Rumänische Abgeordnetenkammer ebnet Weg für Strafermittlungen gegen Spitzenpolitiker
Die rumänische Abgeordnetenkammer hat mit hoher Verspätung ein umstrittenes Gesetz abgelehnt, das die Amnestie und Begnadigung mehrerer Delikte vorsah.
Florentin Căpitănescu, 19.11.2014, 17:02
Das Parlament ist zwar eine wesentliche Institution der postkommunistischen Demokratie in Rumänien, doch sein Image bei den Bürgern könnte kaum schlechter sein. Dazu haben die Mitglieder der Legislative selbst einen nicht unbeträchtlichen Beitrag geleistet. Zu oft haben sie die Gelegenheit verpasst, politischen und moralischen Anstand vor dem Hintergrund der grassierenden Korruption in der zentralen, aber vor allem der kommunalen Verwaltung zu fördern. Die parlamentarische Immunität, die der Presse- und Volksmund als Superimmunität bezeichnet, erweckte den Eindruck, dass Spitzenpolitiker sich in einem straffreien Raum bewegen. Dass die Abgeordneten sich weigerten, ihren Kollegen die Immunität gegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu entziehen, gab außerdem den Anschein, dass sie sich allzu dreist in die Rechtspflege einmischen.
Der Schutz vor Ermittlungen ging den Politikern aber nicht weit genug. Sie brauchten ein Gesetz, das ihren vielen unglücklichen Kollegen, die trotzdem hinter Gittern gelandet waren, auch post faktum zu Hilfe eilt. In den Schubladen der Abgeordnetenkammer in Bukarest verstaubte seit geraumer Zeit der umstrittene Entwurf eines Gesetzes zur Amnestie und Begnadigung bestimmter Korruptionsstraftaten, die mit Freiheitsentzug von über sieben Jahren bestraft werden. Zudem sollten alle Delikte, die unter dem Strafmaß von sechs Jahren lagen, begnadigt werden. Der Entwurf war vor fast einem Jahr in einer Nacht und Nebel Operation im Rechtsauschuss des Hauses durchgewinkt worden. Erst jetzt aber, vor dem Hintergrund der im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen von den Bürgern lautstark geäußerten Kritik, ließ die Kammer über den Entwurf abstimmen — und lehnte ihn endgültig ab.
Der liberale Oppositionsabgeordnete George Scutaru warf der sozialdemokratischen Regierungsmehrheit vor, das Papier absichtlich eine so lange Zeit der Diskussion entzogen zu haben. Es musste dazu kommen, dass Sie die Wahlen verlieren, um den Entwurf auf die Tagesordnung zu setzen und ihn endgültig abzulehnen. Es wäre wünschenswert, dass Sie in Zukunft die Signale der Opposition und der Gesellschaft berücksichtigen“, sagte Scutaru. Der Sozialdemokrat Marian Neacşu wehrte sich vom Rednerpult und warf ein, dass die Frist für einen Klärungsbericht des Rechtsausschuss erforderlich gewesen sei: ”Wenn man ein Gesetz verabschieden will, das mehr Aufmerksamkeit hat als eigentlich verdient, sollte man gut informiert sein, um die bestmöglichste Entscheidung zu treffen. Das hätte weder von uns, noch von Ihrer Fraktion wahlkampftaktisch instrumentalisiert werden müssen.“
Im Zeichen der neuen Einstellung hat das Plenum am Dienstag die Immunität von drei Abgeordneten aufgehoben, gegen die die Staatsanwaltschaft frei ermitteln kann.