Obama hinterläßt umstrittenes Vermächtnis
Der scheidende US-Präsident Barack Obama hat in seiner Heimatstadt Chicago eine emotionsgeladene Rede gehalten – seine wohl letzte als amerikanisches Staatsoberhaupt.
Bogdan Matei, 11.01.2017, 17:01
Es war eine beeindruckende Inszenierung in Chicago, der Stadt, in der seine Kinder geboren sind und wo Barack Obama seine Reise begann, die ihn vor neun Jahren bis ins Weiße Haus führte. 20 Tausend Menschen hörten den Worten des Präsidenten zu, der sich in Begleitung der First Lady und seiner Kinder seiner Tränen nicht schämte. Auch diesmal standen die gewöhnlichen Bürger im Mittelpunkt seiner Rede, die Alltagsmenschen als entscheidende Akteure des Wandels und Bürgen der Demokratie. Sie halten immer noch zu ihm – 55 Prozent der Amerikaner sind mit seinen Amtshandlungen zufrieden, 39 Prozent waren enttäuscht. Obama selbst sieht die USA als besseres, stärkeres Land als vor seinem Amtsantritt vor acht Jahren.
Die USA seien jedoch bedroht von Ungleichheit, von Rassismus und Ausgrenzung von Teilen der Gesellschaft. Diese Tatsachen zu ignorieren wäre Verrat an den künftigen Generationen und an den Gründervätern Amerikas, warnte Obama – deshalb seien die Bürger gerufen, die Demokratie zu verteidigen.
Über sein außenpolitisches Vermächtnis streiten sich die Politologen. Sie begrüßen zwar unisono die Beseitigung des Al-Qaida-Topmannes Osama Bin Laden, die Pflege guter Beziehungen zu den europäischen Verbündeten und die Öffnung der USA gegenüber der Asien-Pazifik-Region. Doch es war in seiner Amtszeit, dass es ein revanchistisches Russland zum ersten Mal nach dem Kalten Krieg wagte, sich ein fremdes Gebiet wieder zu einverleiben – die ukrainische Krim-Halbinsel.
Die Illusionen des Westens über die demokratische Gesinnung des so genannten arabischen Frühlings haben den Nahen Osten und den Norden Afrikas zu einem Inferno gemacht. In Libyen und dem Yemen, im Irak oder Tunesien sind marodierende Dschihadi-Banden an Stelle der korrupten Autokraten getreten; in Syrien herrscht Bürgerkrieg – und aus dem Chaos versuchen Millionen von Menschen auszubrechen, die an Europas See- und Landesgrenzen harren.
Außerdem habe Obama Israel verprellt, den konsequentesten Verbündeten der USA und die einzige funktionierende Demokratie in der Region. Der erste schwarze US-Präsident hinterläßt seinem Nachfolger, dem umstrittenen Krösus Donald Trump, eine Menge heißer Themen. Trumps Position scheint von den vielen Skandalen um seine Wahl und die Nachfolgezeit geschwächt. Am 20 Januar übernimmt er sein Amt – doch schon jetzt hat er nur ein Drittel der Amerikaner hinter sich.