Orban-Kabinett gestürzt: Was nun?
Drei Monate nach der Vereidigung wurde das liberale Kabinett Ludovic Orbans durch einen Misstrauensantrag abgesetzt.
Corina Cristea, 06.02.2020, 16:47
Der liberale Premierminister Ludovic Orban, der von seinen politischen Gegnern dafür kritisiert wurde, dass er versucht hatte, die Wahlgesetze ohne eine ordentliche Parlamentsdebatte und nur wenige Monate vor den Kommunalwahlen zu ändern, scheiterte am Mittwoch an einem Misstrauensantrag, der gegen seine Regierung eingereicht worden war. Die vierte Regierung seit den Parlamentswahlen im Jahre 2016 und die erste liberale Regierung im gleichen Zeitraum hielt sich nur drei Monate an der Macht.
Die Sozialdemokraten, die nach einem im Oktober verabschiedeten Misstrauensantrag in die Opposition wechselten, schlossen sich mit der Partei des ehemaligen Premierministers Victor Ponta, Pro Rumänien zusammen und erreichte, mit Unterstützung des Ungarn-Verbandes in Rumänien, mehr als genug Stimmen, um die Orban-Regierung zu stürzen.
Auf dem Spiel steht das Wahlsystem für die bevorstehenden Kommunalwahlen. Das derzeitige Format mit nur einem Wahlgang begünstigt die großen Parteien, darunter die Sozialdemokraten. Und obwohl deren Zustimmungsraten zurückgehen, haben die Sozialdemokraten weiterhin die meisten Sitze im Parlament und die meisten Bürgermeister im Land. Die von der Liberale Partei vorangetriebene Änderung des Wahlsystems würde also in erster Linie die Sozialdemokraten treffen.
Auch die Nationalliberale Partei, deren Umfragewerte sich laut Meinungsumfragen seit 2016 auf rund 47 % fast verdoppelt hat, verfügt über eine beträchtliche Anzahl von Bürgermeistern, sagt aber, dass ein System in zwei Wahlgängen den lokalen Vertretern mehr Legitimität verleihen würde.
Der Sturz des Orban-Kabinetts ebnet aber auch den Weg für vorgezogene Wahlen, ein Szenario, das sowohl die Liberale Partei als auch Präsident Klaus Iohannis derzeit befürworten. Nach Ansicht des Präsidenten Iohannis ist die Hinwendung zu den Wählern derzeit die vernünftigste Lösung für das Land. Aber das Verfahren für die Durchführung von vorgezogenen Wahlen ist laut Verfassung ziemlich kompliziert. Damit der Präsident das Parlament auflösen kann, müssen innerhalb der nächsten 60 Tage 2 Premierministernominierungen abgelehnt werden.
Dieses Ergebnis ist sowohl für die Liberalen als auch für die Sozialdemokraten aus verschiedenen Gründen wünschenswert, sagt der Politologe Cristian Pirvulescu. Er ausdrückt es folgendermaßen aus: Die Sozialdemokratische Partei befand sich in der Lage, das kleinere Übel zu wählen, nämlich zwischen der Kommunalwahl in zwei Durchgängen und den vorgezogenen Parlamentswahlen“.
Ein anderer politischer Kommentator, Radu Magdin, stimmt zu, dass das derzeitige Ergebnis auch für die Nationalliberale Partei und den Ungarn-Verband gut ist. Die Liberalen streben bei den Parlamentswahlen ein Ergebnis von 35 % an, was unter den gegenwärtigen Umständen sehr wahrscheinlich ist, während die Sozialdemokraten und der Ungarn Verband sich darauf konzentrieren, die Wahl der Bürgermeister in einem einzigen Wahlgang beizubehalten.“ Über den politischen Wettbewerb hinaus, so Radu Magdin, weist dieses Ergebnis auch auf lange Verhandlungen hinter den Kulissen hin. Und die einzige Partei, die laut Meinungsumfragen verlieren wird, ist der Drittplatzierte, das Bündnis USR-PLUS“.