Neue Regierungskoalition in den Startlöchern
Die endlich zustande gekommene neue Regierungskoalition könnte am Donnerstag das Kabinett aufstellen. Die parlamentarische Mehrheit ist zwar gegeben, doch um der Großen Koalition mehr Nachdruck zu verleihen, wird weiterhin um jeden Posten geschachert.
Daniela Budu, 24.11.2021, 17:30
Die Koalition der Liberalen, Sozialdemokraten und des Ungarnverbands als Juniorpartner (PNL-PSD-UDMR) stützt sich auf eine bequeme Mehrheit, die die Ausgangslage nach der Parlamentswahl im vergangenen Jahr nur scheinbar auf den Kopf stellt. Das Geschacher um Spitzenpositionen im Staat läuft nämlich nicht allein um Ministerposten, sondern auch um die höchsten Funktionen im bikameralen Parlament. So wurde der PSD-Chef Marcel Ciolacu zum Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer gewählt, während der Parteichef der Liberalen, Florin Cîţu, die Leitung des Senats übernimmt. Beide dürften ihre Ämter am kommenden Freitag übernehmen, wenn bis dahin die neue Regierung bestätigt und vereidigt wird.
In der Abgeordnetenkammer ging das Procedere reibungslos über die Bühne, denn der Posten des Vorsitzenden war nach dem Rücktritt des abgewählten PNL-Chefs Ludovic Orban ohnehin vakant. Somit hatte es der Chef der Sozialdemokraten, Marcel Ciolacu, recht leicht — er wurde mit 217 Fürstimmen und 77 Gegenstimmen zum neuen Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer gewählt. Cristina Prună, seine Kontrahentin von der USR, hatte aufgrund der neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament kaum eine Chance, sich durchzusetzen. Als Parlamentspräsident werde ich mich dafür einsetzen, dass die Maßnahmen für den Sozialschutz und gleichzeitig für die Förderung der Wirtschaft, für die die PSD einsteht, auch umgesetzt werden und dass das Regierungsprogramm im Parlament unterstützt wird“, sagte Ciolacu nach seiner Wahl.
Nicht so reibungslos verlief die Wahl eines neuen Chefs des Senats, der Oberkammer des rumänischen Parlaments. Hier war es in der Auffassung der neuen Koalition notwendig, Anca Dragu, die amtierende Präsidentin seitens der USR, aus dem Amt zu boxen, um den Weg für den Liberalen-Chef frei zu machen. Die Große Koalition berief sich dabei auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, laut der bei einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Parlament die amtierenden Präsidenten der beiden Kammern ihrer Ämter enthoben werden können. Wie zu erwarten war, will die USR nun eine Verfassungsbeschwerde gegen diese Maßnahme einreichen.
PNL-Chef Florin Cîţu, der mit 82 Fürstimmen und 25 Gegenstimmen nun auch zum Senatspräsidenten gewählt wurde, hat es ohnehin nicht leicht, denn nicht alle in seiner Partei sind erfreut über die Koalition mit dem bisherigen Erzfeind“ PSD. Ludovic Orban, ehemaliger Parteichef und altgedientes Parteimitglied, ist nach 30 Jahren aus der PNL ausgetreten und hat gleich mehrere Parlamentsabgeordnete mit ins Boot der Abtrünnigen geholt — darunter auch zwei ehemalige Minister. Doch auch die Liberalen, die dem neuen Chef die Treue halten, monieren hinter verschlossenen Türen, dass die PSD bei den Verhandlungen über das neue Kabinett die PNL über den Tisch ziehen würde.
Indessen sollte das neue Kabinett um den Liberalen und General a. D. Nicolae Ciucă am Donnerstag aufgestellt werden — wenn sich die Verhandlungspartner bis dahin nicht wieder verkrachen. Geplant sind 20 Ministerien und zwei Vize-Ministerpräsidenten. Die Liberalen wollen ihre bisherigen Ministerposten behalten — es handelt sich dabei um das Auswärtige Amt, das Innenministerium, das Bildungsministerium und das Energieressort — und vier weitere Ministerien für sich in Anspruch nehmen. Die Sozialdemokraten beanspruchen neun Ressorts für sich, darunter das Finanzministerium, das Verteidigungsministerium und das Wirtschaftsministerium sowie das Generalsekretariat der Regierung. Dem Ungarnverband UDMR stünden laut bisherigen Verhandlungen dieselben staatlichen Geschäftsbereiche wie bisher zu — das Ministerium für Entwicklung, das Umweltressort und das Sportministerium.
Das Regierungsprogramm ist am Dienstag im Parlament eingereicht worden, im Text finden sich zuhauf hehre Prinzipien wie Resilienz, Stabilität, Transparenz, soziale Gerechtigkeit und Effizienz. Der designierte Premierminister versicherte ebenfalls, dass man eine Anhebung der Renten, der Sozialausgaben, des Mindestlohns und des Kindergeldes plane. Noch ist allerdings nichts entschieden — nach Donnerstag werden wir alle schlauer sein.