Umstrittene gesetzliche Regelungen
Regierung und Opposition aber auch Politik und Judiaktive liegen in Rumänien im Clinch.
Bogdan Matei, 30.01.2020, 16:09
Die von Ludovic Orban geführte PNL-Regierung, die im November nach der Entlassung des PSD-Kabinetts Viorica Dăncilă durch einen Misstrauensantrag eingesetzt wurde, hat ein schweres Spiel – der Anteil der liberalen Abgeordneten beträgt nur etwa 20%, und häufig reichen die Stimmen der Partner von USR oder PMP nicht aus, um ihre Projekte durchzusetzen. Abhängig von einer punktuellen und selektiven Unterstützung veränglicher Mehrheiten hat die Exekutive es vorgezogen, wiederholt die Vertrauensfrage für Gesetzesänderungen zu stellen – zuletzt Anfang dieser Woche für die Rückkehr zur Bürgermeisterwahl in zwei Runden.
Wie auch andere in der Politik oder in der Zivilgesellschaft findet Premierminister Orban, dass die Änderung des Wahlgesetzes notwendig war, um den Bürgermeistern mehr Legitimität zu verleihen. Die aktuelle Formel, nach der der Kandidat mit den meisten Stimmen schon in der ersten Runde gewinnt, führte zu seltsamen Situationen, wie zum Beispiel in Galaţi, dem größten Donauhafen, in der der derzeitige Bürgermeister nur von 9% der Wähler gewählt wurde.
Die PSD hat den Gesetzesentwurf im parlamentarischen Sonderausschuss blockiert und angekündigt, einen ebenfalls vom UDMR unterstützten Misstrauensantrag einzureichen – dem Ungarnverband geht es um sein politisches Monopol an vielen Orten in Siebenbürgen. PSD-Interimschef Marcel Ciolacu sagte, der Premierminister hätte nicht die Vertrauensfrage stellen dürfen, nachdem das Verfassungsgericht bereits entschieden hat, dass ein solches Verfahren verfassungswidrig ist, wenn es um Gesetze geht, die bereits im Parlament diskutiert werden. Er fügte hinzu, dass die PSD das Verfassungsgericht anrufen werde, sollte der Misstrauensantrag scheitern. Die Sozialdemokraten haben sich auch bei der Venedig-Kommission des Europarates beschwert. Das Europäische Parlament lehnte dagegen die Forderung der PSD ab, das Thema auf der Plenartagung in Straßburg zu erörtern.
Das zweite umstrittene Thema ist die Aufhebung der sogenannten Sonderrenten für die Judikative. Am Dienstag hatte die Abgeordnetenkammer mit 247 Ja-Stimmen die Abschaffung der Dienstrenten für Parlamentarier, Richter und Staatsanwälte, Rechtspfleger, manche Beamte mit Sonderstatus, Diplomaten und Piloten beschlossen. Sie profitierten von Renten, die nicht dem Beitragsprinzip entsprechen und bis zu 15-mal höher waren als die durchschnittliche ordentliche Rente. Richter des Obersten Gerichtshofs sowie des Obersten Richterrats haben beschlossen, auch in dieser Frage vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Die Richter argumentieren, dass das Gesetz zur Abschaffung von Sonderrenten völlig verfassungswidrig wäre und die Grundsätze der Unabhängigkeit der Richter brutal“ verletzen würde.