Parlamentswahlen in Rumänien
Nach den Europa- und Präsidentschaftswahlen 2019 und den Kommunalwahlen im September fand gestern in Rumänien der vierte und letzte Urnengang der letzten zwei Jahre statt, im Zeichen der Covid-19-Pandemie, aber auch der Hoffnungen und der Unzufriedenheit
Roxana Vasile, 07.12.2020, 18:05
Die nationale Wahlbeteiligung von 32% war die niedrigste seit 30 Jahren. Während die Menschen im Land erst am 6. Dezember zur Wahl gehen durften, stand ihren jenseits der Grenze lebenden Landsleuten auch der Samstag zur Verfügung. Im Ausland wählten etwa 265.000 Bürger, wobei die größte Beteiligung in Italien, der Moldau, Spanien, Großbritannien, Deutschland und Frankreich zu verzeichnen war. Im Ausland endete die 59-stündige Abstimmung mit der Schließung der letzten Wahllokale an der Westküste der Vereinigten Staaten und Kanadas.
Nach der nächtlichen Auszählung eines Großteils der Stimmzettel ist der Sieg der Sozialdemokratischen Partei sowohl im Senat als auch in der Abgeordnetenkammer mit rund 30% der Stimmen. Die regierende Nationale Liberale Partei folgt mit fast 25% der Stimmen, während die Allianz zwischen USR und PLUS etwa 15% der Stimmen erhielt.
Die Überraschung dieser Parlamentswahlen kommt jedoch von der neu gegründeten Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), die als viertstärkste Kraft in die Legislative einzieht, nachdem sie rund 9% der Stimmen gewonnen hat. Es folgt die Union der ungarischen Minderheit, die als letztes die Wahlhürde überschreitet und in das neue Parlament kommt, das aus 136 Senatoren und 329 Abgeordneten bestehen wird.
Die Spitzenpolitiker der Parteien äußerten sich nach Abschluss des Urnengangs zu den Ergebnissen, doch im Gegensatz zu anderen Wahlgängen hielt sich der Enthusiasmus in Grenzen. Sowohl der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Marcel Ciolacu, als auch der amtierende liberale Parteichef und Premierminister, Ludovic Orban, beanspruchten einen Sieg, der praktisch keiner Seite erlaubt, allein zu regieren.
„Wir brauchen eine Regierung, die fähig ist, Lösungen zu bringen, und ich danke besonders den Rumänen, die an die Urnen gegangen sind, denn sie haben die Angst um ihr Leben besiegt, aber sie haben auch verstanden, dass diese Regierung von Orban nach Hause gehen muss“, sagte Marcel Ciolacu.
„Ich vertraue auf die Fähigkeit der Nationalliberalen Partei, neben den euro-atlantischen demokratischen Kräften, die den Bürger respektieren und die Entwicklung Rumäniens wollen, eine parlamentarische Mehrheit aufzubauen, um so schnell wie möglich eine Regierung zu bilden“, so seinerseits Premierminister Ludovic Orban.
Der Ko-Vorsitzende der USR-PLUS-Allianz, Dacian Cioloş, bemerkte seinerseits, dass die Rumänen keiner Partei ein klares Mandat zur alleinigen Regierungsbildung erteilt haben. Einer Koalitionsregierung würde sein Bündnis gerne angehören. „Rumänien braucht in den kommenden Jahren eine Modernisierung und tief greifende Reformen. Der Aufbau muss auf einer soliden und sauberen Basis von Ehrlichkeit und Professionalität erfolgen, und dies ist auch das Mandat, mit dem die USR-PLUS ins Parlament geht und über den Regierungseintritt verhandeln wird“, kommentierte Dacian Cioloş die Wahlen.
Der Vorsitzende der Magyarenunion Kelemen Hunor seinerseits verspricht, dass sie versuchen werde, im rumänischen Parlament für ein ausgewogenes Klima zu sorgen, während AUR-Chef George Simion darauf hinwies, dass seine Partei keiner Regierungskoalition angehören wird.