ist die Zukunft für die Weltranglistendritte aus Rumänien also vielleicht doch nicht.