Wahlkampf läuft stotternd an
Seit dem Sturz des kommunistischen Regimes im Dezember 1989 sind Präsidentschaftswahlen in Rumänien ein fesselnder demokratischer Prozess.
Ştefan Stoica, 26.08.2019, 15:22
Es gab Wahlabende, an denen die Bürger fest mit einem Wahlsieger rechneten, nur um am nächsten Morgen seinen Kontrahenten als neuen Präsidenten zu begrüßen. Ob die Wahlen auch im November dieses Jahres so interessant sein werden, muss sich noch herausstellen.
Nach Ion Iliescu, der zentralen Figur der rumänischen Politik in den ersten Jahren der postkommunistischen Demokratie gelang es der Linken nicht, einen starken Kandidaten aufzustellen. Seit Jahren schon verlieren die Kandidaten der verschiedenen Nachfolgeparteien der Kommunisten gegen ihre Gegner – und immer mehr oder weniger knapp und im zweiten Wahlgang. Traian Basescu machte 2004 und 2009 den Sozialdemokraten einen Strich durch die Rechnung. Dann kam Klaus Iohannis, der sich im zweiten Durchgang bereits deutlicher durchsetzen konnte.
Fünf Jahre später steht Iohannis, unterstützt von der wichtigsten Oppositionspartei, den Nationalliberalen, als Favorit im Präsidentschaftswettlauf derart gut in den Umfragen, dass viele in seinem Lager sich schon auf einen Sieg im ersten Wahlgang freuen – dafür sind jedoch mehr als 50% aller Wählerstimmen notwendig, d.h. dass mehr als neun Millionen Bürger schon am 1o. November für ihn stimmen müssten.
Das ist jedoch nicht leicht. Als ständiger Gegner der Sozialdemokratischen Partei, deren umstrittenen Justizreform er mit begrenzten Befugnissen zu trotzen versuchte, ist Iohannis auch bei den Wählern der Opposition nicht immer beliebt. Sie werfen ihm vor, zu passiv gewesen zu sein und sich nicht mit genügend Nachdruck widersetzt zu haben.
Klaus Iohannis, ein engagierter proeuropäischer und proamerikanischer Politiker, gilt in Washington und Brüssel als wichtigster Garant für die Rechtsstaatlichkeit und die unabhängige Justiz in Rumänien. Darüber hinaus wird er bei den Wahlen in diesem Herbst von einer starken Partei unterstützt, die bei den jüngsten Wahlen zum Europäischen Parlament bewiesen hat, dass sie ihre Anhänger für ein großes Wahlziel mobilisieren kann.
Iohannis wichtigste Gegner sind diesmal die Regierungs – und PSD Parteichefin Viorica Dancila sowie Dan Barna, der Vertreter der Allianz zwischen zwei Oppositionsparteien, USR und PLUS. Das Bündnis hat bereits bei den Europawahlen überdurchschnittlich gut abgeschnitten und überholte fast die Sozialdemokraten.
Barna gilt als besonders lautstarker Kritiker der Regierungspolitik im Justiz- und Wirtschaftssektor und distanziert sich von Iohannis, um seine Chancen zu maximieren. Er behauptet, dass auch der amtierende Präsident Mitglied einer moralisch kompromittierten politischen Klasse ist, die für den mangelnden Fortschritt des Landes in den letzten Jahren verantwortlich ist.
Viorica Dancila, die von dem ehemaligen sozialdemokratischen Führer Liviu Dragnea aus heiterem Himmel in die politische Arena geworfen wurde, gelang es, den Parteivorsitz und die Position des Präsidentschaftskandidaten zu gewinnen, nachdem Dragnea im Mai dieses Jahres wegen Korruption verurteilt wurde. Ihre Rhetorik bedient alle wichtigen linken Themen – Bildung, Gesundheitsversorgung, Schutz für Verletzliche. Ihr Ziel ist klar: dem Präsidenten gefährlich nahe zu kommen – denn die Geschichte hat gezeigt, dass die Nummer zwei durchaus Chancen hat. .
Obwohl die Präsidentschaftswahl derzeit ein Spiel mit drei wichtigen Kandidaten zu sein scheint, stoßen langsam mehr vor. Die Partei der Volksbewegung von Ex-Präsident Basescu hat einen interessanten Kandidaten aufgestellt: den Diplomaten, Professor und Essayisten Theodor Paleologu, der den Wahlkampf zumindest intellektuell aufmischen kann.