Rumänen protestieren gegen Begnadigungsgesetz
Die Hauptstadt Bukarest und andere Großstädte Rumänien waren erneut Austragungsorte für weitgehende Straßenproteste. Die Menschen wehren sich gegen das Vorhaben der Regierung, eine kollektive Begnadigung vorzunehmen.
Bogdan Matei, 23.01.2017, 17:10
Am Sonntagabend forderten mehrere zehntausend Menschen der Regierung der Sozial-Demokratischen Partei und der Allianz der Liberalen und Demokraten auf die Verordnungsvorlagen bezüglich der kollektiven Begnadigung und der Entkriminalisierung von Strafakten zu verzichten. Die besagten Verordnungen sehen die vollständige Begnadigung der Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren, inklusive, vor. Darüber hinaus könnten die Gefängniszeiten der Insassen halbiert werden, die 60 Jahre oder älter sind. Die Begnadigung, wäre durch die Zahlung, spätestens ein Jahr nach der Freilassung, des Schadensersatzes bedingt, der von dem Gericht festgelegt wurde.
Die Verordnung soll auch Vorschriften des Strafgesetzbuches ändern. Somit sollen Denunzianten nicht mehr von der strafrechtlichen Haftung entlastet werden, falls sie die Tat nicht binnen sechs Monate nachdem diese begangen wurde, denunzieren. Außerdem soll der Amtsmissbrauch nur dann eine Straftat bilden, wenn der entstandene Schaden 200.000 Lei (ungefähr 50 Tausend Euro) überschreitet.
Der sozial-demokratische Justizminister Florin Iordache behauptet, dass die Änderungen notwendig seien, um die Frage der Überfüllung der Gefängnisse zu lösen. In diesen gibt es fast neun tausend Sträflinge mehr als Gefängnisplätze. Außerdem solle die Verordnung die Gesetzgebung an die Beschlüsse des Verfassungsgerichtes anpassen. Der Minister erinnert daran, dass Rumänien bereits von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für die schlechte Behandlung und für das, was dieser inhumane Bedingungen“ in den Strafanstalten nennt, verurteilt worden ist. Aus dem Begnadigungsgesetz, so Iordache, werden rund 2.500 Personen Nutzen ziehen.
Die Generalsstaatsanwaltschaft, die Antikorruptionsbehörde, der Oberste Gerichtshof, die Anstalt zur Ermittlung und Bekämpfung des Organisierten Verbrechens und des Terrorismus, die Richter- und Staatsanwaltsverbände und Bürgerorganisationen drückten sich allerdings gegen die Änderung der Gesetzgebung betreffend Korruption, Amtsmissbrauch und Integrität, im Dringlichkeitsverfahren, ohne objektive Analysen und vollkommen intransparent aus.
Ob im nordwestlichen Klausenburg, im südlichen Ploieşti, im westlichen Temeswar oder im nordöstlichen Iaşi war die allgemeine Stimmung der Protestteilnehmer Empörung: Für mich, als junger Vertreter des rumänischen Volkes, ist das nicht normal, dass Leute, die erstens dem Staat Schaden verursacht haben und die Strafakten haben, freigelassen werden. Mir sieht das nach einem maßgeschneiderten Gesetz aus.“
Ich bin einverstanden, dass man jene freilässt, die ein Huhn oder drei Konserven gestohlen haben, die nichts zu essen gehabt haben usw., aber diejenigen, die ein Land beraubt haben, das geht nicht!“
Die meisten Protestteilnehmer — rund 30 tausend — sind in der Hauptstadt zusammengekommen. Hier marschierten sie auf zentralen Boulevards und machten vor den Sitzen der Regierung und der Koalitionsparteien halt. Bukarest fordert: Ohne Begnadigung!“, Ins Gefängnis, nicht an der Regierung!“ oder In einer Demokratie sitzen Diebe im Knast!“ waren bloß einige der Parolen der Teilnehmer. Abgesehen von der rhetorischen Heftigkeit, sind die Proteste vollkommen friedlich verlaufen. In ihrer Mitte ist für eine Viertelstunde auch Präsident Klaus Iohannis gestanden. Selbst Gegner der Initiative der Regierung, präzisierte der Staatschef, dass er gekommen ist, um seine Empörung gegenüber den strafverfolgten Politkern zu äußern, die den Rechtsstaat schwächen wollen.
Klaus Iohannis: Es ist unakzeptabel, dass man die Gesetzgebung ändert und dutzende, vielleicht hunderte Politiker, die gegen das Gesetz verstoßen haben, wieder eine saubere Akte haben, um mit den Straftaten weiterzumachen. Die Rumänen sind zu Recht empört.“
Der Vorsitzende der Sozial-Demokratischen Partei Liviu Dragnea war der Meinung, dass die Anwesenheit des Staatschefs an dem Marsch gesetzwidrig gewesen sei. Der Präsident habe dabei persönliche politische Vorteile angestrebt. Einige Kommentatoren geben ihm Recht und werfen dem Präsidenten vor, er habe seine Neutralität und seine Mediatorrolle nicht eingehalten. Einige wiederholen unermüdlich, dass die Entlassung der Diebe aus den Gefängnissen nicht als erste Priorität im Programm zu finden war, mit dem die Sozial-Demokraten die Parlamentswahlen vom letzten Jahr deutlich gewonnen haben.