EM-Vorbereitung: Rumänien und Spanien trennen sich torlos
Im wohl wichtigsten Testspiel vor der EM im Juni, hat sich Rumäniens Fußball-Nationalmannschaft ein torloses Remis gegen Europameister Spanien erkämpft. Dabei spielte das Team von Anghel Iordanescu über weite Strecken sogar einen ansehnlichen Fußball.
Alex Sterescu, 29.03.2016, 17:01
30.000 Zuschauer in der ausverkauften Cluj Arena hatten am Sonntagabend ungeduldig auf den Anpfiff der Partie gegen den amtierenden Europameister Spanien gewartet. Die Schweigeminute zu Ehren des verstorbenen Johan Cruyff wurde vom Publikum nach nur 30 Minuten mit Beifall unrühmlich unterbrochen. Auch wenn es nur ein Freundschaftsspiel war: Spanien ist und bleibt Rumäniens stärkster Gegner in der Vorbereitung auf die Europameisterschaft in Frankreich.
Vor genau vier Jahren hatten sich die Iberer mit einem niederschmetternden 4:0 im EM-Endspiel gegen Italien in Kiew die kontinentale Krone aufgesetzt. Aus dem damaligen Kader waren noch sieben Spieler auch von Trainer Vicente Del Bosque für die Begegnung mit Rumänien in Klausenburg nominiert worden. Allerdings waren am Sonntag nur vier der Europameister in der spanischen Startelf zu finden: Torwartlegende Iker Casillas, derzeit beim portugiesischen Serienmeister FC Porto unter Vertrag, die Verteidiger Gerard Pique und Jordi Alba vom FC Barcelona, und Manchester City-Mittelfeldmann David Silva.
Auf der anderen Seite wusste Rumäniens Nationaltrainer Anghel Iordănescu, dass das Spiel wohl die beste Chance war, potentielle Stammspieler für die EM in zwei Monaten zu testen. Auch hielt er einige Überraschungen parat: Der in Spanien ausgebildete Jungstürmer Florin Andone sowie Steaua-Rechtsaußen Adrian Popa durften von Beginn an ran, dafür mussten Claudiu Keşeru vom bulgarischen Meister Ludogorets Razgrad und Gabriel Torje vom türkischen Erstligisten Osmanlispor auf der Bank Platz nehmen. Zum ersten Mal wurde auch ein 4-4-1-1 System getestet, wobei Popa und Linksaußen Bogdan Stancu auf einer Linie mit den Defensivkräften Hoban und Pintilii spielten. Jungstar und Kreativmann Nicuşor Stanciu von Steaua Bukarest wurde hinter der Sturmspitze Andone aufgestellt. So wollte Iordănescu den technischen und schnellen Spaniern möglichst wenig Platz im Spielaufbau überlassen.
Und der Plan scheint unmittelbar nach Anpfiff aufzugehen, die Abwehr der Gäste wackelt von Beginn an nach den Sprints und Flanken des schnellen Popa und den Dribblings von Nicuşor Stanciu. Die Spanier antworten mit den Vorstößen von Pique und Pedro, Schlussmann Tătăruşanu vom AC Florenz ist jedoch auf dem Posten. Lediglich Innenverteidiger und Mannschaftskapitän Vlad Chiricheş vom SSC Neapel zeigt an dem Abend einige Schwächen im Stellungsspiel. Seine offensichtlichen Fehler auch im Testspiel gegen Litauen letzte Woche lassen bei ihm ein Formtief erahnen.
Das rumänische Team spielt aber selbstbewusst und steht nicht mehr so tief wie sonst gegen Großkaliber des Weltfußballs. Stanciu, der gegen Litauen bei seinem Debüt auch gleich den Siegtreffer erzielt hatte, findet sich im Mittelfeld immer besser zurecht. Die von ihm verteilten Bälle sorgen immer wieder für Druck im spanischen Straufraum. Neben den Vorstößen von Popa, ist inzwischen auch Rechtsverteidiger Săpunaru von Pandurii Targu Jiu mit Bananenflanken gefährlich.
Allein die zündende Idee vor dem Abschluss fehlt. Derselbe Stanciu kommt dem Führungstreffer am nächsten, mit einem perfekten Schuss in der 34. Minute- der inzwischen 34-Jährige Casillas streckt sich und lenkt den Ball mit den Fingerspitzen um den Pfosten. Spanien wird nur noch bei einer Flanke von Pedro gefährlich, doch Rumäniens zweiter Innenverteidiger Grigorie, der bei Al Saylia im Qatar spielt, wehrt den letzten Ball des ersten Durchgangs ab.
Einen ähnlichen Spielverlauf beobachten die zufriedenen Fans auch nach dem Seitenwechsel, als Spanien versucht, Rumänien mit dem typischen Kurzpassspiel einzulullen. Doch die Karpatenkicker sind mit ihrem neuen Balldirigenten Nicusor Stanciu immer hartnäckiger. Auch ihr Laufpensum ist an diesem Tag beachtlich. Der Mann des Tages beteiligt sich an weiteren schönen Aktionen in der Nähe des Casillas-Gehäuses. Einmal vergibt Andone ganz knapp nach seinem Zuspiel, das andere Mal verpasst Stanciu selbst nach einer sehenswerten Einzelaktion den letzten Pass auf seinen Fast-Namensvetter Stancu. Und als er ganz frech den viel erfahrenen Fabregas tunnelt, spendet sogar Coach Iordanescu Beifall. Nicht zuletzt versucht er egoistisch einen Heber aus 35 Metern, als er in einer Drei-gegen-Zwei Situation hätte abspielen können. Der Ball segelt über die Latte.
In der Schlussphase benachteiligt der französische Schiedsrichter das Gästeteam ganz deutlich. Săpunaru geht ungestüm gegen Fabregas im Strafraum zu Werke, der Elfmeter scheint glasklar, doch der Unparteiische bleibt stumm. Dann geht die Partie zu Ende. Der allgemeine Eindruck von der rumänischen Nationalmannschaft ist nach langer Zeit wieder heller geworden: Die Mannschaft kann theoretisch mit derartigen Leistungen auch bei der EM etwas reißen. Allerdings wartet gleich im Eröffnungsspiel des Turniers der Gastgeber Frankreich mit all seinen Stars, von Varane und Griezmann bis hin zu Matuidi und wahrscheinlich Benzema. Da wäre ein torloses Remis wie gestern gegen Spanien ideal.