UNICEF-Bericht: Kinder in Europa massiv von der Finanzkrise betroffen
Mehr als 76 Millionen Kinder leiden unter Armut in 41 der reichsten Länder der Welt, steht im Jahresbericht des UNICEF-Forschungszentrums Innocenti.
Roxana Vasile, 29.10.2014, 17:30
Alarmiernde Zahlen im jüngsten UNICEF-Bericht: Einer Studie zufolge, die das UN-Kinderhilfswerk UNICEF am Dienstag in Rom vorstellte, ist seit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 die Zahl der unter Armut leidenden Kinder in Europa um 2,6 Millionen gestiegen. Es geht dabei nicht um Kinder aus den ärmsten Ländern der Welt, wo die Lebensbedingungen bekannterweise sehr schwer sind, sondern um Kinder aus 41 EU-Ländern und Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), das heißt, aus den reichsten Ländern der Welt. Die Zahl der in Armut lebenden Kinder in den 41 reichsten Industrieländern sei auf 76,5 Millionen angestiegen, heißt es in der Studie „Kinder der Rezession“. In 23 der 41 Länder sei der Anstieg der Kinderarmut direkt auf die Finanzkrise zurückzuführen, schreiben die Autoren.
„Viele Industrieländer haben bei den Haushaltseinkommen einen großen Sprung zurück gemacht. Das hat Einfluss auf die Kinder und langfristige Auswirkungen für sie und die Gesellschaften“, erklärte UNICEF-Experte Jeffrey OMalley. Die Ungleichheit sei ein weiteres großes Problem. „Während der Krise sind Arme noch ärmer geworden“, erläuterte OMalley bei der Vorstellung des Berichts. Das treffe natürlich auch die Kinder. „Die UNICEF-Untersuchung zeigt, dass der Umfang der sozialpolitischen Maßnahmen ein entscheidender Faktor der Armutsvorbeugung war“, erklärte OMalley. „Alle Staaten brauchen starke soziale Netze, um Kinder in guten wie in schlechten Zeiten zu schützen.“ OMalley forderte wohlhabende Länder auf, im Kampf gegen Kinderarmut beispielhaft voranzugehen und das „Wohlergehen von Kindern als Priorität“ anzusehen.
In der Zeit 2008-2012 stieg die Anzahl der von Armut betroffenen Kinder in 23 der 41 im Bericht untersuchten Länder um Prozentsätze die von 0,5% in Israel bis auf 20% in Island reichen. Die besonders von der Finanzkrise betroffenen Staaten haben den größten Anstieg von Kinderarmut zu verzeichnen. Das gilt für die südeuropäischen Länder Griechenland, Italien, Spanien und Kroatien, die drei Baltenstaaten Estland, Lettland und Litauen und für die von Rezession betroffenen Staaten Irland, Island und Luxemburg. In den am meisten betroffenen europäischen Staaten hat sich die Prozentzahl der stark von Armut betroffenen Kinder in den letzten vier Jahren fast verdoppelt.
Die 15- bis 24-Jährigen trifft die Krise laut UNICEF besonders hart. In mehr als drei Viertel der Staaten hat die Arbeitslosenquote in dieser Altersklasse demnach zugenommen, teils habe sie ein besorgniserregendes Niveau erreicht. In der EU waren vergangenes Jahr 7,5 Millionen junge Menschen ohne Arbeit, Ausbildung oder Praktikum, etwa eine Million mehr als 2008. Das sind fast so viele wie die Schweiz Einwohner hat.
Rumänien gehört zu den Ländern, in denen die Zahl der unter Armut leidenden Kinder und Jugendlichen während der Wirtschaftskrise um etwa 30% gestiegen ist, wie auch in Zypern oder Italien. 2012 lebten 14% der Kinder in Rumänien unter besonders schweren Bedingungen — ihre Eltern waren arbeitslos, oder waren ins Ausland emigriert, um Arbeit zu suchen, die Kinder wurden nur von einem Elternteil großgezogen, oder lebten in armen Familien mit sehr vielen Geschwistern. Ähnlich war die Lage in Italien, mit 16%, und in Großbritannien, mit 14%.