Sicherheitsszenarien der NATO: Kommt es zu einer eigenständigen Europa-Säule?
Der rumänische Interimspräsident Ilie Bolojan hat kürzlich erklärt, dass die NATO militärische Szenarien für jede Sicherheitsbedrohung bereithält, die die Mitgliedsstaaten betreffen könnte.

Bogdan Matei und Sorin Georgescu, 11.03.2025, 17:25
Einem berühmten Bonmot zufolge wurde die NATO einige Jahre nach der Zerschlagung des Nationalsozialismus gegründet, um die Deutschen niederzuhalten, die Sowjets aus (West-)Europa herauszuhalten und die Amerikaner hereinzulassen. Ein Dreivierteljahrhundert später ist dieses geflügelte Wort nicht mehr gültig. Deutschland ist ein demokratischer Staat, das postsowjetische Russland ist zu seiner aggressiven Expansionspolitik zurückgekehrt und die USA scheinen unter der neuen republikanischen Regierung von Präsident Donald Trump immer weniger daran interessiert zu sein, die Sicherheit Europas zu garantieren. Trump wirft den Europäern zudem vor, nicht genug in ihre eigene Verteidigung zu investieren.
Diese Entwicklungen sorgen vor allem an der Ostflanke des Nordatlantischen Bündnisses für Unruhe, nämlich in den osteuropäischen Ländern, die entweder direkt an Russland oder an die von Moskaus Truppen angegriffene Ukraine grenzen. Dies ist der Fall in Rumänien, das eine fast 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine teilt. In einer bewusst beruhigenden Botschaft an seine Landsleute wies Rumäniens interimistischer Staatschef Ilie Bolojan darauf hin, dass die NATO militärische Szenarien für jede Sicherheitssituation bereithält, die die Mitgliedsländer betreffen könnte, einschließlich der Länder an der Ostflanke. „Es gibt, sagen wir mal, diese strategischen Pläne, die von der NATO ausgearbeitet wurden, aber auch von den rumänischen Streitkräften“, sagte Bolojan wörtlich. Er erinnerte daran, dass Frankreich die designierte Rahmennation für die Verteidigung Rumäniens ist und hier Truppen unterhält. „Das Problem, das sich stellt, ist entweder eine Erhöhung des Beitrags der europäischen Länder mit dem derzeitigen Sicherheitsarrangement, was bedeuten würde, dass sich nicht viel ändert, oder, in einer zweiten Hypothese, die Übernahme zusätzlicher Verantwortung durch die europäischen Länder insgesamt, nicht nur durch die der Europäischen Union“ – so der Interimspräsident weiter. Er räumte jedoch ein, dass zur Gewährleistung seiner Sicherheit Europa ohne die USA nicht auskommen würde.
Die Äußerungen von Präsident Ilie Bolojan kommen, nachdem NATO-Quellen verlautbarten, dass die Vereinigten Staaten einen Teil ihrer in Europa stationierten Truppen bereits in diesem Jahr abziehen könnten. Den gleichen Quellen zufolge würde dieser Schritt nicht darauf abzielen, das Bündnis selbst in Frage zu stellen, sondern die Europäer zu drängen, einen größeren Teil der Abschreckungs- und Verteidigungsbemühungen zu übernehmen. Washington hat derzeit etwa 160 000 Soldaten außerhalb der USA stationiert, die meisten von ihnen, etwa 35 000, auf deutschem Boden. Medienberichten zufolge bereiten große Fraktionen im Europäischen Parlament – auch wegen der von der Trump-Administration geschaffenen Unsicherheiten – ein Dokument vor, in dem sie die Schaffung eines europäischen Pfeilers innerhalb der NATO fordern, der im Bedarfsfall eigenständig handeln würde. Ein solches Unterfangen könnte auch Großbritannien, die Türkei, Norwegen und Island einschließen, also Länder, die zwar nicht in der EU, aber NATO-Mitglieder sind.