Regierungskrise in Bukarest: Kommt es zu Neuauflage der Großen Koalition PSD-PNL?
In Bukarest ist das politische Establishment immer noch weit davon entfernt, eine Lösung für die lähmende Regierungskrise zu finden.
Bogdan Matei, 03.11.2021, 17:30
Die Karten werden nun neu aufgemischt, nachdem der designierte Premierminister Nicolae Ciucă (PNL) mit seinem Auftrag vom Staatspräsidenten Klaus Johannis, ein neues Kabinett zu bilden, gescheitert ist. Ciucă legte mit Zustimmung seiner Partei das Mandat nieder, nachdem er im Parlament keine Unterstützung für eine Minderheitsregierung der PNL und des Ungarnverbands UDMR finden konnte.
Nun liegt der Ball wieder beim Staatspräsidenten Johannis, der laut Verfassung eine neue Konsultationsrunde mit allen parlamentarischen Parteien veranlassen muss, um einen neuen potentiellen Premierminister zu finden. Florin Cîțu, PNL-Chef und interimistischer Premierminister, spricht inzwischen von einer Flexibilisierung der Position seiner Partei und sagte, die Liberalen seien für Verhandlungen mit allen demokratischen Kräften im Parlament offen, um eine mehrheitsfähige Regierung aufstellen zu können.
Der inzwischen zurückgetretene Nicolae Ciucă (54) ist auch Reservegeneral der rumänischen Streitkräfte mit einer beachtlichen militärischen Karriere. Hätte er die notwendige politische Unterstützung gefunden, wäre er der erste hochrangige Offizier gewesen, der eine rumänische Regierung der Nachwendezeit geführt hätte. Viele fragen sich nun, warum der Staatspräsident einen Staatsbürger in Uniform zum Premierminister designiert hatte, wenn doch absehbar war, dass er keinen Rückhalt vom politischen Establishment bekommen würde. Manche Beobachter sind der Auffassung, der Präsident habe sich nach einer unlängst durchgeführten Umfrage gerichtet, laut der die Streitkräfte und die Kirche immer noch weit vorne in der Vertrauensgunst der Rumänen rangieren. 87% der Befragten sagten, sie würden der Armee großes Vertrauen schenken, 70% halten die Kirche für vertrauenswürdig und 67% setzen auf den Nachrichtendienst und die Rumänische Akademie. Derselben Studie zufolge erachten 40% der Befragten die Korruption und die Inkompetenz der politischen Klasse als die schwerwiegendste Bedrohung für Rumänien.
Die Medien spekulieren nun, dass eine große Koalition der PSD und der PNL immer plausibler wird, zumal sie auch eine komfortable Mehrheit im Parlament hätte. Bei den Wahlen vom Dezember 2020 hatten die Sozialdemokraten 157 Mandate im Senat und in der Abgeordnetenkammer errungen, die Liberalen 134 Mandate, die USR 80, die nationalistische AUR 47 und das Parteienbündnis der ungarischen Minderheit UDMR hat 30 Volksvertreter ins Parlament geschickt. Zwar haben 15 liberale Abgeordnete, die dem abgewählten PNL-Chef Ludovic Orban die Treue halten, die parlamentarische Fraktion ihrer Partei verlassen, doch auch so kämen PSD und PNL zusammen auf eine mehr als bequeme Mehrheit. Die beiden Parteien hatten zuletzt nach den Wahlen von 2012 koaliert, die Sozial-Liberale Union, wie die Koalition damals genannt wurde, regierte mit einer Zweidrittel-Mehrheit.
Die derzeitige Regierungskrise kommt nicht von ungefähr — sie ist Ausdruck einer chronischen Instabilität des Politikbetriebs in Bukarest. Seit dem Beitritt Rumäniens zur EU am 1. Januar 2007 hat Rumänien zehn Premierminister unterschiedlicher politischer Orientierung gehabt; ihre Amtszeit war mal länger, mal kürzer, sie hatten jedoch die Legitimität vorausgegangener Wahlen und genossen zumindest zeitweilig die Unterstützung des jeweiligen Parlaments. Hinzu kommen fünf kommissarisch regierende Ministerpräsidenten, die nach dem Rücktritt bzw. der Absetzung der jeweiligen Regierungschefs zum Zuge kamen.
Das politische Establishment hat auf jeden Fall sein Vertrauen bei den Bürgern verspielt — seit Jahren liegen Parlament und politische Parteien mit nur 10% weit unten auf der Vertrauensskala der Rumänen. Und auch Staatspräsident Johannis genießt Vertrauen bei nur noch 14% der Wähler, so die Ergebnisse einer weiteren Umfrage, die von der PSD in Auftrag gegeben worden war. Seine politische Gegner werfen ihn vor, dass er seine von der Verfassung vorgeschriebene Rolle des Vermittlers nicht wahrnehme und eher ein Teil des Problems als eine Lösung sei. Grund genug für die nationalistische Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR), gleich mitzumischen — die Partei kündigte an, ein Verfahren für die Amtsenthebung des Präsidenten einleiten zu wollen.