Rumänische Politiker ringen um Amnestie für strafrechtlich verurteilte Korrupte
Donnerstag war ein stressiger Tag für die rumänischen Politiker, die über heikle juristische und legislative Fragen zu entscheiden hatten.
Bogdan Matei, 05.05.2017, 17:07
Der starke Mann der rumänischen Regierung, der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei PSD und der Abgeordnetenkammer, Liviu Dragnea, zeigte sich enttäuscht über die Entscheidungen des Rechtsausschüsses des Bukarester Parlaments in puncto Amnestie von Korruptionstaten. Die PSD-Führung werde demnächst über die Situation des Rechtsausschuss-Vorsitzenden, des Sozialdemokraten Serban Nicolae, entscheiden, sagte noch Liviu Dragnea.
Am Mittwoch nachmittag hatten die Senatoren vom Rechtsausschuss die von Serban Nicolae, von seinem Parteikollegen Liviu Brailoiu und vom ehemaligen Staatschef und jetzigen Senator der Volksbewegung, Traian Basescu, vorgeschlagenen Änderungen über das Amnestieren der wegen Korruption Strafverurteilten, bereits angenommen. Laut den am Mittwoch angenommenen Änderungen hätten Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme zu den Straftaten gehört, die durch Schadensersatz amnestiert werden könnten.
Am Mittwoch abend gingen aber mehrere Tausend Rumänen in Bukarest und in anderen Großstädten Rumäniens auf die Straße, um gegen die Änderungen zum Amnestiegesetz und gegen die korrupte politische Klasse zu protestieren. Die Demonstranten riefen Parolen gegen die korrupten Politiker aller Parteien, ungeachtet der politischen Couleur und egal ob sie an der Regierung beteiligt oder in der Opposition aktiv sind. Als Reaktion auf die Protestdemonstrationen stimmte am Donnerstag derselbe Rechtsausschuss des rumanischen Senats, geleitet von Serban Nicolae, erneut über die Änderungsvorschläge ab.
Infolge der zweiten Abstimmung wurden die Vorschläge über das Amnestieren der Straftaten Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme am Donnerstag abgelehnt. Die Nationalliberale Partei PNL, die Union Rettet Rumänien USR und der Demokratische Verband der Ungarn in Rumänien UDMR stimmten für die Korrigierung des ersten Votums ab; die Vertreter der Regierungskoalition der Sozialdemokratischen Partei PSD und der Allianz der Liberalen und Demokraten ALDE enthielten sich.
Die Tatsache, dass der Vorsitzende des Rechtsausschüsses, Serban Nicolae, noch nicht zurückgetreten sei, beschädige sowohl das Image der Sozialdemokratischen Partei als auch den Respekt seitens seiner Parteikollegen, schrieb der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Victor Ponta auf Facebook. Die Kommentatoren bezeichnen die Episode als typisch für den Mangel an Professionalismus, die Inkonsekvenz und die Konfusion im rumänischen Parlament. Der Hauptakteur der Abstimmung im Rechtsausschuss, Serban Nicolae, versuchte, die Lage zu erläutern:
Die heutige Entscheidung wurde genauso wie die gestrige Entscheidung getroffen, durch dieselben demokratischen Mittel, und das beweist, dass es sich um keine Verbitterung, um keine vorbestimmte politische Entschiedung handelte. Wir haben uns enthalten, weil wir mit der Prozedur nicht einverstanden waren. Die zweite Abstimmung hat vorschriftsmäßig stattgefunden, aber wir haben unser Votum nicht geändert. Es wurde kein Einfluß darauf genommen. Gestern haben wir über die vorgeschlagenen Änderungen abgestimmt, und heute haben wir uns von der Abstimmung enthalten, weil wir nicht an einer Abstimmung teilnehmen wollten, bei der ein Votum für oder gegen eine Prozedur zur erneuten Abstimmung über bereits angenommenen Änderungen abgegeben werden sollte. Das ist alles!”
Auch wenn sein Änderungsvorschlag abgelehnt wurde, blieb Traian Basescu fest bei seinem Plädoyer für die Amnestie der wegen Amtsmissbrauch Strafverurteilten:
Die Frage des Amtmissbrauchs wurde in Rumänien missbräuchlich behandelt. Ich las den jüngsten Bericht der Chefin der Antikorruptionsbehörde DNA; darin steht, dass die DNA 2.150 Verfahren über Amtsmißbrauch eingeleitet hat. Gleichzeitig betrachtete ich die Lage in Europa, und ich glaube, dass in der Europäischen Union höchstens 100 Amtsmissbrauchsverfahren laufen. Bei uns, in Rumänien, gibt es davon 2.150. Wie es auch das Verfassungsgericht sagte, handelt es sich um eine falsche Anwendung der Gesetze.”
Ebenfalls am Donnerstag hat das Verfassungsgericht Rumäniens den Anfang Januar 2017 eingereichte Antrag des Ombudsmannes Victor Ciorbea in Bezug auf das Gesetz, das Strafverurteilten den Zugang zu Regierungsämtern verbietet, als nicht annehmbar abgelehnt. In der Begründung der Ablehnung präzisierte das Verfassungsgericht, die im Antrag des Ombudsmannes Victor Ciorbea angegebenen Gründe seien sowohl Probleme der Anwendung und Auslegung des Gesetzes durch die zuständigen Behörden, als auch Fragen der Gesetzgebung, wofür das Bukarester Parlament zuständig sei. Gemäß des besagten Gesetzes wurde im Dezember 2016 dem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, Liviu Dragnea, untersagt, das Amt des Premierministers zu bekleiden, auch wenn seine Partei die Parlamentswahl gewonnen hatte. Voriges Jahr wurde Dragnea zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, wegen Wahlbetrugs beim Referendum von 2012 für die Amtsenthebung des damaligen Staatspräsidenten Traian Basescu. Über die Entscheidung des Verfassungsgerichts sagte Liviu Dragnea:
Diese Entscheidung bringt keine Änderung in meinem Leben, und wird meine Ansichten, meine politische Aktivität und mein politisches Handeln nicht beeinflussen. Wir haben einen Ministerpräsidenten, den ich unterstütze, und eine Regierung, die ich unterstütze. Diese Entscheidung ist nicht für mich.”