Revolution von 1989: mutmaßliche Urheber der Schießbefehle immer noch nicht zur Rechenschaft gezogen
Am 16. Dezember 1989 begann in der westrumänischen Stadt Temeswar der Aufstand gegen die kommunistische Diktatur. Der Revolutionsfunke sprang bald auf Bukarest und mehrere Großstädte über und führte schließlich zum Fall des kommunistischen Regimes.
Mihai Pelin, 17.12.2021, 15:24
Seit der antikommunistischen Revolution vom Dezember 1989 sind 32 Jahre verstrichen. Viele damals aufgekommene Hoffnungen haben sich zerschlagen und die Ereignisse sind immer noch nicht restlos geklärt — insbesondere auf die Frage, wer für die Toten unter den Demonstranten schuldig ist, hat die rumänische Justiz keine zufriedenstellende Antwort gefunden.
In Temeswar finden in diesen Tagen Gedenkveranstaltungen statt. Der US-amerikanische Botschafter Adrian Zuckerman war am Donnerstag zugegen und drückte seine Dankbarkeit für die Aufopferung der Helden aus, die im Dienste der Freiheit und Demokratie ihr Leben ließen. Am 16. Dezember waren Demonstranten durch die Innenstadt gezogen und hatten in Sprechchören gegen das Regime skandiert. Freiheit“ und Nieder mit Ceaușescu“ war damals zu hören — es war ein Ausdruck der Verzweiflung der Menschen in einem kommunistischen Polizeistaat. Doch das Regime gab sich nicht sofort geschlagen und ließ auf die Demonstranten schließen.
Der Funke sprang am 21. Dezember auf Bukarest über, tausende Menschen gingen auf die Straße. Die Ereignisse kulminierten am 22. Dezember 1989 mit der Flucht des Diktatoren-Ehepaars Ceaușescu — mit dem Helikopter vom Dach des Zentralkomitees in Bukarest. Nicolae und Elena Ceaușescu wurden nach wenigen Tagen gefasst und am ersten Weihnachtstag nach einem kurzen und umstrittenen Prozess standrechtlich hingerichtet.
Im Dezember 1989 sind während der Unruhen mehr als 1000 Menschen ums Leben gekommen und mindestens 3000 wurden verwundet. Somit war Rumänien das einzige Land unter den Ostblock-Staaten, in dem der Regimewechsel einen Blutzoll forderte. 32 Jahre später sind die Ermittlungen der Staatsanwälte immer noch nicht abgeschlossen und die Verantwortlichen für die Schießbefehle nicht zur Rechenschaft gezogen worden.
Vergangenen Monat hat der Oberste Gerichtshof die Militärstaatsanwaltschaft angewiesen, die Akte Revolution von 1989“ wiederaufzurollen. Im wiederaufzunehmenden Prozess werden u.a. der ehemalige Staatspräsident Ion Iliescu, der ehemalige Vize-Premierminister Gelu Voican-Voiculescu und der Reservegeneral Iosif Rus, ehemaliger Chef der rumänischen Luftwaffe, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt.
Der Fall auch politische Brisanz. In der Anklageschrift ist zu lesen, nach der Verschlechterung des Verhältnisses zwischen dem sozialistischen Rumänien und der Sowjetunion sei eine dissidente Gruppierung um Ion Iliescu entstanden, dessen Ziel die Beseitigung des Diktators Ceaușescu gewesen sei, aber keineswegs ein Ausbruch aus der Einflusssphäre des mächtigen Nachbars im Osten. Die Militärstaatsanwälte sagen, die Gruppierung habe gut durchdachte und effiziente Schritte unternommen, um im Dezember 1989 die politische und militärische Macht an sich zu reißen. So habe sich das Militär der provisorischen Front der Nationalen Rettung (FSN) eiligst untergeordnet und somit die Machtübernahme erleichtert.
Die Front ließ sich bald darauf als politische Partei registrieren, an deren Spitze setzte sich Ion Iliescu als markantes Mitglied der ehemaligen kommunistischen Nomenklatura. Bei den ersten freien, aber von vielen Unregelmäßigkeiten und Einschüchterung der politischen Gegner begleiteten Wahlen im Mai 1990 gewann die FSN die Wahlen haushoch und Iliescu wurde der erste postkommunistische Staatspräsident Rumäniens. Dieses erste Mandat galt in der Auffassung seiner Anhänger nur als provisorisch, in der Folge bekleidete er von 1992–1996 und von 2000–2004 noch zweimal das höchste Amt im Staat. Die Front spaltete sich in mehrere Flügel auf, der harte Kern jedoch benannte sich im Laufe der Jahre mehrmals um, zunächst in Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens (PDSR), um schließlich unter dem Namen Sozialdemokratische Partei (PSD) das Land im Alleingang oder in Koalition mit anderen Parteien mehrfach zu regieren.