PSD-Führer in illilberalem Delirium
Der Chef der Sozialdemokratischen Partei, Liviu Dragnea, hat am Sonntag neue Feindbilder für sich und seine Partei heraufbeschworen.
Ştefan Stoica, 17.12.2018, 17:36
Am Sonntag hielt die in Rumänien regierende sozialdemokratische Partei eine Sitzung ihres Nationalrats ab. Nur einen Tag vor der Lesung eines zweiten Misstrauensantrags der rechtsgerichteten Opposition gegen die von den Sozialdemokraten geführte Regierung hätten Kommentatoren erwartet, dass der sozialdemokratische Chef Liviu Dragnea zur Solidarität in seiner Partei aufruft und sie drängt, gegen ihre politischen Gegner anzukämpfen. Überraschenderweise hat Liviu Dragnea allerdings die Opposition verschont, die er offenbar nicht als ernsthafte Bedrohung wahrnimmt.
Er hielt jedoch eine ziemlich harte Rede, die von Beobachtern als Geburtsurkunde der illiberalen Ära für die Sozialdemokratische Partei bewertet wurde. Dragnea warf der EU vor, Rumänien im Rahmen des Kooperations- und Überprüfungsmechanismus zurückgehalten zu haben. Er griff das Europäische Parlament und die sozialistischen Europaabgeordneten an, die angeblich dem Land schaden wollen. Auch die multinationalen Konzernen verschonte Dragnea nicht: die in den Bereichen Energie, Einzelhandel, Banken und Telekommunikation tätigen Firmen würden durch Steuertricks Geld aus dem Land holen. Dragnea vergaß auch Präsidenten Klaus Iohannis nicht. Ihm warf er Hochverrat vor, weil er zu einem Zeitpunkt erklärt hatte, dass Rumänien nicht in der Lage sei, die EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen.
Der sozialdemokratische Führer schnitt auch sein Lieblingsthema an: ein „Parallelstaat“ aus Geheimdiensten und Staatsanwälten strebe angeblich Strafverfahren gegen unerwünschte Personen an, darunter auch Dragnea selbst. Damit war er beim viel diskutierten Thema von Amnestie und Begnadigung. Er forderte die Regierung auf, einen Dringlichkeitsbeschluss zu diesem Thema zu erlassen, falls keine anderen Lösungen gefunden werden sollten, um damit fertig zu werden, was Dragnea als Ungerechtigkeit in der Justiz“ bezeichnet. Wie Dragnea es ausdrückte: Warum sind Worte wie Amnestie und Begnadigung eine Art Blasphemie, als ob wir über eine Atombombe reden, die wir gegen die EU und die Welt einsetzen? Ich habe keine Angst, diese Worte zu gebrauchen.“
Der Angriff des sozialdemokratischen Spitzenmannes auf die EU, seine Fahne der nationalen Souveränität und seine offen vorgetragenen Absichten gegenüber der Justiz stießen auch auf Kritik. „Dies ist eine Kriegserklärung gegen unsere Partner in der EU und der NATO, das Delirium eines Diktators, der das Land in seine dunkelsten Zeiten stürzen kann“, sagte der Präsident der Nationalen Liberalen Partei, Ludovic Orban. Er forderte die Sozialdemokraten auf, sich von Dragnea zu distanzieren und das Misstrauensvotum der Opposition zu unterstützen.
Der Vorsitzende der Union zur Rettung Rumäniens, Dan Barna, warnte die Regierung: die Verabschiedung eines Dringlichkeitsbeschlusses über Amnestie und Begnadigung wäre das Startsignal für eine Revolution. Wir werden auf die Straße gehen und dort bleiben, bis die von den Sozialdemokraten und der Allianz der Liberalen und Demokraten gebildete Regierung stürzt. Wir werden friedliche Proteste veranstalten, bis sich Rumänien von Liviu Dragnea und seinem korrupten, betrügerischen und verantwortungslosen Regime befreit “, sagte Dan Barna.
Im November forderte die Europäische Kommission Bukarest auf, alle Änderungen der Justizgesetze auszusetzen und die Revision des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung wiederaufzunehmen. Eine Amnestie, von der unter anderem die wegen Korruptionsvorwürfen zu Haftstrafen verurteilten hochrangigen Beamten profitieren, würde nur den Verdacht verstärken, dass die Machtpolitiker in Bukarest die Justiz als bloßes Instrument zu ihrer Verfügung halten.
Und unter diesen Voraussetzungen übernimmt Rumänien am 1. Januar die halbjährliche EU-Ratspräsidentschaft.