Umstrittenes Referendum zur Ehedefinition per Regierungserlass geregelt
Es steht nun endgültig fest: Die wahlberechtigten Rumänen werden am 6. und 7. Oktober an den Urnen erwartet, um in einer Volksabstimmung über die Änderung eines Artikels der rumänischen Verfassung zu entscheiden.
Ştefan Stoica, 19.09.2018, 17:15
Am Dienstag hatte die Regierung die Abhaltung des Referendums per Eilverordnung beschlossen. Konkret geht es um die Definition der Ehe in der rumänischen Verfassung. Im derzeitigen Wortlaut wird sie als Bund zwischen beiden Eheleuten definiert.
Die Initiatoren der Volksbefragung, eine Bürgerinitiative von zumeist christlich-konservativen Organisationen, die etwa 3 Mio. Unterschriften dafür sammelte, wollen die Ehe ausdrücklich als rechtliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau in der Verfassung verankert sehen. Sie machen auch keinen Hehl daraus, dass sie mit diesem Vorstoß die gleichgeschlechtliche Ehe verhindern wollen, obwohl diese ohnehin im Bürgerlichen Gesetzbuch ausdrücklich verboten ist. Rückendeckung erhalten die Befürworter der Verfassungsabänderung von der Rumänisch-Orthodoxen Kirche — hohe kirchliche Würdenträger haben Gläubige ausdrücklich zur Bejahung der Frage zur Ehe-Definition ermuntert. So etwa bediente Laurențiu Streza, der Metropolit Siebenbürgens, sämtliche Klischees gegenüber homosexuellen Menschen. Er sagte wörtlich, die Kirche könne eine Ehe zwischen solchen Menschen“ nie gutheißen, denn nachdem sie das Recht auf Eheschließung erlangen, würden sie uns auch die Kinder wegnehmen, da sie selber ja keine zeugen können.“
Im Gegenzug fordern 110 NGOs und bürgerrechtliche Organisationen, die in der Plattform für Rechte und Freiheiten“ vereint sind, einen Boykott der Volksbefragung. Die Initiative zur Änderung der verfassungsrechtlich definierten Ehe sei schädlich und gefährlich, sie würde die rumänische Gesellschaft unnötig spalten und das Referendum sei nur ein Instrument, um eine rückschrittliche und undemokratische Agenda zu fördern.
Unter den parlamentarischen Parteien hat sich allein die oppositionelle Union Rettet Rumänien (USR) prinzipiell gegen die Volksabstimmung positioniert. Nun bemängelt sie auch Verfahrensfehler in der Organisierung des Referendums und forderte den Ombudsmann auf, die Eilverordnung der Regierung vom Verfassungsgericht prüfen zu lassen. In einer öffentlichen Stellungnahme verlautbarte die USR, dass die Organisierung einer Volksabstimmung vom Parlament und nicht per Regierungserlass beschlossen werden müsse. Außerdem habe die Regierung mit der Eilverordnung auch die Regeln zur Abhaltung des Referendums nachträglich geändert, was gegen die gängige Praxis und auch gegen die Empfehlungen der Venedig-Kommission verstoße.
Es ist zum zweiten Mal in der postkommunistischen Geschichte des Landes, dass die Rumänen per Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung entscheiden müssen. 2003, im Vorfeld des Nato-Beitritts, ging es allerdings um andere Inhalte: die Verankerung der Gewaltenteilung in der Verfassung, die Verbriefung des Eigentums im Grundgesetz und die Schaffung eines verfassungsrechtlichen Rahmens zur euroatlantischen Integration des Landes. Der Slogan JA für Europa“, mit dem die damalige Regierung für das Referendum warb, war selbstredend für die prowestliche Orientierung des Landes.
Kritiker und politische Gegner der regierenden PSD-ALDE-Koalition sagen, die Volksabstimmung zur Änderung der verfassungsrechtlichen Definition der Ehe sei pure Geldverschwendung und eine Augenwischerei, um von den wahren Problemen des Landes abzulenken: die grassierende afrikanische Schweinepest, die den Landwirten schwer zusetzte, die höchst umstrittenen Änderungen des Strafgesetzbuches und die ungeklärten Zwischenfälle beim brutalen Einsatz der Ordnungskräfte gegen die Protestkundgebung der Regierungsgegner am 10. August.