Referendum zur Schwulenehe wirbelt Politszene durcheinander
Das Referendum für ein faktisches Verfassungsverbot der gleichgeschlechtlichen Ehe ist am letzten Wochenende gescheitert – aber es hat dennoch Folgen. Ein Gesetzentwurf über die eingetragene Lebenspartnerschaft wird dem Parlament nächste Woche vorgelegt.
Corina Cristea, 09.10.2018, 12:39
Nur etwas unter 21% beteiligten sich am Referendum am Samstag und Sonntag, knapp 10% weniger, als es für die Beschlussfähigkeit verpflichtend gewesen wäre. Dass mehr als 90% der Teilnehmer an der öffentlichen Konsultation für eine Neudefinierung der Familie als freier Zusammenschluss zwischen Mann und Frau stimmten, ist dann auch egal. Doch selbst so hat das Referendum Konsequenzen – zum Beispiel Turbulenzen auf der politischen Bühne. Alle Parteien, mit Ausnahme der USR, hatten ihre Unterstützung für die Änderung der Verfassung zum Ausdruck gebracht und im Parlament für das Gesetz zur Novellierung der Verfassung gestimmt.
Die PSD ist die wichtigste Partei der regierenden linksliberalen Koalition. Ihr stellvertretender Vorsitzender Paul Stănescu glaubt, dass das Referendum nicht nur für die Sozialdemokraten, sondern für die ganze Gesellschaft ein Versagen darstellt. „Ich bin enttäuscht über das, was beim Referendum passiert ist. Ich hätte es erwartet, dass sehr viele Rumänien JA sagen. Wir müssen über die sehr niedrige Präsenz diskutieren, um zu sehen, was die Ursache ist. Die gesamte rumänische Gesellschaft hat versagt — die Leute haben sich einfach geweigert, zu wählen.
Das Ergebnis des Referendums spiegelt tatsächlich das mangelnde Interesse der Bürger wider, sagte auch Călin Popescu Tăriceanu, Präsident des Juniorpartners der Koalition, ALDE. Er verkündete, dass seine Partei über das nationale Referendum nicht groß diskutieren werde — es sei schließlich nicht von der ALDE organisiert worden. Stattdessen ist das Referendum wichtigstes Thema bei der stärksten Oppositionspartei, PNL. Mehrere Mitglieder haben Parteichef Ludovic Orban vorgeworfen, die Partei zu einem politischen Scheitern verurteilt zu haben und nicht modernisiert zu haben. Er vertrete eine rückschrittliche Politik, lautet die Kritik. Ludovic Orban weist die Vorwürfe zurück. „Ehrlich gesagt, hätte ich erwartet, dass diese Kollegen die PSD angreifen, weil die Sozialdemokraten das Referendum konfisziert haben. Sie sollten uns im Kampf an allen Fronten gegen die PSD beistehen“, so Orban enttäuscht.
Die USR gilt als Gewinner — die Partei konnte sich überzeugend als modern und fortschrittlich positionieren. Parteichef Dan Barna bedauert die Haltung der Vertreter der Koalition für Familie: nachdem er es geschafft habe, 3 Millionen Unterschriften für das Referendum zu sammeln, werfe der Verein nun die Organisation der Wahl und den Boykott den Parteien vor. Die Rumänen seien aufgefordert worden, ihren Standpunkt zu äußern, und sie sagten durch das Fernbleiben einfach, dass die Menschen keinen Bedarf am Inhalt der Initiative hatten, so Dan Barna. Die rumänische Patriarchie bestand auf geistiger Einheit der Bürger und verteidigte die traditionelle Familie weiter, nachdem die Volksbefragung widerrufen worden war.
Europaminister Victor Negrescu sagte inzwischen, dass eine Gesetzesvorlage zur eingetragenen Lebenspartnerschaft fertig sei und nächste Woche im Parlament eingebracht werde.