Proteste und Forderungen in Chişinău
Die Behörden der Republik Moldau werden mit weitgehenden bürgerlichen Protestaktionen konfrontiert. Diese dauern seit einigen Tagen an und ein Ende ist noch nicht in Sicht.
Bogdan Matei, 09.09.2015, 16:30
Das Zentrum der moldauischen Hauptstadt Chişinău ist zum Mittelpunkt eines dramatischen Risses zwischen den Bürgern und den Politikern geworden. Am Sonntag fand eine riesige Kundgebung statt, bei der man die Korruption der Regierung stark verurteilt hat. Diese wurde von Bürgerverbänden organisiert. Daran beteiligten sich zehntausenden Menschen. Am Montag entstand neben dem Regierungssitz eine Kleinstadt aus Zelten, deren einige hundert Einwohner nicht mehr weggehen möchten, bis die Exekutive zurücktritt. Die Protestierenden fordern auch den Rücktritt des Präsidenten Nicolae Timofti und des Generalstaatsanwaltes, die Organisierung von vorgezogenen Wahlen im März nächsten Jahres, sowie die Rückkehr zur Universalwahl des Staatschefs, der zurzeit von den Abgeordneten gewählt wird.
Der Ausbruch der Empörung fand statt nachdem die Politiker, die die Kommentatoren schlicht als autistisch bezeichnen, auf keines der Signale der Straße oder der ausländischen Partner reagiert hat. Im Sommer stoppten der IWF und die Weltbank die Finanzierung einiger Vorhaben in der Republik Moldau. Diese kündigten an, dass die Beziehungen zu dieser eingefroren bleiben, bis die Behörden entscheidende Maßnahmen zur Lösung der Probleme der Banken umsetzen. Aus diesen ist nicht weniger als einer Milliarde Dollar heimlich verschwunden, was 15% des BIP entspricht. Es wäre unlogisch und verantwortungslos, dass die Weltbank das Geld ihrer Aktionäre durch die Vordertür in den Haushalt der Moldau überträgt, während Risiken bestehen, dass es, aufgrund der Korruption und der Betruge im Bankensektor, durch die Hintertür verloren geht.“ — erklärte der Leiter der Bank für die Republik Moldau, Alex Kremer.
Auch die Europäische Union warnte, dass es ihrerseits das Geld für die Justizreform, wegen der Nichteinhaltung der Verpflichtungen, die die Behörden eingegangen sind, streichen könnte. Diese sperrten das Gesetzpaket zur Umorganisierung des Nationalen Integritätsausschusses. Dieses hätte die Unabhängigkeit der besagten Anstalt, durch den Ausschluss der politischen Kontrolle gewährleisten müssen. Ich bin sehr enttäuscht“ — erklärte der EU-Delegationschef in Chişinău, Pirkka Tapiola. Die Enttäuschung der Bürger ist entsprechend groß. Besonders weil die prowestliche Dreiparteienkoalition, die sich in Chişinău an der Regierung befindet und bereits ihre Glaubwürdigkeit verloren hat, auch die westlichen Werte, die die Protestteilnehmer befürworten, zu gefährden droht.
Für die Protestaktion, die weit von einer einheitlichen Bewegung ist, besteht auch das Risiko einer unvorhersehbaren Umleitung. Zu den Protestierenden zählen nicht nur Anhänger der europäischen Integration oder Befürworter der Wiedervereinigung der Republik Moldau mit dem benachbarten Rumänien, sondern auch Linksextremisten, Anhänger einer Annäherung an Moskau. Diese hatten am Sonntagabend versucht, den Sitz der Generalsstaatsanwaltschaft zu stürmen und zwangen die Polizei dazu, kräftig einzugreifen. Der Korrespondent von Radio Rumänien in Chişinău verweist auch auf die Ankündigung der Sozialisten und der prorussischen Populisten aus der Opposition sich dem Protest anzuschließen. Dies würde sowohl die Spannungen als auch die Konfusion erhöhen.