Schengen-Beitritt Rumäniens: Niederländisches Parlament fordert Regierung zu Vorsicht auf
Seit einigen Wochen wird intensiv über den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens diskutiert. Nun haben die Niederlande aber den beiden südosteuropäischen Ländern einen kalte Dusche verpasst.
Ştefan Stoica, 21.10.2022, 17:15
Derzeit gibt es fünf EU-Länder, die nicht zum Schengen-Raum gehören — in alphabetischer Reihenfolge sind das: Bulgarien, Irland, Kroatien, Rumänien und Zypern. Fünfzehn Jahre nach dem EU-Beitritt und elf Jahre nach dem geplanten Beitritt zum Raum der Freizügigkeit war man in Rumänien davon ausgegangen, bei der Ratstagung im Dezember endlich grünes Licht für den Schengen-Beitritt zu bekommen. Der Optimismus wuchs, zumal Länder wie Deutschland und Frankreich ihre anfänglichen Vorbehalte überwunden hatten und sich für den Schritt aussprachen. Allerdings ist Einstimmigkeit erforderlich, und die Chancen dafür sind nach der Abstimmung im niederländischen Parlament am Donnerstag gesunken. Das Haager Parlament hat eine Entschließung angenommen, in der die Regierung aufgefordert wird, beim Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum Vorsicht walten zu lassen.
In dem Dokument wird die von Mark Rutte geführte Exekutive aufgefordert, keine unumkehrbaren Schritte in Richtung Erweiterung zu unternehmen, bevor nicht klar ersichtlich wird, dass die beiden südosteuropäischen Länder die Sicherung der EU-Außengrenzen zuverlässig gewährleisten. Vor der Abstimmung hatte Ministerpräsident Rutte im Parlament bekräftigt, dass es keine grundsätzlichen Einwände gegen einen Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum gebe, dass es aber notwendig sei, die Überwachung im Rahmen des CVM, des Kooperations- und Kontrollverfahrens der Europäischen Union im Bereich Justiz, zu aktualisieren und die Schengen-Evaluierungsmission auszuweiten. Die beiden Länder können dem Freizügigkeitsraum beitreten, wenn sie dazu bereit sind, sagte Rutte.
Ähnlich hatte im Großen und Ganzen die Verlautbarung Ruttes auch während seines jüngsten Besuchs in Rumänien geklungen, als Journalisten und weitere Politikbeobachter geglaubt hatten, der langjährige Widerstand der Niederlande gegen die Aufnahme Rumäniens in den Schengenraum sei nun beendet. Dies war nicht der Fall, und nicht einmal die jüngste Abstimmung im Europäischen Parlament, bei der sich eine große Mehrheit für den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengen-Raum aussprach, konnte die Zurückhaltung der Behörden in Den Haag mildern. Ein Teil der niederländischen EU-Abgeordneten enthielt sich der Stimme oder stimmte dagegen, allerdings war ihre Zahl geringer als die der Befürworter. Im nationalen Parlament in den Haag sind die Dinge jedoch komplizierter, denn das von Rutte geführte Kabinett muss auf die Befindlichkeiten euroskeptischer, migrationsfeindlicher Parteien Rücksicht nehmen.
In Bukarest ist man indessen der Auffassung, dass Rumänien aus technischen Gesichtspunkten schon lange berechtigt sei, Schengen beizutreten; die Handhabung der Krise der ukrainischen Flüchtlinge an der östlichen Grenze habe bewiesen, dass Rumänien sich de facto wie ein Mitglied des Freizügigkeitsraums verhalte. Premierminister Nicolae Ciucă ist der Ansicht, dass die Bukarester Regierung ihre Hausaufgaben in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Justiz in direkter Abstimmung mit der Europäischen Kommission erledigt habe, insbesondere durch die Verabschiedung der Justizgesetze. Und was die Bekämpfung der organisierten Kriminalität betreffe, so seien die einschlägigen staatlichen Institutionen konsolidiert und sie würden ihre Arbeit tun, fügte der rumänische Premierminister hinzu.
Im Prinzip sind sich alle einig: Die einzige verbleibende Hürde auf dem Weg in den Schengen-Raum ist politischer Natur. Und ihre Überwindung erfordert Glaubwürdigkeit, diplomatische Bemühungen und Überzeugungsarbeit.